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FRITZ’S FRAU FRANZI · Benjamin Kriegel

Das Leben ist schon kompliziert genug

Doch wie einfach darf man es sich als Koch machen? Benjamin Kriegel, der Chef des Restaurants »Fritz’s Frau Franzi« in Düsseldorf, kennt eine der Antworten.

Wenn das die neue Einfachheit der Spitzengastronomie im tischdeckenfreien, silberbestecklosen, oberkellnerentsorgten Post-Komplikations-Zeitalter sein soll, dann wünschen wir viel Vergnügen: Seit fast zehn Minuten steht Benjamin Kriegel am Pass seines Sternerestaurants »Fritz’s Frau Franzi« in der Düsseldorfer Innenstadt und richtet vor unseren Augen das Hauptgericht an. Er malt einen Schweif aus Auberginen-Püree auf den Teller, drapiert einen luftgetrockneten, kurzgebratenen Lammrücken darauf, garniert ihn mit Zucchini, Quinoa und geschmortem Kopfsalatherz, nappiert das alles mit einem klassischen Lammfond, füllt ein Extratöpfchen mit geschmorter Lammschulter, Speckschaum, hauchzarten Champignonscheiben, Sau- und Kidneybohnen und lässt die Hauptspeise dann von einem jugendlich schwungvollen Turnschuhträger an unseren blanken Holztisch bringen. Wir lassen uns dieses herrliche, technisch makellos nach allen Regeln der Spitzenküchenkunst zubereitete Doppellamm schmecken und ahnen nun, dass es gar nicht so einfach ist mit der neuen Einfachheit der Haute Cuisine.

Die Zukunft der Hochküche könne nur darin liegen, auf Pomp, Etikette und Firlefanz zu verzichten. Das hört man immer wieder, und zumindest auf den ersten Blick wird dieses Dogma in Benjamin Kriegels Restaurant mustergültig befolgt. Schon sein Name signalisiert eine Unkonventionalität, die selbst vor Sinnfreiheit nicht zurückschreckt: »Fritz« ist eine kokette Veralberung der Luxushotellegende Ritz und leitet sich vom Namen des Boutiquedesignhotels ab, in dem das Lokal untergebracht ist; Frau Franzis Herkunft hingegen – das gibt der Patron freimütig zu – ist ein Mysterium, das noch niemand zu lösen vermocht hat. Der vordere Teil des Lokals ist eine Bar, der hintere wird von einer Wand voller Blumen abgeschlossen, der Pass öffnet sich samt Küche wie ein großes Schaufenster zum Gastraum.

Auch sonst ist Ungezwungenheit das Gebot der Stunde. Die Servietten sehen aus wie Geschirrhandtücher, und das vermeintliche Goldbesteck auf den Tischen ist wieder eine ironische Anspielung auf den Grandhotelglanz des Ritz und besteht in Wahrheit aus beschichtetem, spülmaschinenfestem Edelstahl. Auf der Karte werden die Vorspeisen als »Spaßbringer«, die Fischgerichte als »Wasserstoff« und die Fleischgänge als »Landpartie« bezeichnet. Und statt einer starren Speisefolge gibt es ein offenes Menü, das man sich nach Lust und Laune aus den Wasserstofflandpartiespaßbringern zusammenstellen kann, sofern man sich nicht für die fünfgängige Empfehlung des Chefs für schlanke 79 Euro entscheidet.


Das übliche Bombardement aus Amuse-Bouches darf man bei diesem Preis natürlich nicht erwarten, aber das ist hier auch nicht der Sinn der Übung. Wir begnügen uns also klaglos mit nur einem Küchengruß aus mariniertem Chinakohl, frittiertem Karottenstroh, fermentiertem Karottensaft, Koriandermayonnaise, schwarzem Sesam und Ponzu, dessen Wareneinsatz den Patron nicht gerade in den Ruin treiben dürfte. Dafür lässt er sich beim anschließenden weißen Spargel nicht lumpen, der erst geröstet, dann sauer mariniert und anschließend mit Morcheln, Frisé-Salat, einem gebackenen Eigelb und einer wunderbar frischen Brunnenkressebuttermilch in einen ausgesprochen dekorativen, frühsommerlichen Gemüsegarten verwandelt wird.

Auch der geräucherte Atlantik-Heilbutt ist alles andere als ein kulinarischer Einfaltspinsel. Kriegel gart ihn in einem Beutel aus Pergamentpapier, den er am Pass vorsichtig öffnet, um den Fisch dann mit Erbsenkresse, blanchierten Erbsen, aufgeschlagenem Erbsenschaum, einer Julienne vom Wildspargel und einer Vinaigrette aus Canh Chua zu arrondieren, der sauren Fischsuppe aus dem Mekong-Delta auf der Basis von Tamarinden. Sie ist ein fabelhafter Kontrast zur rauschschweren Wucht des Fisches und zur konzentrierten Süße der Erbsen und das beste Beispiel für Kriegels Talent, exotische Aromen in die klassische Haute Cuisine zu integrieren – und zugleich ein entlarvendes Zeugnis dafür, dass der eben erst dreißig Jahre alt gewordene Chef mit Einfachheit am Herd nichts am Hut hat.

Das würde angesichts seines Werdegangs auch an Selbstverleugnung grenzen. Koch wollte der Sauerländer schon mit acht Jahren werden, obwohl ihm seine Statur spielend eine glänzende Karriere als Schwergewichtsboxer, Rugbyprofi oder Möbelpacker ermöglicht hätte. Nach der Lehre in einem gutbürgerlichen Haus ging er in das Zwei-Sterne-Restaurant »Résidence« in Essen, um danach an der Seite von Christian Jürgens in der »Überfahrt« am Tegernsee den dritten Michelin-Stern zu erkochen und nach einer Etappe als Souschef des Düsseldorfer Traditionshauses »Victorian« 2016 Chef von Fritz und Franzi zu werden. Auch hier ließen die Würden des Michelin nicht lange auf sich warten, obwohl das Lokal jedem Klischee einer Feinschmeckerkathedrale widerspricht. Doch das kümmert ja den Restaurantführer und auch jeden Gourmet von Sinn und Verstand längst nicht mehr, solange sich die Unkompliziertheit auf Stimmung und Ambiente beschränkt.

Das Gegenteil von Einfachheit ist bei Benjamin Kriegels Gerichten nicht Kompliziertheit und schon gar nicht Komplikation, sondern Raffinement. Seinen Rochenflügel zum Beispiel brät er so vorsichtig an, dass er innen noch minimal glasig ist, bettet ihn dann auf Kapern-Gremolata, vollendet ihn mit mariniertem Rettich, eingelegten Radieschen und dreierlei Zwiebeln, die mit Rotwein, Zitronenessig und Malz aromatisiert wurden. Dazu gibt es noch einen tiefdunkelgrünen, morgentaufrischen Fond aus den Kräutern der berühmten Frankfurter Grünen Sauce und die Gewissheit gratis dazu, dass dieses Gericht auch in einem feierlichen Rahmen unter goldenen Lüstern »bella figura« machen würde. Beim Dessert wird es für Benjamin Kriegels Verhältnisse dann tatsächlich fast ein bisschen einfach mit Salzkaramell, Schokoladen-Ganache, pochierter Williamsbirne und Birne-Lakritz-Eis. Aber da ist es schon viel zu spät für den Trugschluss, dass sich dieser Koch sein eigenes und unser Leben fahrlässig leichtmacht.

FRITZ’S FRAU FRANZI im Hotel The Fritz

Adersstraße 8 · 40215 Düsseldorf · 0211 37 07 50

www.fritzs-frau-franzi.de


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