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2.4.2.3. Veränderung von Kasus und Numerus

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Das Kasussystem, das im Indogermanischen wahrscheinlich acht Fälle umfasste, kannte im Südgermanischen fünf Kasus, soweit man Nominativ als Kasus mitzählt. Es ist anzunehmen, dass während eines Reduktionsvorgangs ein Kasus die Funktionen anderer Kasus übernahm, infolge dieses sogenannten Kasussynkretismus erhielt der Dativ die mittlerweile eingeschränkten Funktionen des Ablativs, Lokativs, Instrumentalis und zum Teil des Genitivs. Sodann bekam der Nominativ zusätzlich die Funktion des im Urgermanischen und zum Teil Gotischen noch vorhandenen Vokativs. Neu ermöglichten Wortfolge und Präpositionen es, die entsprechenden Aufgaben von Fällen zu übernehmen. Wie im Deutschen ist im Niederländischen der frühere Kasus in erstarrten Bildungen erhalten, so im ndl. heden, hds. heute, anl. hiudo, ahd. hiutu aus ugm. *hiu dagu (‚an diesem Tag‘), mit ursprünglicher Instrumentalisbildung dagu und Demonstrativum hiu, im Ndl. mit einem Schluss-n wohl als Analogiebildung zu gisteren (‚gestern‘) und morgen (‚morgen‘).

Es stellt sich die Frage, wie Funktionen oder auch Bedeutungen von Sprachformen wie Kasus in früheren Sprachstufen zu kennzeichnen sind und wie ihre Entsprechungen in neueren Sprachstufen lauten. Die entsprechenden Abschnitte der folgenden Kapitel enthalten Versuche, solche Beschreibungen vorzunehmen (siehe u.a. 3.4.2., 4.4.2. und 5.4.2.). Hier steht allerdings die Deflexion im Vordergrund, die als fortschreitender Verschleiss von Endungen zunehmend die Formunterschiede zwischen den Fällen verschleiern sollte. Wie in den nachfolgenden Kapiteln erörtert wird, setzte sich die Deflexion im Niederländischen stärker fort als im Deutschen.

Die Reduktion des indogermanischen dreistufigen Numerussystems erfolgte nicht nur bei den Verben (siehe 2.4.2.1.), sondern auch bei Substantiven, Adjektiven und Pronomina. In der Folge kennt das Niederländische seit der frühesten Überlieferung keinen Dual, sondern lediglich einen Singular und einen Plural. Es fällt übrigens auf, dass als Folge des komplexen Vorganges der Deflexion Unterschiede zwischen Kasusformen und Klassen von Substantiven (siehe 2.4.2.2.) zwar wegfielen, die morphologischen Unterschiede zwischen den Kategorien Singular und Plural hingegen bestehen blieben. Wo durch lautliche Entwicklungen distinktive Merkmale für Mehrzahl verschwanden, entwickelten sich gar durch Analogie Neubildungen, so Plur. woorde (‚Wörter‘) neben Plur. die woort (‚die Wörter‘) und Sing. dat woort (‚das Wort‘). Weiter entstanden neue Pluralbildungen, wenn ein Substantiv nicht mehr als Mehrzahl empfunden wurde, so sc(h)oenen, sc(h)oens und sc(h)oene ( Schuhe‘) aus der ursprünglichen Pluralbildung sc(h)oen, Einzahl sc(h)oe. Diese Tendenz zeigt sich im Niederländischen bis heute, so in nicht-korrekten Bildungen wie musea’s (‚Museen‘).

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