Читать книгу Fordern und Fördern - Führungspraxis für Feuerwehrleute - Jens-Peter Wilke - Страница 9
[16]1.5 Leitbilder
ОглавлениеNeben den allgemeinverbindlichen Werten unserer Gesellschaft haben Berufsgruppen, Organisationen, Vereine, Familien, hat jeder einzelne individuelle Werte. So auch jede Feuerwehr. Hier gibt es besondere Werte, die unsere allgemeinen Sozialnormen für den Feuerwehrdienst präzisieren. Vermutlich hat jedes Mitglied unserer Feuerwehr unbewusst eine persönliche Wertevorstellung, die mit der allgemein vorherrschenden Wertevorstellung im Wesentlichen identisch ist. Und vermutlich lebt jedes Mitglied nach dieser Vorstellung. Aber eben nur unbewusst. Für ein erfolgreiches Führen ist es wichtig, diese Werte in Worte zu fassen. Dies nennt man Leitbild. Das Leitbild soll Antworten zu folgenden Fragen geben:
Wofür stehen wir?
Was macht unsere Kultur aus?
Wie sehen wir uns selbst?
Was wird von uns erwartet?
Wie erreichen wir diese Erwartungen?
Ein Leitbild kann den Mitarbeitern Orientierungshilfen in der täglichen Arbeit geben und ihre Identifikation mit ihrer jeweiligen Organisation fördern. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es sehr wichtig, dass ein Leitbild nicht im »stillen Kämmerlein« des Leiters entsteht und dann von oben angeordnet wird, sondern möglichst von allen Mitarbeitern gemeinsam entworfen und beschlossen wird. Ab einer bestimmten Organisationsgröße ist das natürlich nicht mehr durchführbar. Es sollte aber wenigstens eine Arbeitsgruppe gebildet werden, in der alle Ebenen, insbesondere auch die sprichwörtliche »Basis«, vertreten sind. Das Leitbild muss wachsen, das heißt es muss zunächst in der Arbeitsgruppe ausführlich diskutiert werden. Dabei sollte man sich auch die Zeit nehmen, über Grundwerte und Grundsätzliches zu diskutieren. Die Entscheidungsprozesse und ersten Entwürfe sollten allen Mitarbeitern transparent gemacht und jedem Einzelnen sollte die Möglichkeit geboten werden, sich mit Vorschlägen und kritischen Anmerkungen einzubringen. Ziel muss hier ein möglichst breiter Konsens sein, der von möglichst vielen Angehörigen unserer Feuerwehr getragen wird. Die Kunst ist dabei, dass das Ergebnis nicht aus lauter unverbindlichen Allgemeinplätzen besteht, also inhaltlosen Worthülsen, die von jedermann beliebig ausgelegt werden können. Ein schwieriger, aber auch lohnenswerter Prozess, führt er doch bei vielen Mitgliedern zum ersten Mal dazu, sich bewusst mit den oben genannten Fragen auseinanderzusetzen.
[17]Das Leitbild sollte konkrete Aussagen zum Verständnis der eigenen Aufgabe, zum Miteinander und zu Führungsgrundsätzen treffen. Das Leitbild gipfelt in einem Leitmotiv, einem kurzen, prägnanten Satz, der die Kernaussagen des Leitbildes zusammenfasst. Dieser Slogan sollte besonders einprägsam formuliert sein und die Leitziele assoziativ zusammenfassen, denn er ist letztlich das, was den Mitarbeitern haften bleibt. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine gewisse Originalität wünschenswert, die jedoch sehr schwierig umzusetzen ist. Wirtschaftsunternehmen bezahlen hierfür oft teure Agenturen, die sich hierüber den Kopf zerbrechen und dies nicht immer mit Erfolg. Als ein Beispiel für ein gelungenes Leitmotiv sei hier dasjenige des TÜV genannt: »Genau. Richtig.« Es ist erstaunlich, wie viel man mit zwei Worten ausdrücken kann. Das Wesentliche worauf es beim Technischen Überwachungsverein ankommt, kommt in diesem Leitsatz zum Ausdruck: Unbestechliche Präzision, Kompetenz und Verlässlichkeit.
Der Grund, warum dem Thema Leitbild hier ein so großer Raum gegeben wird, ist meine Überzeugung, dass ein gutes Leitbild samt seinem Entwicklungsprozess eine der wichtigsten Grundlagen für ein erfolgreiches Führen ist. Ein Leitbild richtet sich ausschließlich nach innen. Die Mitarbeiter sollen eine Orientierungshilfe erhalten, die auch ihre Identifikation mit ihrer Feuerwehr fördert. Für die Führungskräfte einer Feuerwehr muss dieses Leitbild vor allem Richtschnur für das eigene Führungsverhalten sein. Bei jeder unserer Entscheidungen sollten wir uns stets fragen: Ist diese Entscheidung im Sinne unseres Leitbildes? Von einer Führungskraft muss erwartet werden können, dass sie sich mit dem Leitbild vorbehaltlos identifiziert und die hier definierten Regeln nicht nur akzeptiert, sondern lebt. Es sollte ihr sozusagen in Fleisch und Blut übergehen. Denn letztlich ist jedes Leitbild natürlich nur so gut, wie wir uns danach verhalten. Unsere Mitarbeiter werden uns daran messen, wie weit wir uns an das Leitbild halten und werden es letztlich selbst nur in dem Maße beherzigen, wie wir es tun.
Übrigens: Ein Leitbild, wenn es denn erst einmal existiert, ist zu schade für die Schublade. Es sollte zum Beispiel großformatig ebenso im Gemeinschaftsraum aufgehängt werden, wie in den Büros und Werkstätten. Ferner empfiehlt es sich, jedem neu aufgenommenen Mitglied bei seiner Einstellung ein Exemplar des Leitbildes in einer ansprechend gestalteten Form zu überreichen. Auch eine Ausfertigung im Scheckkartenformat für die Brieftasche ist denkbar.
Wie bereits gesagt: Unser Leitbild ist Richtschnur für unsere Entscheidungen. Auf seiner Grundlage sollten wir unsere konkreten Ziele definieren. Wir brauchen Ziele. Für uns und für die von uns Geführten. Wir brauchen sie für uns, weil wir sonst gar nicht wüssten, wohin wir die uns anvertrauten Menschen führen sollen, und sie benötigen unsere Ziele, damit sie wissen, wohin wir wollen und sie somit in unserem [18]Sinne handeln können, ohne dass wir jeden ihrer Arbeitsschritte erklären müssen. Es gibt taktische Ziele, also Ziele, deren Erreichung in naher Zukunft liegt (zum Beispiel »Ich will, dass wir diesen Scheunenbrand in spätestens einer Stunde gelöscht haben!«) und es gibt strategische Ziele, die erst mittel- oder langfristig erreicht werden können (zum Beispiel »Ich strebe die Erhöhung unserer Mitgliederzahl auf 50 in den nächsten zwölf Monaten an«).
Merke: Wer führen will, muss wissen, für welche Werte er steht, welche persönlichen Bedürfnisse er hat und welche Ziele er anstrebt. |