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18. September

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Auch wenn es in der Nacht ruhig blieb, schliefen Charlotta und Rob sehr schlecht. Beide wachten immer wieder auf, hörten zumeist auch am Atem des anderen, dass der auch nicht schlief, doch sprachen sie nicht miteinander. Ihnen gingen so viele Gedanken durch den Kopf.


„Ich muss aufs Klo“, flüsterte Charlotta in den frühen Morgenstunden.

„Geh doch.“ Robs Stimme klang verwundert.

„Wenn Tim da liegt?“

„Ach so. Der ist bestimmt noch bewusstlos oder schläft.“

„Das sagst du nur so.“ Sie glaubte Rob kein Wort, aber der Druck auf ihrer Blase war so stark, dass sie sich schließlich doch erhob. Sicherheitshalber warf sie sich allerdings hastig einen Bademantel über. Auf Zehenspitzen näherte sie sich der Badezimmertür. Etwas, das Rob ein Grinsen entlockte. Wenn Tim nicht bewusstlos oder gar gestorben war, hörte er sie selbstverständlich ganz deutlich. Selbst wenn er schlafen sollte. Aber er brachte es nicht übers Herz, Charlotta der Illusion zu berauben, sie könnte vielleicht unbemerkt ins Badezimmer schleichen.

„Ich glaube, er atmet noch“, sagte sie leise, als sie zurückkam und sich an Robs bettwarmen Körper kuschelte. „Was machen wir mit ihm. Und was ist, wenn es gar nicht Tim ist?“

Als sei es eine Antwort auf ihre Frage, hörten sie ein lautes Stöhnen. Augenblicklich hatte Rob Charlotta von sich geschoben, und das in der Eile so heftig, dass sie fast auf ihrer Bettseite herausfiel. Doch noch bevor sie sich darüber empören konnte, war Rob schon fort. Hastig stand sie auf, schnappte sich erneut ihren Bademantel und folgte ihm.

„Bei allen Geistern! Wie siehst du denn aus?“ Rob.

Vorsichtig schob sie die Tür auf. „Oh mein Gott! Du musst ins Krankenhaus!“

„Das geht nicht.“ Wieder Rob.

„Aber …“

„Die würden die Polizei holen. Und wenn sie ihm eine Narkose verpassen wollten, müssten sie so viel nehmen, dass sie damit normalerweise ein Pferd töten könnten. Das fällt auf.“

„Aber …“ Zaghaft näherte Charlotta sich der Badewanne und dem darin liegenden nackten Mann. Er hatte eine ganz andere Statur als Rob, er war groß und massig. Nicht dick, aber muskulös. Das hatte sie zwar am Tag zuvor schon feststellen können, doch jetzt, ohne Kleidung, war es deutlicher zu sehen. Außerdem war sein Körper, auch als Mensch, mit vielen dunklen Haaren bedeckt. Sie begegnete Tims Blick, der schien eine Augenbraue hochzuziehen. „Ich bin Krankenschwester“, sagte sie fest, als könnte sie damit begründen und entschuldigen, dass sie ihn so genau gemustert hatte.

Aber Tim brauchte keine Entschuldigung. Er brauchte Hilfe.

Rob bedeutete Charlotta, mit ihm zu kommen. „Lass uns das Gästebett in meinem Büro aufstellen. Und dann müssen wir ihn da hin kriegen. Möglichst, ohne ihm noch mehr Wunden zuzufügen – oder die jetzigen zu verschlimmern.“


„Kannst du dich hinsetzen“, fragte Rob, als er wenige Minuten später wieder zurück im Bad war, während Charlotta das gemeinsam aufgebaute Bett bezog.

Tim, der noch kein Wort von sich gegeben hatte, stöhnte auf und bewegte sich ganz vorsichtig. Schließlich lag er auf dem Rücken. Er holte tief Luft, hielt sich am Badewannenrand fest, und mit Robs Hand im Rücken schaffte er es, sich hinzusetzen. „Es geht nicht“, keuchte er.

„Leg deinen Arm um meinen Hals“, sagte Rob.

„Ich bin zu schwer für dich.“

Rob stutzte. Dann ging ihm auf, dass die Werwölfe ihn seinerzeit nur in seiner Menschengestalt erlebt hatten. Offensichtlich gingen sie davon aus, dass lediglich Charlotta in ihrer Beziehung diejenige sei, die mit einer Gabe gesegnet war. Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte Rob laut gelacht. So grinste er nur. „Probieren wir’s.“

„Wenn du mich fallen lässt … lass es bitte!“ Tim keuchte vor Anstrengung.

„Schon gut, dann unterstütze ich dich nur. Leg aber bitte trotzdem einen Arm um meinen Hals. Der Arm ist okay? Da passiert nichts, wenn ich dran ziehe?“

„Mhm-mhm!“, verneinte Tim gepresst.

„Kriegt ihr’s?“ Charlotta wollte nachsehen, wie weit die beiden waren.

„Wow! Scheiße! Bist du auch ein Wolf?“ Erschrocken, so schnell schon auf den Beinen zu stehen, vergaß Tim fast seine Schmerzen. In seinem Gesicht zeigte sich fast so etwas wie Angst. Anscheinend vermutete er noch eine ganz andere Gabe, bei der man ähnlich kräftig war wie ein Werwolf. Eine, die vielleicht unangenehm für ihn werden könnte.

Rob lachte. „Was glaubst du denn wohl, wie du hier in die Wanne reingekommen bist?“

„Ich … weiß nicht … aber, dass du … ich wusste nicht … Bist du echt ein Wolf? Das kann nicht, das hätte ich doch merken müssen“, stammelte Tim.

Mit einem belustigten Grinsen sagte Rob: „Woran hättest du das merken können? Vielleicht ist es aber auch ganz gut, wenn deine alten Kumpel das ebenfalls nicht wissen.“

Charlotta leuchtete nicht ein, weshalb Tim Rob erkannt und sogar seinen Namen gewusst hatte, aber nicht, dass er ein Wolfsmensch war. Zumal er das ja anscheinend hätte erkennen müssen, wie er selbst geäußert hatte. Aber im Augenblick gab es wichtigere Dinge, und so hielt sie die Tür auf, während die beiden nackten Männer sich in Robs Büro quälten. Wobei – vor allem war es Tim, der sich quälte und den jeder, von Stöhnen und Keuchen begleitete Schritt, zu schmerzen schien. Rob, der nicht wusste, wo er ihn gefahrlos anfassen durfte und, ob nicht eventuell Rippen oder andere Knochen gebrochen waren, wollte ihn lieber nicht tragen. Und so lief Tim in ganz kleinen Schritten – kein Vergleich mit dem Tempo, das er normalerweise an den Tag legen konnte. Ein Werwolf kennt keinen Schmerz, kam es Charlotta in den Sinn. Doch sie sagte nichts.

„Danke!“ Tim lag zusammengekrümmt auf dem Gästebett, sein Gesicht war leichenblass, und mit den dunklen Bartstoppeln, den buschigen Augenbrauen und dem zu einer grimmigen Grimasse verzogenen Gesicht, sah er zum Fürchten aus fand Charlotta. Dazu kam noch das viele Blut. Wir hätten ihn abduschen sollen, solange er noch in der Badewanne lag, kam es ihr in den Sinn. Er wurde ihr gerade ein bisschen unheimlich.

„Darf ich dich untersuchen“, fragte sie nach kurzem Zögern trotzdem. „Ich bin keine Ärztin, sondern nur Krankenschwester, hab aber inzwischen auch mehr als zehn Jahre Berufserfahrung.“

Tim schien einen Augenblick zu zögern. Ob es ihm peinlich war, oder er ihr nicht zutraute, ihm helfen zu können, konnte sie nicht erkennen. Dann nickte er.

Als Erstes sah Charlotta sich die Bauchwunde an, auf die Juli ihre Hand gelegt hatte. „Es ist unglaublich“, sagte sie leise. „Ich hoffe es ist gut, dass die Wunde nicht mehr offen ist.“

„Wieso sollte es das nicht?“, wollte Rob wissen, der sich inzwischen eine Jeans angezogen hatte und nun in sein T-Shirt schlüpfte.

„Wenn Keime drin sind, wenn vielleicht … innere noch blutende Verletzungen … Haben sie irgendwelche Gegenstände benutzt, um dich zu verprügeln, Tim? Ich frage deshalb, weil ich wissen will, ob vielleicht in einer deiner Wunden Splitter sein könnten, oder so was.“

„Wölfe brauchen keine Waffen“, presste der Verletzte heraus.


„Und?“ Rob sah Charlotta fragend an, als sie mit ihrer Bestandsaufnahme war. Etwas, das Tim ebenfalls zu interessieren schien, denn er öffnete zur Abwechslung beide Augen.

„Einmal die große Bauchwunde, die dank unserer Tochter geschlossen zu sein scheint. Es ist eine ganz dünne Haut, aber sie ist dicht“, begann sie ihre Aufzählung. „Die rechte Schulter ist verletzt und so wie Tim gerade aufgestöhnt hat, möglicherweise nicht nur geprellt. Darunter ist am Oberarm eine ganz dicke Schramme, die linke Ohrmuschel ist eingerissen. Am rechten Oberschenkel ist eine Wunde, die zwar noch etwas blutet, aber … Das Schlimmste war wirklich die Bauchwunde. Ansonsten nur noch blaue Flecken, Prellungen und Abschürfungen. Aber das eine oder andere würde ich normalerweise im Krankenhaus nähen lassen“, setzte sie mit einem Achselzucken hinzu.

„Dann hab ich das nicht geträumt? Es war wirklich das Kind … mit der Wunde … mit dem Bauch, meine ich …“ Tims Stimme klang geradezu ehrfürchtig.

Charlotta nickte. „Ja, und du bist nicht der Einzige, der überrascht ist. Wir hatten bis gestern selbst keine Ahnung … Wenn du einverstanden bist, Tim, würde ich gleich noch mal mit einem Desinfektionsmittel an die Wunden gehen. Bei Biss- oder Kratzwunden sind bestimmt ordentlich Keime drin. Ich weiß nicht, ob ich irgendwie ein Antibiotikum kriegen kann, aber vielleicht kommt’s gar nicht so weit, und es entzündet sich nichts.“

Jetzt könnten sie gut die Hilfe des Pisap Inua gebrauchen …

Charlotta deckte Tim wieder zu und lief hinter Rob her. Sie ahnte, was in seinem Kopf vorging. „Vielleicht kommt Marc ja bald vorbei.“ Tröstend legte sie ihm eine Hand auf den Oberarm.

Rob lächelte sie an und breitete die Arme aus. Ohne zu zögern kam Charlotta seiner Aufforderung nach, und die Arme schlossen sich um sie. Rob grub seine Nase in ihr Haar und atmete tief ein. „Mir geht’s schon wieder besser“, sagte er leise. Er drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel und ließ sie wieder los. „Tja, dann wirst du jetzt wohl zusehen müssen, dass du zwei Werwölfe satt kriegst.“

Charlotta lachte. „Was sind wir hier eigentlich für ein merkwürdiger Haushalt? Ich hoffe mal, dass Juli nicht noch weitere Überraschungen für uns bereithält. Aber als Eule, falls sich das bewahrheitet, und mit der Fähigkeit Wunden zu heilen und Blumen wachsen zu lassen, ist sie mal ganz weit vorne. Du als Wolf, ich als … als … als was würdest du mich bezeichnen. Gibt’s einen Namen dafür?“

Rob zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung. So was gab’s bislang noch nicht. Zumindest nicht, dass ich schon mal davon gehört hätte. Du bist eben einmalig“, grinste er.


WOLF CALL

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