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2.4. Fortwirkung einiger Neuerungen des Germanischen im späteren Niederländischen

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Für die weitere Bestimmung der Ursprünge des Niederländischen sind die Verwandtschaftbeziehungen näher zu umschreiben. Versteht man mit St. Sonderegger unter Urverwandtschaft eine gemeinsame Wurzel beziehungsweise Morphematik im Indogermanischen, die erst wissenschaftlich linguistisch über die Kenntnis der Lautgesetze erkennbar wird, lässt sich auch für das Niederländische die indogermanische Urverwandtschaft feststellen. So ist stellvertretend für zahllose Belege die Urverwandtschaft von ndl. vis (‚Fisch‘) mit idg. *pisk- durch die von der Sprachwissenschaft systematisch beschriebene Änderung von/*p/in/f/beziehungsweise/v/nachweisbar; wie üblich werden Rekonstruktionen mit [*] bezeichnet. Die Urverwandtschaft geht aber auch aus Entsprechungen im Latein, hier piscis hervor, das diesbezüglich unmittelbar Eigenschaften der vermuteten indogermanischen Bildung preisgibt. So ist auch ndl. hond (‚Hund‘) urverwandt mit idg. *kuon-, vergleiche lat. canis. Ebenso ist -e in ndl. leve wie in leve de koningin (‚es lebe die Königin‘) als Morphem für den Konjunktiv Präsens urverwandt mit idg. *-oi(-), so auch das Suffix -ter in Verwandtschaftsnamen, beispielsweise ndl. zuster (‚Schwester‘) und ndl. broeder (‚broeder‘) mit idg. *-ter, vergleiche lat. frater (‚Bruder‘).

Im Vergleich mit dem Indogermanischen weisen das Urgermanische beziehungsweise das jüngere Germanische bedeutende lautliche und grammatikalische Änderungen auf, die in den altgermanischen Sprachen, so auch im Altniederländischen, fortwirken sollten. Diese Änderungen haben sich sehr wahrscheinlich im 1. Jahrtausend v. Chr. vollzogen, möglicherweise setzten sie rund 500 v. Chr. ein, was Merkmale von Lehnwörtern, die erst nachher ins Germanische aufgenommen wurden, andeuten. Aus unveränderten lateinischen Lehnwörtern, die germanische Sprachen nach den römischen Eroberungen in Gallien und entlang dem Rhein aufweisen, wäre andererseits zu folgern, dass die Änderungsprozesse im Germanischen wohl im 1. Jh. n.Chr. zum Abschluss gekommen waren. Die folgenden Abschnitte bieten eine knappe Zusammenfassung der für die Entwicklung altgermanischer Sprachen so entscheidenden Erneuerungen des Germanischen. Einige ihrer Auswirkungen ins Altniederländische, das erst später entstehen sollte (siehe 3.2.), werden bereits hier vermerkt.

Die lautlichen und grammatikalischen Erneuerungen im jüngeren Germanischen lassen sich in der Regel anhand von mit [*] bezeichneten indogermanischen Rekonstruktionen und ihren Entsprechungen in jüngeren Sprachstufen darstellen, so die oben erwähnte Entwicklung vom indogermanischen (‚idg.‘)/*p/zum germanischen (‚ger.‘)/f/, vergleiche idg. *pelu mit altniederländischem (‚anl.‘) filo, niederländisch (‚ndl.‘) veel (‚viel‘). In den folgenden Abschnitten, die u.a. Befunde und Beispiele von C. van Bree und St. Sonderegger berücksichtigen, werden sie mit Belegen aus nicht-germanischen Sprachen, so aus dem Lateinischen, dem Griechischen, dem Mittelirischen, dem Sanskrit beziehungsweise dem Tocharischen oder mit indogermanischen Rekonstruktionen und mit Entsprechungen im Altniederländischen, Althochdeutschen, Mittelniederländischen, Niederländischen und Neuhochdeutschen zusammengefasst. Die zitierten Wörter aus älteren Sprachstufen stammen aus dem ONW, dem VMW sowie vereinzelt aus dem MNW und dem EWN, neuere Beispiele wurden dem WNT entnommen.

Die folgenden vergleichenden Darstellungen zeigen neben Übereinstimmungen zwischen früheren Stufen germanischer Sprachen auch systematische Unterschiede. So enthalten die deutschen Beispiele Merkmale der hochdeutschen Lautverschiebung, welche die Ausdifferenzierung des Deutschen im engeren Sinn markiert und zu den hauptsächlichen Strukturelementen des seit dem 8. Jh. schriftlich-literarisch belegten Althochdeutschen zählt. Diese lautlichen Änderungen verbreiteten sich vom Süden aus bis in Gebiete südlich der sogenannten Benrather Linie, eines Isoglossen-Bündels, das vom belgischen Eupen über das niederländische Venlo, weiter via Achen und Düsseldorf-Benrath nach Gummersbach verläuft. Südlich dieser Isoglossen entstanden verschobene Bildungen wie machen oder ich, welche die deutsche Hochsprache kennzeichnen, nördlich davon blieben ältere Formen wie maken oder ik erhalten, so auch im Niederländischen. Da die hochdeutschen Lautentwicklungen sich lediglich in dialektischen Varietäten im äussersten Südosten der Niederlande und im Nordosten Belgiens bemerkbar machen, sind sie für die Entwicklung des Standardniederländischen bedeutungslos (siehe auch 3.2.1.).

Sodann belegen die angeführten Beispiele nicht selten bereits in den frühesten Sprachstufen niederländische Eigenarten, welche die weitere Entwicklung des Niederländischen mit prägen sollten. Sie betreffen nicht nur die Phonemik, sondern auch die Morphologie und Syntax.

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