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2.4.3.2. Wörter anderer Herkunft
ОглавлениеEs stellt sich die Frage, inwiefern die Germanen, die sich im Deltagebiet niederliessen, Wörter aus vorhandenen Sprachen, sogenannten Substratsprachen, übernahmen. Es handelt sich dabei um eine spezifische Klasse Lehnwörter, deren Herkunft unbestimmt ist und die man gemeinhin als Substratwörter bezeichent.
Sicher ist, dass ein Teil der germanischen, so auch der niederländischen Wörter in einigen oder gar in sämtlichen anderen indogermanischen Sprachen unbekannt sind. Das kann ein Grund sein, sie als nicht-indoeuropäisch einzustufen, so Wörter mit einer Lautkombination wie/k/+/l/, vergleiche anl. cleith (‚Kleid‘), die in anderen indogermanischen Sprachen fehlen. Ähnliches gilt für Bildungen mit der Lautkombination /k/ +/n/wie in anl. knecht (‚Knecht‘), ein Wort, das ausserhalb des Germanischen keine Verwandten hat. Ebensowenig lassen sich Lautkombinationen wie in drempel (‚Dorpel‘, ‚Schwelle‘) oder honk (‚heim‘) als indoeuropäisch klassifizieren, da das Indoeuropäische keine Neubildungen mit/m/und/n/vor Konsonant kannte. Folglich sind abgeleitete Bildungen vom Typus drempel, vergleiche dazu anl. durpilo (‚Dorpel‘, in der Bedeutung von ‚Schwelle‘), mit vermutlicher r-Methathese und Nasalinfix wahrscheinlich Beispiele von Wörtern, die das Germanische aus ursprünglich einheimischen Sprachen übernommen hat. Dies ist wohl auch der Fall mit der nasalisierten Variante eines Wortes aus einer Substratsprache wie honk (‚Mal‘, ‚Heim‘), das im ahd. Namen Hancwin erhalten ist und keine Verwandten ausserhalb des Germanischen kennt. Auch Varianten der Stammformen in *hak oder *hēk, mnl. haec (ahd. hako, ‚Haken‘) gelten als typisch für nordeuropäische Substratwörter, die aus vor-indoeuropäischen Sprachen stammen.
Aufgrund des Vorkommens solcher Wörter folgert das EWN, dass 15 % des niederländischen Lexikons aus Substratwörtern besteht, die aus vor-indoeuropäischen Sprachen stammen, Indogermanisten wie R.S.P. Beekes schliessen nicht aus, dass gar die Hälfte der Erbwörter als Substratwörter zu klassifizieren sind. Es handelt sich dabei namentlich um sogenannte Inhaltswörter aus den ursprünglichen einheimischen Sprachen, welche die eingewanderten Germanen als Bezeichnungen für Gegebenheiten, die für sie neu waren, in ihre Sprache übernahmen. Dass Vorsicht bei der Einstufung von lexikalischen Elementen als Substrat geboten ist, geht beispielsweise aus Untersuchungen von G. J. Kroonen hervor, die belegen, dass eine Geminate nicht zwangsläufig aus einer Substratsprache zu erklären ist. Abzuwarten bleibt, inwiefern weitere Forschung die Klassifizierung einzelner Wörter als Substrate rechtfertigt. Schliesslich ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass Wörter, die nur im Germanischen vorkommen, nicht aus Substratsprachen stammen, sondern als indoeuropäische Bildungen gelten, die aber in anderen indoeuropäischen Sprachen verloren gingen.
Neben den übernommenen Wörtern aus Substratsprachen kennt der germanische Wortschatz Lehnwörter, die aus Sprachen von nicht durch Germanen besiedelten Gebieten stammen. So hat das Wort Silber vermutlich einen semitischen Ursprung und käme daher eher aus einem Superstrat oder es stammt aus dem Baskischen, vermutlich einem Substrat. Im Gegensatz dazu haben in vielen anderen indoeuropäischen Sprachen Bezeichnungen für dieses Edelmetall einen idg. Ursprung, so das lat. argentum mit der Wurzel *hrg. Vom Wort Sattel, das zwar auf idg. *sod-tló zurückzuführen wäre, vermutet man, es sei eine spätere Entlehnung aus dem Altslawischen, da die Germanen diesen Gegenstand erst später zu gebrauchen lernten. Solche frühen Lehnwörter sollten auch in den niederländischen Wortschatz einfliessen, vergleiche anl. siluer (ahd. silabar, ‚Silber‘) und anl. sadal (ahd. satal, ‚Sattel‘) in der Ortsbezeichnung Sadalt.
Das Germanische kennt ebenfalls Entlehnungen oder auch Substratwörter aus dem Keltischen. Vermutlich wohnten die Kelten seit 500 v. Chr. im Deltagebiet, sehr wahrscheinlich südlich der Flüsse, eventuell aber auch nördlich davon. Latinisierte keltische Ortsnamen mit dem klt. Suffix -aco, so in Doornik und Kamerijk, oder mit dem Suffx -dunum wie in Lugdunum (‚Loosduinen‘) können darauf deuten. Allerdings ist nicht auszuschliessen, dass Namen wie Lugdunum aus dem Vulgärlatein der Römer stammen, das bereits keltische Lehnwörter übernommen hatte. Einige Forscher, so P. Schrijver, sind der Überzeugung, dass bis 500 n.Chr. an der Nordseeküste Flanderns, Hollands und Frieslands Keltisch gesprochen wurde, was beispielsweise aus Lautentwicklungen des Nordseegermanischen abzuleiten wäre. Eine vermutlich direkte niederländische Entlehnung aus dem Keltischen wie die ndl. hyperkorrekte Form kade aus kaai (‚Kai‘, Lehnwort aus dem Ndl.), das einzig im Niederländischen überliefert wurde, könnte diese Auffassung unterstützen. Es ist aber auch möglich, dass Kelten nie nördlich Galliens gelebt haben.
Wie dies auch sei, es muss bereits vor Anfang der Zeitrechnung wohl Kontakte zwischen Kelten und Germanen gegeben haben, die keltische Entlehnungen im Germanischen zur Folge hatten und umgekehrt. Es sind dies laut Van der Sijs namentlich Bezeichnungen für Begriffe aus Bereichen wie Bodenbearbeitung und Staatswesen, die bei den Germanen unbekannt waren, so wahrscheinlich reich, das im anl. als rīki (ahd. rīhhi) vorkommt, oder Düne, das im anl. als dunos belegt ist. Unklar ist, ob ein Wort wie eed (‚Eid‘) aus dem Keltischen übernommen wurde oder verwandt mit dem air. óeth ist und idg. Ursprung hat.
Für die Herausbildung des niederländischen Wortschatzes sollte insbesondere aber das Latein durch die Anwesenheit der Römer im Deltagebiet (siehe 2.1.2.) von Bedeutung sein. Die ansässigen Einwohner kamen hier mit Truppen des Imperiums in Berührung, trieben Handel mit römischen Kaufleuten und lernten neue Produkte kennen, der Rhein bildete im Deltagebiet diesbezüglich keine tatsächliche Kulturscheide. Vieles übernahmen die Einheimischen aus der für sie neuen Kultur, so auch die entsprechenden Ausdrücke aus dem Vulgärlatein, der Sprache der Neuankömmlinge, die aus den unterschiedlichsten Gegenden stammten (vgl. 3.4.3.3.).
Literatur zu 2.4.: Beekes 1990; Van Bree 1995; Van Bree 2005a; Caron 1972; Van Coetsem 1964; Van Coetsem et al. 1972; Daan 1966; Duinhoven 1988/97; Franck et al. 1976; Goossens 1978; De Grauwe 1979/82; De Grauwe 2008; Van Hal 2010; Haarmann 2010; Van der Horst 2008; Klein 2003; Krause 1968; Kroonen 2009; Kuhn 1959; Kyes 1969; Kyes 1983; Lockwood 1976; Van Loon 1986; Nübling 2010; Quak 1981; Quak 1990; Quak 2010; Quak et al. 2002; Rauch et al. 1995; Schoonheim 2008; Schrodt 2004; Schuchardt-Brevier 1976; Sonderegger 1979; Sonderegger 2003; De Vries et al. 1994; Van der Wal et al. 2008.