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14 Klub der Milliardäre

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USA

Lake Winnepesaukee / New Hampshire


Etwa dreißig Personen hatten sich im großen Wohnraum von Mary-Anns Hütte versammelt, allesamt Eigentümer der Nobelherbergen auf den benachbarten Inseln. Die Stimmung wirkte gedrückt.

Joshua, der an den großen Fenstern stand, ließ den Blick über die Menge schweifen. Das waren keine Kämpfer. Das waren wohlsituierte Wohlstandsbürger, die kaum in der Lage sein würden, sich selbst zu verteidigen. Zudem waren die meisten der Männer und Frauen jenseits der Sechzig. Lediglich zwei Ehepaare, die beide Kinder hatten, sahen fit genug aus, um es mit etwaigen Angreifern aufnehmen zu können.

»Wie gehen wir jetzt weiter vor?«, fragte Hank Miller. Hank war der Mann, der damals auf Joshua und Mary-Ann geschossen hatte, als sie versuchten, zur Nachbarinsel überzusetzen. Er war zugleich einer der Fittesten der Anwesenden und Vater von Jamie und Charlene, die sich sehr schnell mit Candys Kindern Leo und Janet angefreundet hatten. Er war auch der Mann, auf den Huntington getroffen war, als er mit Candys Kindern zur Nachbarinsel gerudert war.

Candy meldete sich zu Wort. »Wir werden einen Spähtrupp aussenden, um herauszukommen, mit wem wir es zu tun haben.«

»Mit dem Hubschrauber?«, fragte eine ältere Dame.

Candy schüttelte den Kopf. »Der bleibt vorläufig unten. Wie ihr wisst, wurde einem Mann die Kehle durchgeschnitten, als die Fremden Auskunft über die Inseln bekommen wollten. Wir wissen nicht, wer das Opfer war, wahrscheinlich ein Anrainer - oder ein Feriengast, der schon einmal hier war.«

»Und wenn sich die Kinder das nur eingebildet haben?«, rief ein glatzköpfiger Mann mit roten Wangen dazwischen.

»Haben wir nicht«, meldete sich Leo zu Wort, der zusammen mit Janet und Jamie sowie den anderen Kindern in der Ecke saß und bisher schweigend zugehört hatte.

»Wir waren am Ufer«, half ihm Mary-Ann, die schnell zu Joshua blickte und dann zu dem Mann sah. »Die ... Leiche liegt noch dort. Mit durchstoßenem Gehirn. Zuvor hatte man dem Mann allerdings die Kehle durchgeschnitten.«

»Und wenn es nur ein Zombie war, den die Fremden ausgeschaltet haben? Die durchschnittene Kehle sagt doch nichts bei dem Chaos, das dort draußen geherrscht hat. Wir haben nur die Aussagen der Kinder«, sagte wieder ein anderer Mann, der seinem Bauchumfang nach, sehr gerne sehr viel aß.

Joshua verzog das Gesicht. Chaos, das geherrscht hat ... Offensichtlich fühlten sich diese Rentner sehr sicher. Vielleicht verdrängten sie auch ganz einfach nur die Außenwelt und die Hölle, die dort tobte. Mit dieser Truppe würden sie einem Angreifer jedenfalls niemals die Stirn bieten können. Und er glaubte auch nicht daran, dass sich an diesem Umstand jemals etwas ändern könnte. Es waren Rentner, Unternehmer - zumindest die Masse. Lediglich mit Hank und seiner Familie sowie Tim Morrisson und seiner Frau konnte man im Angriffsfall rechnen. Das war viel zu wenig.

Candy übernahm das Gespräch. »Mary-Ann und Joshua waren in Concordia und anderen Orten. Und auch in Laconia. Die Malls waren vollkommen leer geräumt. Gleiches gilt für die Kerosinvorräte auf dem kleinen Flugplatz. Da war jemand mit schwerem Gerät am Werk. Ich will wissen, wer sich da draußen herumtreibt. Und wir sollten nicht so naiv sein und das Beste annehmen. Ich war Pilotin bei der Air Force, habe eine Einzelkämpferausbildung - wie Hank. Hank und ich haben uns schon besprochen. Wir gehen als Zweimann-Team nach draußen. Am Jachthafen nehmen wir einen Wagen und fahren los. Joshua und Mary-Ann haben sich schon umgesehen. Es stehen fünf oder gar sechs Autos bereit, die wir nehmen können.«

»Und die Untoten?«, fragte eine Frau aus dem Hintergrund.

»In der Gegend halten sich nur wenige auf. Darauf sind wir vorbereitet, damit können wir umgehen. Wir werden morgen bei Tagesanbruch aufbrechen. Für die Nacht gilt ab jetzt Verdunklung. Hängt etwas vor die Fenster und haltet Wache. Beobachtet das nächstliegende Ufer und achtet darauf, ob jemand versucht, mit einem Boot überzusetzen.«

»Und wenn es Flüchtlinge sind, die vor den Untoten fliehen«, fragte wieder ein anderer.

Joshua warf Mary-Ann einen schnellen Blick zu. An ihrer Miene konnte er unschwer erkennen, dass sie es jetzt schon für einen Fehler hielt, mit den anderen Bewohnern der Inseln Kontakt aufgenommen zu haben. Sie stopften sich lediglich die Mägen voll und stellten dumme Fragen. Handlungsfreudig zeigte sich kaum einer. Sie wirkten eher desinteressiert - und auch arrogant ...

Eine ältere Dame stöhnte. Ein älterer Mann, der offensichtlich ihr Gatte war, meldete sich zu Wort. »Ich denke, wir anderen sollten jetzt wieder zurück auf unsere Inseln fahren. Es wird ja niemand verlangen, dass wir den Weg rudern. Momentan scheint es ja ruhig zu sein, und noch haben wir Sprit für den Außenbordmotor.«

Andere Stimmen pflichteten ihm bei.

Mary-Ann warf Joshua einen schnellen Blick zu. Lass sie nur fahren!, sagte dieser Blick. Das ist kein Verlust. Einige Minuten später hatte sich der große Wohnraum geleert. Lediglich die Familien Miller und Morrisson waren geblieben. Hank besprach sich mit seiner Frau Sadie, wogegen Tim und Francine Morrisson Mary-Ann dabei halfen, die Schüsseln, Teller und das restliche Geschirr in die Einbauküche zu tragen.

Huntington trat aus dem Hintergrund und schenkte Joshua und Candy einen nachdenklichen Blick.

»Das wird nichts mit den Leutchen«, sagte Hank Miller mit harter Stimme. »Die glauben, sie könnten sich hier verschanzen und die Situation einfach aussitzen. Einer meinte sogar, er wolle lieber Tennis spielen, als sich das hier anzuhören ... Es mag herzlos klingen, aber wir sollten an uns selbst denken. Vergesst sie.«

Er sah zu Candy. »Du hast zwei Kinder, wir und die Morrissons ebenso. Ich bin ein alter Zyniker, aber mir ist das Wohl unserer Kinder wichtiger als das Leben einiger alter blau gefärbter Schachteln und dickbäuchiger Manager, die noch immer glauben, dass sie sich ihre Sicherheit erkaufen können.«

Candy runzelte die Stirn. »Wieso erkaufen?«

Hank wirkte ungehalten. »Einer der Fettsäcke hat mich darauf angesprochen, ob ich für ihn den Bodyguard spielen könnte. Nein, Leute, wir sollten unter uns bleiben. Und auf ein nächstes Treffen kann ich auch verzichten. Keiner von denen kann rudern. Wenn die wieder alle mit ihren Bötchen übers Wasser kommen, können wir gleich ein Schild aufstellen: Hallo, ihr da draußen, hier sind wir!«

Keiner sagte etwas darauf.

Es war Edward Huntington, der wieder den Faden aufnahm. »Ich denke, Hank hat recht. Ich ging davon aus, dass sich auf den Inseln mehr jüngere Menschen aufhalten würden. Aber das ist es nicht alleine. Ich habe Mäuschen gespielt und mich umgehört. Die meisten der Inselbewohner haben sich ein Luxusleben aufgebaut. Sie hatten immer jemanden, der für sie die Kastanien aus dem Feuer geholt hat. Dieses Verhalten werden sie nicht so schnell ablegen, wenn überhaupt.« Huntingtons Wagenknochen traten hart hervor. »Diese Menschen bedeuten für uns eine zusätzliche Gefahr. Sie sind verweichlicht und egozentrisch. Sie würden uns bei der erstbesten Gelegenheit in den Rücken fallen.«

»Ganz meine Rede«, bestätigte Hank. Auch Candy nickte.

Mary-Ann sowie die Morrissons hatten sich zurück ins Wohnzimmer begeben. Die Unterhaltung war laut genug geführt worden. Sie hatten alles mithören können.

»Gut«, meinte Mary-Ann. »Ich denke, es macht auch keinen Sinn, die weiter entfernt gelegenen Inseln noch abzuklappern. Das kostet nur unnötig Zeit. Und die - denke ich - haben wir nicht mehr. Mittlerweile bin ich zu der Einsicht gekommen, dass es eine Schnapsidee war, sich auf den Inseln umzusehen. Irgendwie muss der Gutmensch mit mir durchgegangen sein ...« Sie lächelte giftig.

Joshua nickte zustimmend. Er musterte Huntington nachdenklich. Der Psychiater hatte sich in den letzten Wochen stark verändert. Begonnen hatte es, als damals Cybil in der Arena von Chesterville ums Leben gekommen war. Huntington hatte dieser Tage sehr viel mehr Biss, leider wirkte er stellenweise aber auch sehr viel kühler als der Mann, der ihn damals aus dem Gefängnis gerettet hatte. Joshua verdrängte die Gedanken. Sie alle hatten sich verändert, und keiner wusste, was noch werden würde. Wie sie sein würden, in Zukunft.

Tim Morrisson meldete sich zu Wort. »Wir bleiben für uns. Ich denke, dass es das Beste ist. Und auch keine neuen Versammlungen. Wenn einer von den anderen rüberkommen will, soll er es tun, wir werden sie kaum davon abhalten können. Ich für meinen Teil hoffe nur, dass keiner der Bonzen so blöd ist, den Außenbordmotor zu starten, ohne vorher zu kontrollieren, ob sich jemand am Ufer aufhält.«

Mary-Ann sah sich in der Runde um. Wohin sollten sie gehen, wenn es zu einem Angriff kommen sollte?

Francine Morrisson schien einen ähnlichen Gedanken zu haben. »Ich will nicht unken, aber wenn es zum Fall der Fälle kommt, können wir dann alle mit dem Hubschrauber mitfliegen?« Francine, eine Mittdreißigerin, die wie Mitte zwanzig aussah, wirkte äußerst beunruhigt.

»Grundsätzlich kein Problem«, erwiderte Candy mit verkniffener Miene. »Im Notfall kann die Bell 14 Passagiere mitnehmen. Das Problem ist, dass wir dann keinerlei oder nur wenig Lebensmittel und Ausrüstung mitnehmen könnten. Im Falle des Falles: Ja, wir kommen hier weg. Die Frage ist nur: Wohin soll es gehen ...?«

»Darüber können wir später nachdenken«, mischte sich Joshua ein. »Ich denke, das Wichtigste ist, dass wir herausbekommen, wer die Malls geplündert hat. Bis jetzt ist es der große Unbekannte im Dunkeln. Wer sind sie? Wie sind sie? Danach sehen wir weiter. Wenn es eine Gang ist, werden wir abwarten müssen, wie viele es sind.« Er schwieg für einen Moment. »Gut, Candy, du und Hank geht morgen also auf Erkundung. Ich denke, wir sollten hier so viele Pfeile wie möglich für die Armbrüste und Bögen anfertigen. Schusswaffenmunition dürften wir im Jachthafen keine mehr finden, da haben wir ja schon fast alles abgegrast. Wir verhalten uns ruhig, beobachten das Ufer.« Er wandte sich an die Kinder und bat sie herzukommen, doch Huntington winkte ab. »Ich habe schon mit ihnen geredet. Sie werden uns beim Besorgen der Äste helfen und abwechselnd mit den Feldstechern das Ufer kontrollieren. Macht ihr doch, Jungs, Mädels?« Er sah zu den Kindern, die begeistert nickten und möglicherweise das ganze für ein sehr spannendes Spiel hielten. Aber wer konnte schon in ein Kind hineinsehen? Was wusste man schon davon, wie Kinder eine solche Ausnahmesituation aufnehmen und verarbeiten konnten? The Kids in Zombieland ... Klang irgendwie trashig. Huntington sah kurz zum Fenster raus. Sie werden sich anpassen, wie wir alle - es geht nicht anders ...

Francine Morrisson und Sadie Miller sahen sich kurz an. Es war Sadie, die kurz darauf sagte: »Mary-Ann, wenn es dich nicht stört, werden Francine und ich einige Pakete mit Notrationen vorbereiten. Vielleicht müssen wir schneller von hier weg, als wir denken ...«

Mary-Ann lächelte. »Bewegt euch in meiner bescheidenen Hütte als wärt ihr Zuhause.« Sie mochte die beiden. Was schlimmer war, sie mochte auch Hank, etwas zu sehr vielleicht. Sie hielt besser Abstand zu ihm. Zum einen war da Joshua, zum anderen war Hank verheiratet, solcherlei Komplikationen hätten gerade noch gefehlt. Auch Candy hatte Hank ganz komisch angesehen, das war Mary-Ann nicht entgangen. Schnell verdrängte sie die Gedanken.

Joshua warf ihr einen sehr nachdenklichen Blick zu. Offensichtlich war es nicht unbemerkt geblieben, dass sie Hank einmal zu oft zu gründlich gemustert hatte. Sollte sie Joshua darauf ansprechen? Nein. Mary-Ann entschied sich dagegen. Schlafende Hunde sollte man nicht wecken. Es war ja gar nichts passiert. Und es würde auch nichts passieren, das war sie sich selber schuldig, ihrer Integrität.

»Lässt du auch Fremde ans Steuer deiner Bell?«, riss sie die Stimme von Hank aus den Gedanken. Die Frage war an Candy gerichtet.

»Du kannst einen Hubschrauber fliegen?«

»Ja. Ist zwar lange her, aber ich denke, es schadet nichts, wenn du mir eine Einweisung gibst. Ich denke, ich bin noch nicht ganz eingerostet, aber besser ist besser.«

Candy nickte. »Aber natürlich. Hast du Einsätze bei der Army geflogen?«

Ein Schatten schien über Hanks Gesicht zu huschen. »Nein. Ich habe aus Lust und Laune privat den Schein gemacht. Früher bin ich öfters geflogen, aber irgendwann war dann keine Zeit mehr dafür.«

»Okay. Wenn wir zurück sind, gehen wir die Kontrollen durch.«

Hank nickte nur.

»Er gefällt dir«, raunte Joshua, der neben Mary-Ann getreten war, ihr ins Ohr.

Mary-Anns Wangen röteten sich wie bei einem Schulmädchen, das man bei einem verbotenen Kuss ertappt hatte.

Joshua legte ihr die Hand auf den Arm. »Ist okay. Machen wir keine große Sache daraus. Ich finde ja auch Candy ziemlich cool. Anschauen, Appetit holen - aber nicht anfassen - oder?«

Mary-Ann erwiderte sein Lächeln. Sie kam sich albern vor, daher sagte sie nichts.

Candy wiederum entging nicht, dass Sadie Miller ihr einen skeptischen Blick zuwarf. Candy wusste, dass sie eine sehr attraktive Frau war. Tough, selbstsicher, unabhängig. Hank war nicht ihr Typ, vielleicht weil er selbst zu dominant war. Trotzdem hatte er was. Möglicherweise, weil er so ganz anders als ihr ermordeter Mann war. Du belügst dich selbst, sagte sie sich. Hank war sehr wohl ihr Typ - vielleicht versuchte sie sich gerade deshalb einzureden, dass sie nicht zusammenpassten.

Edward Huntington betrachtete sehr nachdenklich die Anwesenden. Es würde zu Spannungen kommen. Zu viele attraktive Männer und Frauen in einer sterbenden Welt. Menschen, die Schutz suchten, Nähe, vielleicht Zärtlichkeit. Oder profanen Sex.

Man war sich sympathisch, man war sich sehr schnell nähergekommen. Vielleicht zu schnell. Die Zukunft würde es zeigen. Huntington drängte die Gedanken zurück. Zuerst mussten sie herausfinden, was im Umfeld vor sich ging. Die latente Bedrohung dort draußen war wohl doch nicht das Schlechteste, sie lenkte ab, machte fokussiert auf das Morgen, den möglichen Angriff.

Wie ich das hasse, sagte sich Huntington. Waren sie mittlerweile derart paranoid, in allem und jedem einen potenziellen Feind zu sehen? Huntington horchte in sein Inneres. Die Antwort lautete schlicht und ergreifend JA, doch es war keine Paranoia, und das war das Schlimmste daran, es war die Realität in der Zeit der Untoten. Er musste sich selbst auf andere Gedanken bringen. Er würde mit den Kindern reden.

Tempus Z

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