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Teil 1 Die Übernahme des Mandats › I. Charakter des Mandatsverhältnisses

I. Charakter des Mandatsverhältnisses

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Das Mandatsverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt als (gewähltem) Verteidiger und seinem Mandanten stellt sich zivilrechtlich als Dienstvertrag gem. § 611 BGB dar, dessen Gegenstand eine Geschäftsbesorgung im Sinne des § 675 BGB ist. Folglich finden die entsprechenden bürgerlich-rechtlichen Vorschriften Anwendung[1].

Somit sind Abgabe eines Angebots und Annahme des Angebots Voraussetzung. Das übersehen manche Beschuldigte, wenn sie dem Polizeibeamten oder Staatsanwalt mitteilen: „Mein Verteidiger ist Rechtsanwalt X“, ohne dass dieser davon Kenntnis hat. Oft kommt dann ein Schreiben des Staatsanwalts: „Der Beschuldigte hat bei seiner polizeilichen Vernehmung erklärt, sich durch Sie äußern zu wollen. Hierzu setze ich Ihnen eine Frist bis zum …“ Wenn in diesem Zeitpunkt schon etwas „verhext“ ist, kann der Verteidiger freilich nichts dafür. Er sollte allerdings umgehend den Beschuldigten anschreiben und ihn zu einem Gespräch in die Kanzlei bitten. Hierbei hat er auch an § 44 BRAO zu denken: „Der Rechtsanwalt, der in seinem Beruf in Anspruch genommen wird und den Auftrag nicht annehmen will, muss die Ablehnung unverzüglich erklären. Er hat den Schaden zu ersetzen, der aus einer schuldhaften Verzögerung dieser Erklärung entsteht.“

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Exkurs zum Begriff des „Beschuldigten“:

Bekannt war bislang, dass Beschuldigter nur derjenige ist, gegen den das Verfahren als Tatverdächtiger geführt wird.[2] Jedoch war noch nicht endgültig geklärt, ab wann die Beschuldigteneigenschaft anzunehmen ist, wenn die Ermittlungsbehörden gerade noch kein Ermittlungsverfahren förmlich eingeleitet haben oder gegen eine Person Maßnahmen eingeleitet wurden, die erkennbar darauf abzielen, gegen ihn wegen einer Straftat vorzugehen.[3] Wesentlich ist die Frage gerade im Wirkungsbereich des § 136 Abs. 1 StPO. Durch Urteil vom 3.7.2007 hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass es vor allem auch darauf ankommt, wie die Ermittlungsbehörden der befragten Person entgegen treten und sich ihm gegenüber äußern und verhalten.[4] Der Verfolgungswille und damit die Beschuldigteneigenschaft der Behörden kann sich hiernach insbesondere aus dem Ziel, der Gestaltung und den Begleitumständen der Befragung ergeben.[5]

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Laut § 1 BRAO ist der Rechtsanwalt ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. Inwieweit daraus Rechte und Pflichten des Verteidigers im Verhältnis zu dem Mandanten herzuleiten sind, ist lebhaft umstritten, zumal teilweise schon der Begriff und die Organstellung als solche abgelehnt werden.[6] Die überwiegende Meinung jedenfalls entnimmt dem Begriff eine Unabhängigkeit des Verteidigers (auch) dem Mandanten gegenüber mit der Folge, dass der Verteidiger an Weisungen des Mandanten nicht gebunden ist.[7] Wer meint, dass solche Grundsätzlichkeiten nebensächlich wären, täuscht sich. Das Verständnis des Berufsbildes des Verteidigers wirkt sich vom Ermittlungsverfahren über das Hauptverfahren im gesamten Strafverfahren aus und bestimmt den Umgang der Ermittlungsbehörden und der Gerichte mit dem Strafverteidiger. In jüngster Zeit wird wieder – nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs zur sog. „Rügeverkümmerung“ in der strafrechtlichen Hauptverhandlung – vermehrt über die Stellung des Verteidigers und das anwaltliche Ethos debattiert.[8] Für den Verteidiger zählt ein fundiertes Wissen über seine Positionsbestimmung zur Grundausstattung. Dies schon deswegen, weil er wissen muss, wie die ihm gegenüber stehenden Juristen aus dem Bereich der Strafjustiz ihn und seine Berufskollegen sehen.

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Das Verhältnis zwischen dem Verteidiger und dem Mandanten ist geprägt durch das anwaltliche Berufsrecht. Es findet seine Ausformung in der Bundesrechtsanwaltsordnung[9] („BRAO“) und in der gem. §§ 59b, 191a ff. BRAO geschaffenen Berufsordnung.[10] Beide stellen eine verlässliche, rechtlich einwandfreie Grundlage anwaltlichen Handelns dar; frühere Unsicherheiten und Streifragen sind damit in weiten Teilen beseitigt[11]. Es wird jedoch nicht ausbleiben, dass neue Probleme entstehen. Bei Ihrer Lösung wird man – behutsam und kritisch – das frühere Standesrecht[12] zu Rate ziehen können.

Der Verteidiger tut gut daran, sich über die berufsrechtlichen Regelungen zu informieren. Anderenfalls läuft er Gefahr, in ein berufsrechtliches Verfahren verwickelt zu werden. Das ist nicht nur für ihn persönlich unangenehm, sondern kann Auswirkungen auf das Mandat haben (Kündigung). In Zweifelsfragen kann er sich an seinen Kammervorstand wenden.[13] Hilfreich kann in manchen Punkten auch ein Heranziehen der vom Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer beschlossenen „Thesen zur Strafverteidigung“[14] sein. Auch der vertrauensvolle Austausch mit erfahrenen Kollegen kann sich anbieten.

Verteidigung im Ermittlungsverfahren

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