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25. Juli

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Es war kurz nach halb acht. Charlotta hatte sich ein Handtuch um ihre nassen Haare geschlungen und kochte Kaffee, während Rob noch duschte. Als es klingelte, war sie alarmiert und spürte plötzlich, wie es in ihren Brüsten kribbelte.

„Nelly! Marc! Was ist passiert?“ Sie musste gegen das ohrenbetäubende Geschrei ihrer Tochter ankommen und bat Robs Geschwister hastig in die Wohnung, bevor alle im Haus gleich am ersten Tag nach ihrem Einzug schon von Juli geweckt wurden.

„Nichts ist passiert!“ Nelly strich Juli, die sich auf Charlottas Arm gleich schon wieder ein bisschen beruhigte, über den Kopf. „Wir haben uns gedacht, dass es besser ist, wenn ich, wo sie doch gestern den ganzen Tag bei mir war, mitkomme. Mich kennt sie etwas besser als Marc. Und das mit dem Schreien hat im Grunde erst angefangen, als wir aus dem Wald kamen. Vorher, auf meinen Armen, hat sie trotz Marcs Tempo kaum einen Mucks von sich gegeben.“

„Grundsätzlich kennt sie diese Art zu reisen ja auch. Das glaube ich, dass sie das nicht irritiert.“ Sie drückte Juli einen zärtlichen Kuss auf den Kopf und streichelte ihr beruhigend über den Rücken.

Rob, der sich hastig ein Handtuch um die Hüften geschlungen hatte, hörte an Nellys Stimme, dass sie nicht so ganz die Wahrheit sprach. Er war ihr jedoch dankbar, dass sie schwindelte, um Charlotta nicht zu beunruhigen – was auch immer passiert sein mochte.

„Du siehst ganz erschöpft aus“, bemerkte Marc und grinste anzüglich. „Während Lotta das blühende Leben ist.“

„Mhm, dann können wir wohl nicht gemeinsam etwas unternommen haben, oder?“ Rob ließ sich nicht ärgern, dafür war er im Augenblick einfach zu glücklich.

Nelly lachte. „Ich wollte außerdem unbedingt eure neue Wohnung sehen. Und weil ich mich als schwangere Eule nicht wandeln kann, hab ich die Gelegenheit genutzt und Marc gebeten, mich mitzunehmen.“

Charlotta war mit Juli im Kinderzimmer verschwunden, weil sie das Gefühl hatte, die Windel dürfte gewechselt werden. „War alles gut?“, fragte Rob seine Schwester.

„Dir sag ich’s“, flüsterte Nelly mit einem Blick auf die Kinderzimmertür. „Sie hat gestern häufig geweint und meist war’s dann gut, wenn Mona mit ihr spielte. Ich bin meinem Kind so dankbar für seine Geduld. Heute Nacht ging’s, aber heute Morgen hab ich kaum was in sie reingekriegt, weil sie so schrie. Ich hoffe, sie ist nicht traumatisiert und bleibt nicht mehr bei mir, aber ich wollte gerade nicht, dass Lotta das mitkriegt.“

„Du ahnst nicht, wie dankbar ich dir dafür bin“, sagte Rob leise und umarmte seine Schwester kurz. „Ich hoffe auch, dass wir sie vielleicht noch mal bei dir lassen können. Und bei dir, Marc, muss ich mich bedanken, dass du dich gestern geweigert hast, Lotta mitzunehmen und sie zu mir zurückgeschickt hast. Sie sagte nur, ihr hättet euch alle drei geweigert.“

Marc lachte. „Wenn ich euch damit einen Gefallen tun konnte …“

„Ja, das hast du tatsächlich“, grinste Rob. „Setzt euch doch bitte hin, ich zieh mich nur eben etwas sittsamer an. Wir haben bestimmt noch genug im Kühlschrank, damit wir gemeinsam frühstücken können.“

„Nelly und ich ja“, meldete Charlotta sich, die mit der noch leise schluchzenden Juli auf dem Arm zurückkam. „Aber für zwei hungrige Wölfe wird’s eng.“

„Wir essen nur ein bisschen“, schmunzelte Rob, der sehr wohl über den Inhalt des Kühlschranks informiert war. Er hatte nämlich begeistert im Supermarkt den Einkaufswagen gefüllt, weil der neue Kühlschrank so ungewohnt groß war und geradezu danach schrie, voll zu werden. Er zwinkerte Marc zu. „Wirf mal einen Blick auf unsere Vorräte, und du weißt, was Lotta meinte.“

Marc schaute tatsächlich nach und lachte. „Damit würde ein ganzes Rudel Wölfe eine Woche lang satt“, rief er Rob zu, der verschwunden war, um sich anzuziehen.

„Damit kannst du nicht Rob meinen. Der muss bald einen Dritt-Job annehmen, weil wir ihn uns sonst nicht mehr leisten können.“

„Das hab ich gehöööört“, kam es aus dem Schlafzimmer.

„Das solltest du auch!“ Grinsend legte Charlotta Juli auf der Decke ab, die Enno ihnen geschenkt hatte, und begab sich zu den anderen in die Küche. „Gut, dass ich gleich eine ganze Kanne Kaffee gekocht habe“, freute sie sich. „Marc, da oben in dem Schrank, vor dem du stehst, müssten Teller und Tassen sein. Nicht? Ähm … daneben vielleicht? Ah, deckst du bitte den Tisch damit? Ich …“ Marc war schon am Tisch, bevor Charlotta einmal geblinzelt hatte.

„Setz du dich schon mal hin, du Liebe“, sagte sie zu Nelly und fuhr sich mit allen Fingern durch die feuchten Haare. „Ich hoffe, wir haben dich nicht überstrapaziert, zumal das auch so nicht geplant gewesen war. Deine Brüder sind schuld. Die wollten mich einfach nicht mitnehmen.“

„So einfach war das gar nicht. Wir mussten dich massiv überreden“, widersprach Marc. „Ach ja, ich soll Martin bei meiner Rückkehr berichten, was das mit dem verrückten Huhn auf sich hat.“

„Martin ist ziemlich sicher längst wieder in Holzbach und nicht mehr im Dorf“, konterte Charlotta. „Wenn ich ihn sehe, kann ich ihm ja vielleicht mal ein bisschen was erzählen. Sei ehrlich, du bist neugierig!“

„Das würde mich allerdings auch interessieren“, verkündete Rob. Er nahm sich die Kaffeekanne und scheuchte alle zum Tisch. Er sah Charlotta an, wie sehr sie die Gemeinschaft seiner Geschwister genoss und die kleinen Neckereien mit ihnen ebenso.

Juli machte sich bemerkbar. „Ja, wenn du zu mir willst, musst du dich wohl ein bisschen anstrengen, kleine Maus. Dann komm her!“ Juli, die es lieber etwas bequemer gehabt hätte, äußerte ihren Unmut, musste dann aber doch selber zusehen, wie sie zu ihrer herzlosen Mutter kam.

„Ach ja“, sagte Nelly, „es kann sein, dass sie noch Hunger hat. Heute Morgen wollte sie nicht so recht was essen.“

„Och, die meldet sich schon, wenn sie was haben will“, fand Rob und hoffte, dass Charlotta nicht weiter nachfragen würde.

Juli hatte ihre Mutter inzwischen erreicht und zog sich an dem Stuhl auf die Füße. Automatisch nahm Charlotta sie hoch und setzte sie auf ihren Schoß, während sie sich weiter mit den anderen unterhielt. Juli nutzte die Chance und erzählte ihr in einer Sprache, die nur sie selbst verstand, alle Erlebnisse des Wochenendes. Auch, dass sie es doof fand, dass ihre Mutter nicht da gewesen war. Die hörte aber anscheinend nicht zu, und so griff Juli nach dem auf dem Tisch liegenden Messer und schlug damit auf den Teller. Alle zuckten zusammen, es herrschte augenblicklich Totenstille – auch Juli wirkte überrascht, spürte aber instinktiv, dass sie gerade die Aufmerksamkeit aller genoss, und sah strahlend in die Runde.

„Kaputt?“, fragte Marc automatisch und erschrocken, doch Charlotta schüttelte den Kopf.

„Das ist jetzt so“, grinste Nelly. „Eine Sekunde die Hand, den Arm, den Kopf, das Bein oder gar das ganze Kind aus den Augen gelassen, und die richten dir ein totales Chaos an. Mona hat mit Vorliebe nach der Kaffeetasse gegriffen, wenn sie bei jemandem auf dem Schoß saß. Das ist nur ganz, ganz selten ohne eine riesige Sauerei abgegangen.“

„Vielleicht sollten wir sie an der Heizung festbinden“, schlug Rob vor und grinste, weil er ahnte, wie Charlotta reagieren würde.

Doch bevor die etwas sagen konnte, meldete Nelly sich noch mal zu Wort. „Ganz ehrlich? Abgesehen davon, dass das bei euch schwierig werden dürfte weil ihr eine Fußbodenheizung habt, hab ich Mona damals in einen Laufstall gesetzt. Erst war es ungewohnt für sie, weil es natürlich die Freiheit einschränkt. Aber mit ausreichend Spielzeug und wenn du immer wieder zu ihr gehst, ihr Aufmerksamkeit schenkst, sie aber nicht jedes Mal auch rausnimmst, merkt sie, dass du sie nicht abschiebst, sondern, dass du immer noch da bist.“

Rob zog die Achseln hoch und breitete die Arme mit nach oben gerichteten Handflächen aus. „Ich bin da ganz entspannt, was das Thema angeht. Meinetwegen gerne einen Laufstall. Dann müssen wir uns nicht ständig neue Blumentöpfe kaufen oder ihr die zerfetzten Bücher aus den Fingern winden.“

„Wie habt ihr das denn bei euch im Dorf gemacht?“ Interessiert sah Charlotta Nelly an. So ganz behagte ihr das mit dem Laufstall nicht.

„Da war immer jemand, der nach den Kindern guckte. Gerade im Sommer waren die viel draußen, und es spielte sich ohnehin das meiste im Freien ab, sodass das gut machbar war. Wenn man aber wirklich mal ein erkundigungsfreudiges und neugieriges Kind vermisst hat, waren meist nur ein paar Minuten vergangen. In solchen Fällen hat ein Wolf die Fährte aufgenommen und den Ausreißer wiedergefunden. Da ist seit Generationen nie was passiert. Aber Mona ist ja ein Herbstkind, die hatte einen Laufstall.“

„Mhm …“ Charlotta wirkte nachdenklich. „Das mit den Wölfen war dann natürlich praktisch … und vor Straßenverkehr braucht ihr euch im Dorf ja nicht zu fürchten … mal gucken … Ach ja, am vierten August hat Juli übrigens Geburtstag. Wenn ihr mögt, kommt doch her, dann treffen wir uns zu einem gemütlichen Kaffeeplausch. Bringt bitte Ben, Paul, Helen, Martin und Ella mit, wenn die Zeit und Lust haben. Ich weiß nicht, ob der Pisap Inua …?“ Sie sah Marc fragend an.

„Nee, unser Schamane lässt sich nur dann von einem Wolf tragen, wenn es unbedingt sein muss“, lachte der. „Aber komm doch einfach in den kommenden Wochen noch mal vorbei, wenn du ihn sehen willst. Martins Nummer hast du. Vielleicht hat ja auch Peter mal Zeit, oder er sagt Bescheid, dass dich jemand holt. Er pendelt ja täglich.“

Rob biss die Zähne zusammen, dass der Kiefer schmerzte. Eigentlich wäre es seine Aufgabe, seine Familie ins Dorf zu bringen und mit ihnen wieder in die Stadt zurückzukehren.

„Das ist echt blöde, dass man euch nicht erreichen kann“, fand Charlotta, ließ das Thema dann aber ruhen. „Ach, noch was“, sagte sie doch noch und ahnte, dass sie mit ihrem Vorschlag nicht überall auf Begeisterung stoßen würde, „ich möchte übrigens auch gerne Enno zu Julis Geburtstag einladen. Er hat sie unter widrigen Umständen auf die Welt geholt und hat uns mal gesagt, er wollte so was wie ein Pate für sie sein. Ich glaube, der würde sich freuen.“

Rob und seine Geschwister brachen, wie erwartet, nicht gerade in Begeisterungsstürme aus, zuckten jedoch mit den Schultern. „Meinst du der kommt? Vor allem wenn Paul auch dabei ist, mit dem er ja als Wolf … Gut, er ist begnadigt, das ändert aber nichts an der Tatsache, was er mit dir machen wollte.“ Marc.

„Ich weiß nur dann, ob er sich traut, wenn ich ihn frage“, sagte Charlotta. „Wenn er kommt, sag auch Paul bitte, dass er sich benimmt. Ich weiß, dass euer Bruder sehr impulsiv ist, schließlich hat er Rob schon ein paarmal Schläge angedroht und einmal war’s gut, dass Martin sich dazwischengestellt hat … Er muss genauso wenig wie ihr Freundschaft mit Enno schließen. Ich will nur eine friedliche und für Juli schöne Geburtstagsfeier.“


WOLF CALL

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