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Vorwort des Verfassers: Hermeneutische Voraussetzungen
ОглавлениеDie vorliegende Arbeit entstand in den Jahren zwischen 1977 und 1983. Sie wurde in Tübingen als Habilitationsschrift eingereicht, durchlief das akademische Verfahren jedoch ohne Erfolg. Der Verfasser trat danach in den Dienst der Württembergischen Landeskirche als Pfarrer, Dekan und Generalsekretär (der Deutschen Bibelgesellschaft, ehemals Württembergische Bibelanstalt). Nach fast 40 Jahren wurde der Wunsch an mich herangetragen, die Arbeit zu veröffentlichen. Die Herausgeber der TANZ haben sich diesen Wunsch gern zu eigen gemacht. In diesem Zusammenhang danke ich Prof. Dr. Klaus Berger, Heidelberg, der diese liegengebliebene Arbeit mit großer Treue im Auge hielt und nun den Anstoß gab, sie doch noch in das Licht der Fachöffentlichkeit zu stellen. Nachdem eine Digitalisierung das Bearbeiten mit Hilfe moderner Computermethoden ermöglichte, liegt die Arbeit nun in leicht bearbeiteter und korrigierter Form vor. Auf eine Aufarbeitung der Forschungssituation seit 1983 musste ich verzichten, was die Herausgeber akzeptiert haben. So ist diese Arbeit auch ein historisches Dokument, von dem mich mehr als die Hälfte meiner Lebenszeit trennt.
Die Arbeit entstand bei Otto Michel, wie zuvor die Dissertation ‚Der Gesandte und sein Weg‘. Mit dem Tübinger Seminardirektor Hans Peter Rüger, dessen Seminarassistent ich 10 Jahre lang war, verband mich eine besonders vertrauensvolle Beziehung. Von Michel übernahm ich drei hermeneutische Rahmenbedingungen.
Zunächst verwies er auf Hugo Odeberg, mit dem ihn ein in der Nachkriegszeit angesiedelter akademischer Austausch verband. Odeberg war für ihn Inspirator einer Beschäftigung mit ‚jüdischer Mystik‘. „Odeberg glaubte an die himmlischen Dinge“. Für Michel stand fest, dass man Jesus nur vom Himmel her verstehen kann. Daraus ergab sich der Titel für die Arbeit.
Die zweite hermeneutische Rahmenbedingung, die Michel vorgab, war das ‚Ernstnehmen des Judentums‘. Schnell war auch klar, dass die Kategorie des ‚Himmels‘ am stärksten im Tempelkult verankert war. Er ist die Schnittstelle von ‚oben‘ und ‚unten‘ und ist Ort der Gottesbegegnung. Nun steht aber die nachexilische Zeit für die allmähliche und dann totale Loslösung Israels vom Tempel. Wie konnte eine Opferreligion sich so manifest verwandeln und diese Verwandlung zwei Jahrtausende weiter kraftvoll gestalten? Wie gehören Jesus und die auf ihn zurückgehende Messiasbewegung in diesen Prozess hinein? Es war dann klar, dass Jesus und die von ihm ausgehende Messiasbewegung in Parallelität zu anderen Strömungen des Judentums stand, die ebenfalls den Himmel ohne Opfertempel ‚behalten‘ wollten.
Die dritte hermeneutische Rahmenbedingung aus Michels Schule war das ‚Ernstnehmen der Bibel‘. Michel verstand dies nie fundamentalistisch, sondern im Sinne eines Ernstnehmens der Geschichte. Historisch-kritisch hieß für ihn, die Religionsgeschichte und die Rückbindung an die Anthropologie in allen Aspekten durchzuhalten. Das war der tragende Grund für manche radikalen Thesen, die mich beim Wiederlesen zunächst selbst erstaunten.
In einer Zeit, in der die christlichen Kirchen fast unentrinnbar an ihrer Selbstsäkularisierung arbeiten, scheint die Beschäftigung mit dem Himmel total aus der Zeit gefallen. Doch stellt man verblüfft fest, dass zentrale Motive unmittelbar in die Moderne transportiert worden sind. Eines der Konzeptalben der modernen Popmusik von der Gruppe ‚Cream‘ trägt den Namen ‚Wheels of fire‘ und stellt so ihre ekstatische Musik in das Licht der Merkaba. Die in Hamburg errichtete ‚Elbphilharmonie‘ folgt in ihrer architektonischen Grundstruktur der des orientalischen Stufentempels, ja auch die kultische Zeltstruktur zeigt sich in der Dachkonstruktion. Die scharfe Aufteilung in ‚unten‘ und ‚oben‘ und die Begegnung der ‚Unteren‘ mit den ‚Oberen‘ nach dem Aufstieg führen zu dem Anspruch, die Begegnung mit den ‚Oberen‘ habe verwandelnde Kraft. Es geht um eine Neuschöpfung unter dem Einfluss ‚himmlischer‘ Musik.
In einer durcheinandergeratenen Welt sollte auch das segnende, entsühnende Angebot einer Neuschöpfung vom Himmel her Aufnahme finden. Die Ordnung der Schöpfung im Sinne segensreichen Wetter- und Klimageschehens wird gesucht. Es geht um eine menschliche Ökologie, die Erde und Himmel einander näherbringt. Die religiöse Kategorie ‚Schöpfung‘ mit der ordnenden und heilenden Rückbindung des irdischen an den himmlischen Teil wird unverzichtbar. Der Mensch steht im Zentrum. Findet er einen Zugang zum Himmel, der ihn verändert und weiterbringt?
So hoffe ich, dass die vorliegende Arbeit trotz ihrer Unzeitigkeit Anregungen gibt über das enge Fachgebiet der Evangelien-Exegese hinaus für eine Inspiration von allen, die an ernstgemeinter Religion Interesse haben.
Frau Gisela Kienle fertigte 1982/83 das ursprüngliche Typoskript. Für die Mühe und Umsicht, die damit verbunden waren, bin ich ihr bis heute dankbar. Für die Digitalisierung und erste Korrektur des Manuskripts ist Frau Bronwyn Emma Leone und für die diesbezügliche Beratung Herrn Dr. Juan Garcés (Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek Dresden) sehr herzlich zu danken.
Cuxhaven, Oktober 2020 Jan-A. Bühner