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Teil 1 Die Übernahme des Mandats › III. Die Verteidigung von Unternehmen und Unternehmensinteressen

III. Die Verteidigung von Unternehmen und Unternehmensinteressen

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Die strafrechtliche Beratung und Vertretung von Unternehmen und deren Interessen hat in jüngster Vergangenheit an Bedeutung gewonnen.[1] Früher hätte mit einem Strafverteidiger niemand die Verteidigung eines Unternehmens verbunden. Auch heute kann man noch trefflich darüber streiten, ob es um die Verteidigung eines Unternehmens geht oder um die strafrechtliche Vertretung. In der Sache ist die Bezeichnung zweitrangig. Die vermehrte Anwendung der §§ 30 OWiG und 130 OWiG auf Seiten der Staatsanwaltschaft und die Zunahme von Ermittlungshandlungen im Umfeld von Wirtschaftsunternehmen führt dazu, dass der Strafverteidiger neben den zivilrechtlich beratenden (Groß-)Kanzleien auch von Vertretern eines Unternehmens angesprochen wird, um die Interessen des Unternehmens im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu vertreten.

Im Jahr 2013 hat das Land NRW zudem einen Gesetzesentwurf vorgelegt zur Einführung eines neuen sog. Unternehmensstrafrechts.[2] Deswegen wird der Strafverteidiger sich nicht mehr lediglich mit Individualinteressen von Einzelpersonen auseinandersetzen zu haben, sondern auch mit der Frage konfrontiert sein, wie er mit der Verteidigung von Unternehmensinteressen umgeht.

Die Verteidigung von Unternehmensinteressen fordert den Strafverteidiger in verschiedensten Disziplinen. Nicht nur die Organisation des eigenen Büros muss darauf ausgerichtet sein, sondern etwa auch die berufliche Haftpflichtabsicherung. Denn häufig werden Unternehmen eine Haftpflichtabsicherung des Strafverteidigers mit gehobenem Umfang einfordern. Vor allem aber muss der Verteidiger sich darüber bewusst sein, dass er regelmäßig als Einzelkämpfer nun auf neuem Terrain tätig wird. Denn Unternehmen kennen in der Regel lediglich die Beratung durch größere Kanzleien oder einen Verbund von verschiedenen Kanzleien. Deswegen ist es auch für die Unternehmen neu, dass lediglich eine Person weitreichende Interessen des Unternehmens vertreten und durchsetzen soll. Der Verteidiger muss sich in solchen Situationen umstellen. Denn nicht nur die Kooperation mit etwaigen zivilrechtlichen und sonstigen Beratern der Unternehmen ist gefragt, sondern auch die Zusammenarbeit mit Rechtsabteilungen oder die Hinzuziehung von weiteren strafrechtlichen Beratern und die Arbeit im Verteidigungsteam. Das alles ist für den Strafverteidiger erst einmal Neuland, wenn er sonst gewohnt ist, in der strafrechtlichen Hauptverhandlung alleine und auf sich gestellt die Interessen einer einzelnen Person zu verteidigen.

In dieser Gemengelage wird es für den Verteidiger keine leichte Aufgabe sein, die Spielregeln für die Kommunikation, den Umgang mit den Ermittlungsbehörden, die Beratung des Mandanten/der Mandantin nach seinen Vorgaben durchzusetzen und das Verständnis für strafprozessuale Grundregeln bei allen Beteiligten herbeizuführen. Dabei kann es auch zu konfliktträchtigen Situationen kommen, wenn z.B. die Rechtsabteilungen der Unternehmen andere Ziele verfolgen als die bisherigen oder die parallel tätigen zivilrechtlichen externen Berater. Es bedarf keiner weiteren Ausführung, dass die Thematik noch einmal komplizierter wird, wenn auch noch Dissens zwischen der Unternehmensführung, der Rechtsabteilung und möglichen Beratern im weiteren Vorgehen besteht. Deswegen gehört schon sehr viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl dazu, wenn der Strafverteidiger sich entscheidet, auch Unternehmensinteressen zu vertreten und zu verteidigen. Der Strafverteidiger wird sich zu überlegen haben, ob er für solche Art von Mandaten geeignet ist und, ob er auch in einem solchen Bereich qualitativ beste Dienstleistung anbieten kann und will. Dabei darf nicht verkannt werden, dass die erfolgreiche und gute Verteidigung von Unternehmensinteressen stets auch ein Garant für Weiterempfehlungen des Verteidigers ist. Das gilt aber auch bei der Vertretung von Einzelpersonen. Nur ist der Empfehlungsfaktor innerhalb eines Unternehmens häufig größer.

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Eine besondere Konstellation liegt vor, wenn der Verteidiger vom Unternehmen gefragt wird, ob Mitarbeiter des Unternehmens bei Zeugenvernehmungen durch die Ermittlungsbehörden begleitet werden können. Zuweilen kommt eine solche Anfrage auch über einen anwaltlichen Kollegen, der bereits die Unternehmensinteressen vertritt und eine parallele Vertretung von Zeugeninteressen für ihn bspw. (aus berufsrechtlichen Gründen) nicht möglich ist. Denn es kann auch so liegen, dass die Interessen von Zeugen andere sind als die Interessen eines Unternehmens. Wird der Strafverteidiger im Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche eines Unternehmens gefragt, ob er die Mitarbeiter eines Unternehmens als Zeugenbeistand[3] in polizeilichen oder staatsanwaltschaftlichen Vernehmungen begleiten und zuvor beraten kann, wird er sich zu entscheiden haben, ob dieses Mandat angenommen wird. Denn die Entscheidung bringt einige andere Entscheidungen automatisch mit sich. Übernimmt er das Mandat, wird er rechtlich später für jeden einzelnen Zeugen als individueller Berater des jeweiligen Zeugen im Interesse des jeweiligen Zeugen tätig werden. Die Bezahlung seiner Tätigkeit erfolgt mitunter vom Unternehmen. Die Vertretung und Beratung von Zeugen führt dann aber auch gleichzeitig dazu, dass er in diesem Fall nicht mehr der Berater und Verteidiger des Unternehmens selbst wird sein können und erst recht wird er in der Regel kein Berater und Verteidiger von anderen Personen in diesem Fall (sei es Geschäftspartner des Unternehmens, sei es Beschuldigter im Unternehmen) sein können. Selbstverständlich kann er im Falle der Einstufung eines Zeugen als beschuldigter Person die Verteidigung dieser beschuldigten Person fortführen, muss dann aber alle anderen Mandate niederlegen. Deswegen wird er sich zuvor auch im Interesse des Unternehmens und im Interesse seines Rufes dafür zu entscheiden haben, entweder lediglich die Zeugen zu beraten und zu vertreten, oder aber für etwaige Verteidigungsbemühungen zur Verfügung zu stehen und das Mandat der Zeugenvertretung nicht anzunehmen. Das bringt natürlich das Risiko mit sich, dass er letztlich vielleicht auch ohne Mandat bleibt.

Die Beratung und Vertretung von Unternehmen im strafrechtlichen Bereich ist zweifellos anders gelagert als die „klassische Strafverteidigung“. Da aber auch in diesem Bereich die Kompetenz des Strafverteidigers gefragt ist und gerade im Ermittlungsverfahren der Behörden wichtige Weichenstellungen gestellt werden, soll an geeigneter Stelle im Nachfolgenden auch auf diesen Komplex eingegangen werden.[4]

Verteidigung im Ermittlungsverfahren

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