Читать книгу Fordern und Fördern - Führungspraxis für Feuerwehrleute - Jens-Peter Wilke - Страница 6
1.2 Bedürfnisse
ОглавлениеWir wollen Menschen »führen«. Bei diesem Vorhaben stellt sich zu allererst einmal eine entscheidende Frage: Warum?
Zur Beantwortung dieser Fragen ist es unabdingbar, dass wir ehrlich zu uns selbst sind. Offenheit uns selbst gegenüber, also die Fähigkeit, uns und unsere Situation realistisch einzuschätzen, unsere Stärken und Schwächen zu erkennen und richtig zu bewerten, auch Misserfolge uns selbst eingestehen zu können und unser Handeln stets selbstkritisch zu hinterfragen, das ist einer der wesentlichen Schlüssel für eine erfolgreiche Menschenführung.
Gehen wir also zunächst der Frage auf den Grund: Welche unserer Bedürfnisse möchten wir erfüllt sehen, was ist unsere Motivation? Eine höhere Funktion mit Führungsverantwortung anzustreben, wie beispielsweise die eines Gruppenführers, eines Kommandanten, eines Stadtbrandmeisters, eines Sachgebiets- oder gar eines Amtsleiters, ist zweifellos ein ehrenwertes Ziel. Welches Motiv leitet uns hier aber eigentlich, eine solche Aufgabe zu übernehmen? Warum streben wir das höhere Ehrenamt an? Auf diese Fragen werden die meisten von uns antworten, dass wir den Brandschutz in unserer Kommune fördern und einen Beitrag für eine höhere Sicherheit unserer Mitbürger leisten möchten. Das klingt gut, aber ist das wirklich unsere hauptsächliche Motivation? Auch hier sollten wir offen zu uns selbst sein und uns über unsere eigentlichen Motivationen klar werden. Diese könnten sein: Es macht uns Spaß, Menschen zu führen. Wir glauben, dass wir Menschen für ein Ziel begeistern können. Wir haben Visionen und wollen unsere Feuerwehr nach unseren Vorstellungen gestalten. Wir möchten gerne als wichtiger Bestandteil unserer Feuerwehr wahrgenommen werden. Bei Angehörigen der Berufsfeuerwehr kann natürlich auch dies ein bedeutendes Motiv sein: Wir möchten unsere persönliche Einkommenssituation verbessern.
Jedes Motiv ist erst einmal legitim. Aber rechtfertigt es unser Vorhaben? Eitelkeit und Geltungsdrang sind zum Beispiel zwar eine häufige, aber keine gute Motivation für eine Führungsaufgabe. Wenn sie die einzigen Motivationen sind, sollte man lieber [12]darauf verzichten, Menschen zu führen. Dumm nur, dass Eitelkeit und Geltungsbedürfnis die Fähigkeit zur kritischen Selbsteinschätzung stark einschränken…
Wer bei ernsthafter Selbstbefragung zu der Erkenntnis kommt, dass er eigentlich nur deshalb gerne Gruppenführer werden möchte, weil er es »chic« findet das entsprechende Dienstgradabzeichen auf seinem Ärmel zu tragen, sollte es sich selbst und seinen Kameraden ersparen, diese Funktion anzustreben. Um das Amt des Stadtbrandmeisters zu erreichen, wäre das Motiv, beim Feuerwehrfest neben dem Bürgermeister sitzen zu dürfen, genauso wenig ausreichend. Es ist allzu menschlich, die Neigung zu haben, sich gern in den Mittelpunkt zu stellen. Wenn wir eine bedeutsame Rolle spielen, tut das unserem Ego gut und motiviert uns zu weiteren Höchstleistungen. Allerdings sollte unser Geltungsdrang nicht zu unserer Hauptmotivation werden und allein unser Handeln steuern. Wir dürfen uns nicht von unserem Selbstdarstellungsdrang beherrschen lassen und darüber unsere eigentlichen Aufgaben aus dem Fokus verlieren. Für eine Führungsaufgabe ist der Wille, sich zu exponieren zwar eine wesentliche Voraussetzung, aber wir sollten mit dieser Neigung stets bewusst umgehen.
Merke: Regel Nr. 1 für Führungskräfte: Sei ehrlich zu dir selbst! |