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C) Zusammenfassung und Ausblick

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Jesus als den Erhöhten zu verehren, das war nicht erst eine neue Perspektive der Urgemeinde, sondern diese Betrachtung Jesu geht im Kern zurück auf ihn selbst: So lautet die gemeinsame Grundthese des hier aufgenommenen Teils der kultgeschichtlichen Richtung.

Bertram sprach von einer immanenten kultischen Bedeutung, die Jesus seinen Worten und Taten gäbe, indem er ihnen eine übergeschichtliche, kultisch repräsentierbare Bedeutung zumesse. Bertram verstand diese übergeschichtliche Bedeutung in einem idealistischen, platonisierenden Sinn. Historisch-traditionsgeschichtlich bleibt damit diese von Bertram gespürte immanente kultische Bedeutung des irdischen Jesus unerklärt.

K.L. Schmidts Hinweis auf die chasidische Traditionsbildung ist unter phänomenologischen Gesichtspunkten wertvoll; traditionsgeschichtlich zeigt sie, dass das Bild des zwischen Himmel und Erde mittelnden Hohenpriesters im chasidischen Judentum die Gestalt des schon zu Lebzeiten als über-irdischer Figur verehrten Zaddik prägt. Die kultgeschichtlich angegangene Frage nach dem schon als Irdischer erhöhten, himmlischen Jesus wird seit Schmidt darüber hinaus mit der Bedeutung der Vision(en) für Jesus verbunden.

Diese bei Schmidt stark von der systematischen Fragestellung ‚Eschatologie und Mystik‘ aus geforderte Bedeutung des Visionären bei Jesus wird neuerdings von Müller und Smith in den Mittelpunkt ihres Jesus-Bildes gerückt. Traditionsgeschichtlich bindet Müller den Visionär Jesus, der Einblick in die himmlischen Prozesse hat, an die alttestamentliche Prophetie; die von Müller zurückgewiesene christologische Bedeutung der Vision Lk 10,18 wird jedoch von ihrem Inhalt gefordert, weil es um einen Bereich geht, in dem sonst der rechtlich legitimierte Kultus ordnend eingreift.

Smith deutet den visionären Jesus einseitig von magischen Praktiken der hellenistischen Zauberpapyri her und unterschiebt dem Heimatmilieu Jesu in Galiläa massiv paganisierende Tendenzen.

Angesichts dieser Situation scheint es immer noch verheißungsvoll zu sein, solche christologischen und historischen Ausblendungen durch eine Beleuchtung mit den Fragestellungen und Ergebnissen der älteren Arbeiten von Jeremias und Lohmeyer auszugleichen. Ihnen sind in der Folgezeit G. Friedrich und W. Grundmann gefolgt.

Jeremias wies deutlich hin auf die Rezeption der Kultmotive, ja der Kultideologie der Tempelpriesterschaft in den verschiedenen Gruppen des frühen Judentums. Wenn der Tempel die Schöpfung verwaltet, so stellt Jesu Anspruch auf Vollendung der Welt und Überleitung zur Neuschöpfung ihn in eine Hochpriester-ähnliche Position. Seine Herrschaft über die in der Neuschöpfung vollendete Welt ist begründet in seiner zwischen Himmel und Erde mittelnden Hochpriesterschaft. Sie reißt beide Schöpfungsteile aus ihrer heilsgeschichtlich sekundären Entfremdung heraus.

Noch stärker als Jeremias betont Lohmeyer: Jesus tritt auf mit dem Anspruch des himmlischen, eschatologischen Hohenpriesters. Als Menschensohn ‚verortet‘ er die Schöpfung eschatologisch. Diese neue ‚Verortung‘ beginnt damit, dass die himmlische Basileia, das himmlische Haus Gottes, durch Jesus zugänglich wird.

Jeremias und Lohmeyer messen der überlieferungsgeschichtlichen Echtheits-Prüfung in diesem Zusammenhang keine ausgeführte Beachtung zu. So bleibt die Frage offen, ob in dem auf Jesus zurückgehenden Kern der Menschensohn-Tradition ein Hochpriester-ähnlicher Anspruch zu sehen ist, der im kultgeschichtlichen Sinne auf die eschatologische Neuvereinigung der Schöpfung zielt. Nicht mehr der Tempel, sondern der Menschensohn hat Vollmacht, Sünde zu vergeben und gegen die anti-kultischen Negativ-Kräfte, Sünde, Tod und Teufel, anzugehen. Gibt Jesus als Menschensohn der eschatologischen Neuschöpfung ihren zentrierenden Haltepunkt?

G. Friedrich und W. Grundmann gehen stärker auf die Hochpriester-Tradition bestimmter jüdischer Kreise ein, in denen man einen messianischen Erlöser erwartet, der hochpriesterliche Züge trägt und als solcher Sohn Gottes heißt. Dabei bedarf insbesondere das komplizierte traditionsgeschichtliche Schema von Grundmann der Überprüfung: Ist die Vater-Sohn-Beziehung Jesu zu Gott nicht von vornherein am Modell hochpriesterlichen Tretens vor die Heiligkeit Gottes orientiert?

Damit ergibt sich folgende Aufgabe für diese Untersuchung: Es sind zunächst innerhalb des frühen Judentums Grundlinien der Rezeption des vom Tempel ausgehenden Anspruchs auf Zentrierung der Welt und auf eine heilsame Verbindung der Schöpfungshälften Himmel und Erde aufzuzeigen. Wenn die genannte Forschungsrichtung etwas Richtiges gesehen hat mit ihrer These, dass Jesus als Visionär, als Menschensohn und Sohn des Vaters, als charismatischer Exorzist, als chasidischer Hoherpriester dem Kult von Jerusalem gegenübertrete, dann muss diese Rezeption des Kultanspruchs durch Jesus traditionsgeschichtlich eingebunden werden in eine oder mehrere der Rezeptionslinien des frühen Judentums.

Wir werden dazu im zweiten Hauptteil drei Linien der Rezeption kultischen Zentrierungs- und Mittleranspruchs im frühen Judentum unterscheiden: eine proto-rabbinische, eine apokalyptische, und eine charismatisch-‚praktische‘. Ein dritter Hauptteil wird die Rezeption des Himmel und Erde umfassenden, zwischen den getrennten Schöpfungsräumen mittelnden Anspruchs des Tempels durch Jesus darstellen. Dabei wird die Frage nach dem Verhältnis Jesu zu den jüdischen Rezeptionslinien erörtert. Vor diesem Hintergrund soll ferner eine präzisere Bestimmung der Menschensohn- und der Sohn-Lehre Jesu dargestellt werden, die beide die innere Mitte des Auftretens des irdischen Jesus erschließen. Er hat Zugang zum Himmel, den an die Heiligkeit Gottes stoßenden Grenzbereich der Transzendenz, als Sohn des Vaters; und darauf aufbauend: Er vereint die Schöpfung eschatologisch neu durch seinen Tod, als Menschensohn.

Jesus und die himmlische Welt

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