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GÄSTEHAUS KLAUS ERFORT · Klaus Erfort

Die Krönung der Königslangustine

Er schert sich nicht um Moden, will kein Avantgardist sein, pflegt seine Klassiker und pfeift auf den Ruhm. Trotzdem – oder gerade deswegen – ist Klaus Erfort aus Saarbrücken einer der besten Köche der Welt.

Ist Klaus Erfort ein Genie? Schweigen, Schulterzucken, ein ratloser Blick, eine zögerliche Antwort. Ein Genie? Nein, das würde er nicht von sich behaupten wollen. Vielleicht habe er ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl als andere, mehr nicht, sagt Klaus Erfort, drei Michelin-Sterne, neunzehneinhalb Gault-Millau-Punkte, Maximalbewertungen in fast allen anderen Führern, einer der besten Köche nicht nur Deutschlands, sondern der ganzen Welt. Dann verschwindet er in seine Küche, um einen Geniestreich aus ihr herauszuschicken: Er füllt eine Kokotte mit einem Fundament aus Meersalz, erhitzt sie im Ofen bei 220 Grad, aromatisiert das Salz mit einem Kräuteraufguss aus Rosmarin, Thymian, Ingwer und Knoblauch, legt sofort eine rohe, nur mit rotem Pfeffer und Zitronenöl marinierte Langustine »royale« in die Kokotte, verschließt sie wieder und lässt das Meerestier inmitten der Kräutersalzwolke in den wenigen Sekunden garen, die der Kellner für den Weg aus der Küche an den Tisch braucht. So rein, so klar, so unverfälscht haben wir noch nie eine Langustine gegessen. Und so fühlen wir uns jetzt, als habe uns Klaus Erfort die Wahrhaftigkeit ihres Geschmacks ein für allemal enthüllt.

Ist Klaus Erfort ein Künstler? Dieses Mal kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: Nein, und er sei auch kein Kunsthandwerker, sondern bloß ein Handwerker und schon froh, wenn er in seiner Karriere als Koch ein halbes Dutzend Gerichte für die Ewigkeit kreieren werde. Er sagt das ganz ohne Koketterie, denn er meint es ernst und findet die Originalitätsmanie, die Hyperkreativität mancher Kollegen albern. Erfort, Saarländer durch und durch, also Bonvivant mit Haut und Haaren, ist ein bekennender Anti-Avantgardist, seufzt über die vielen Moden, die bei uns über den Teller gejagt werden, und ärgert sich darüber, dass die deutschen Spitzenköche im Gegensatz zu den französischen Chefs so wenige ihrer Klassiker auf der Karte haben.

Er hingegen denkt gar nicht daran, seine Taube aus dem Menü zu streichen. Sie wird in der Pfanne angebraten und gemeinsam mit tournierten Karotten und Kartoffeln, zu Rauten geschnittenem Lauch und Trüffelsud in einem Tontopf fertiggegart, der mit einem Deckel aus Salzteig verschlossen wird. Wenn der Kellner am Tisch mit einem Messer den Topf öffnet und man die Taube wie Susanna im Bade in ihrem Sud planschen sieht, fällt man fast in Ohnmacht, so betörend, so intensiv ist der Duft von Täubchen und Trüffeln, der sich wie ein Flaschengeist aus Tausendundeiner Nacht im Restaurant entfaltet.


Das ist ein Gericht für die Ewigkeit, eine Ode an die Kunst der Einfachheit, eine Hommage an die französische Haute Cuisine, die Klaus Erforts Kochen seit seinen Lehrjahren bei Harald Wohlfahrt in Baiersbronn prägt, ohne ihn aber in die rostige Ritterrüstung des Traditionalismus zu zwängen; er selbst trägt zur Kochjacke ohnehin am liebsten Jeans und Turnschuhe. Dass für ihn das Kochen auch sonst kein Hochamt mit steifer Liturgie ist, begreift man sofort, wenn man sein Restaurant in einer chrysantemenweißen Gründerzeitvilla in Saarbrücken betritt und sich in hellen, offenen Räumen ganz ohne Plüsch und Plunder, dafür mit Gemälden eines Beuys-Schülers an den Wänden wiederfindet. Am spektakulärsten aber ist die Küche selbst, die Erfort an das Restaurant gebaut hat: ein lichter Glaskubus in Bauhaus-Manier mit freiem Blick auf den Privatpark der Villa, ein Palast von Küche, in dem die Köche Könige sind.

Ist Klaus Erfort ein Star? Diese Antwort fällt ihm nicht so leicht. Wenn überhaupt, dann sei er ein Star wider Willen. Er wolle gar nicht auf der Straße wiedererkannt werden, in Saarbrücken sei er für seinen Geschmack sowieso schon viel zu sehr ein bunter Hund. Das Fernsehen meidet er wie der Teufel das Weihwasser, und ein Kochbuch hat er in seinem ganzen Leben noch nicht geschrieben. Andererseits beklagt er, dass in Deutschland dem guten Essen und den guten Köchen zu wenig Respekt gezollt werde. Er wohne in Frankreich, und als seine Nachbarn erfahren hätten, wer er sei, seien sie in Ehrfurcht fast erstarrt, »trois étoiles, mon Dieu, un grand chef«. Erfort erzählt das ohne jeden hochherrschaftlichen Gestus, sondern mit einem solchen Lausbubengrinsen, dass wir ihm sofort glauben, wie sehr ihm die Selbstherrlichkeit mancher Kollegen auf den Geist geht. Überhaupt gebe es unter den deutschen Spitzenköchen zu viel Konkurrenz und zu wenige Freundschaften, das bedauere er sehr. Er jedenfalls koche für den Gast, nicht für sein Ego, und er wolle, dass jeder am Tisch so viel Spaß habe wie er in der Küche. Denn um nichts anderes gehe es doch bei einem Restaurantbesuch, um das Wohlfühlen, um die Freude, um ein paar schöne Stunden.

Uns schickt Erfort jetzt aus Spaß auf Schatzsuche. Denn er hat seinen bretonischen Hummer in einem Gemüseacker vergraben, tief unter Karotten, Bohnen, Spargelspitzen, Radieschenscheiben, Olivenkrokant, Guacamole-Tupfern, Périgord-Trüffeln, Blutampferkresse und einem pochierten Wachtelei. Es ist ein Teller wie ein Gartenkunstwerk, jedes Gemüseröllchen, jedes Kräuterblättchen von furchteinflößender Perfektion, alle Aromen in einer fragilen und doch vollkommenen Balance wie bei einem Mobile. Wir graben uns verzückt bis zum Hummer, dessen aristokratisches Fleisch wir jetzt für keine Kiste voller Goldmünzen eintauschen würden, und müssen gestehen, dass uns Gartenarbeit selten so viel Spaß gemacht hat.

Bei Klaus Erfort ist alles helle Freude. Er zeigt nicht die geringste Schwäche, nicht den Hauch einer Schwankung, nicht die kleinste Showeinlage der Selbstverliebtheit. So geht das Gang um Gang, vom Carabinero und Pulpo im Pinienkern-Oliven-Sud mit Safranfenchel über das Milchlamm-Karree mit Paprikacreme und Auberginen-Kaviar bis zum guten Schluss, bis zum Dessert von Birne und Fenchel, kunstvoll serviert als Kompott, Eis, Gelee und Creme, bis zur Zuckerkugel, in der sich Himbeeren und Rote Bete – zwei Geschmäcker, die so viel gemeinsam haben wie die Montagues und Capulets – in schönster Eintracht zum heimlichen Rendezvous treffen. Schweren Herzens zerstören wir die prachtvolle Kugel, ertappen die beiden Turteltäubchen und verspeisen sie beglückt. Klaus Erfort mag kein Genie sein und auch kein Künstler oder Star. Eines aber ist er ganz gewiss: ein großer Menschenbeglücker.

GÄSTEHAUS KLAUS ERFORT

Mainzer Straße 95 · 66121 Saarbrücken · 0681 95 82 682

www.gaestehaus-erfort.de


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