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1. Persönliche Eigenheiten

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Der Verteidiger ist ein einsamer und oft alleingelassener Kämpfer“.[1] Der Verteidiger hat es mit Menschen unterschiedlichster Herkunft, sozialer Stellung und Wesensart zu tun. Heute sitzt vor seinem Schreibtisch der Generaldirektor und morgen der Zuhälter. Das macht den Reiz des Berufes des Verteidigers aus. Wer dem skeptisch gegenübersteht, sollte sorgfältig prüfen, ob er zu diesem Beruf taugt.

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In Wahrheit liegt das Problem jedoch oft nicht so sehr in den (Ab-)Neigungen des Verteidigers gegenüber bestimmten Personengruppen begründet, sondern in seinen mangelnden Fähigkeiten. Wenn der Verteidiger eine Prostituierte oder einen Zuhälter verteidigen soll, muss er mit ihnen reden können. Der moralisierend erhobene Zeigefinger ist da fehl am Platze, ebenso wie ein distanzloses Anbiedern.

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Ähnlich verhält es sich mit der mancherorts anzutreffenden Ablehnung der Verteidigung hinsichtlich bestimmter Delikte („Wie kann man nur bei einem solch scheußlichen Mord verteidigen!“). Wer sich nicht (bis zu einer gewissen Grenze natürlich) einfühlen kann, der taugt als Verteidiger in diesen Fällen nicht. Der Verteidiger soll bei bestimmten Tatvorwürfen, z.B. (politische) Umfangsverfahren[2], Umweltstrafsachen oder Wirtschaftsstrafsachen, auch sorgfältig prüfen, ob er von seinen sonstigen Fähigkeiten und kanzleimäßigen Gegebenheiten überhaupt in der Lage ist, die Verteidigung sachgerecht zu führen. Es gibt zudem Bereiche des Strafrechts, die weder materiell-rechtlich noch prozessual „nebenbei mit bearbeitet“ werden können, ohne einen erheblichen Qualitätsverlust in Kauf zu nehmen. Dazu zählen beispielsweise umfangreiche oder sehr spezielle Wirtschaftsstrafverfahren sowie etwa der Beweis des Betäubungsmittelrechts, der von viel Spezialwissen geprägt ist. Dass dies längerfristig auch für den Ruf schädlich ist, liegt auf der Hand; schlimmer ist es jedoch in jedem Einzelfall für den Mandanten, wenn er keine qualitativ bestmögliche Arbeitsleistung erhält.

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Probleme tauchen oft auf, wenn es gilt, die Verteidigung eines schuldigen Beschuldigten zu übernehmen. Es soll Verteidiger geben, die grundsätzlich nur Unschuldige verteidigen. Sie gleichen einem Arzt, der nur Gesunde behandeln will.[3] Der Verteidiger, der die Verteidigung eines schuldigen Beschuldigten übernimmt, muss freilich wissen, auf was er sich einlässt; dies nicht so sehr für den Fall, in dem der Mandant einen Schuldspruch akzeptiert und mit der Beauftragung nur das Ziel einer möglichst milden Sanktion bezweckt, sondern für den Fall, in dem der Mandant einen Freispruch erstrebt. Vom Grundsatz her ist gegen dieses Begehren des Mandanten nichts einzuwenden, denn unsere Rechtsordnung will die Überführung eines Schuldigen nicht um jeden Preis, sondern nur auf prozessordnungsgemäßem, justizförmigem Weg.[4] Dem Verteidiger sind jedoch in seinem Auftrag, dem Mandanten in seinem Bestreben zu helfen, straf- und berufsrechtliche Grenzen gezogen. Diese lassen sich in vier Grundsätze unterteilen,[5] die es dem Verteidiger untersagen:

die Ermittlungsorgane und das Gericht unter Vorspiegelung falscher Tatsachen bewusst in die Irre zu führen;
den Sachverhalt zugunsten des Beschuldigten bewusst tätig zu verdunkeln;
Beweisquellen zu trüben;
die Strafverfolgung zu erschweren.

Ein Verteidiger, der die Schuld des Mandanten kennt, darf, ohne sich strafbar oder einer berufsrechtlichen Verfehlung schuldig zu machen, den falschen Freispruch anstreben, soweit und solange er sich verfahrensrechtlich zulässiger Mittel bedient.[6]

Die Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen der Wahrheitspflicht des Verteidigers und der ihm ebenso obliegenden Schweigepflicht hat Dahs treffend erfasst, wenn er schreibt:

„Alles was der Verteidiger sagt, muss wahr sein, aber er darf nicht alles sagen, was wahr ist.“[7]

Ob er eine solche Verteidigung überhaupt führen will und kann, ist eine andere Frage. Sie zu beantworten, ist der Verteidiger frei. Seine Berufsauffassung, sein Gewissen, sein persönlicher Stil werden ihn dabei leiten.[8]

Teil 1 Die Übernahme des MandatsII › 2. Gesetzliche Vorschriften

Verteidigung im Ermittlungsverfahren

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