Читать книгу p¡r@t€Z - Jo L.L. Roger - Страница 19

0b0001100: [Think big]

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Der süßliche Geruch von Schweiß und Energydrinks liegt in der Luft. Im Zimmer herrscht eine trockene Hitze. Martin und Carl sitzen vor den Computern. Gekonnt fährt Martin mit flinken Handbewegungen über das Grafiktablett.

„Probier mal diese Version unseres Logos“, unterbricht ihn Carl. „Jetzt sollte die Farbseparation stimmen.“

„Danke.“

„Kannst du die Schriftart ersetzen?“

„Keine Sorge! Times New Roman fliegt auf alle Fälle raus.“ Carl öffnet Martins unendlich erscheinende Sammlung von Schriftschnitten. Während er durch das Verzeichnis scrollt, stößt er einen Seufzer aus. „Wie behältst du eigentlich den Überblick über die Schriftarten?“

„Guck einfach in die Referenzordner, da liegen Bilder mit Beispielen der Schriften alphabetisch sortiert und nach Schriftfamilien gruppiert.“

„Verstehe.“

Martin zuckt zusammen, als es an der Haustür klingelt. Bedächtig legt er den Stylus zur Seite und steht auf. „Mist!“ Er wirft einen Blick auf seine Uhr. „Sie ist zu früh.“

„Sie?“

„Meine Freundin.“

„Aha, das große Mysterium!“

„Ha! Ha!“ Mit hängenden Schultern schlurft Martin zur Tür. Carl schaut ihm für einen Augenblick hinterher, bevor er sich auf die Suche nach einer neuen Schriftart macht. Wenig später hört er die Klingel der Wohnungstür. Gemeinsam mit einem dünnen Mädchen mit kurzen, pink gefärbten Haaren und graublauen Augen betritt er das Zimmer. Ihn erinnert das Gesicht des Mädchens ein wenig an Kiki. Carl mustert sie aufmerksam. Sie trägt eine schwarze Leggings unter dem bunten Longshirt. Er bemerkt sofort, dass sich ihre Nippel deutlich darunter abzeichnen. Ihr übertriebenes Make-up könnte aus einem Manga stammen. Sie streckt ihm die Hand entgegen. „Hallo! Ich bin Aiko.“

„Hallo, Aiko!“ Er drückt die Hand. „Ich bin Carl.“

„Martin hat bereits viel von dir erzählt!“

„Hat er das?“

„Ja, aber natürlich nur Gutes“, antwortet sie mit einem Zwinkern.

„Wir brauchen noch ein bisschen“, entschuldigt sich Martin bei ihr.

„Kein Problem. Hast du neue Hefte?“

„Liegen drüben im Regal.“

Aiko wirft den Hello Kitty Rucksack auf Martins Bett. Auf dem Weg zum Bücherregal schlüpft sie aus den Flipflops. Dabei bemerkt Carl, dass sie die Fußnägel passend zur Frisur und den Fingernägeln pink lackiert. Er verfolgt Aiko für wenige Momente aus den Augenwinkeln. Das Mädchen setzt sich mit einem Manga auf die Couch. Sie blickt kurz zu Martin und Carl hinüber. Er sieht zu Boden. Sie grinst ihn daraufhin frech an. Aiko zwinkert ihm nochmals zu, als er wieder aufsieht. Ohne ihm weitere Beachtung zu schenken, schlägt sie ihr Comic auf und beginnt darin zu schmökern. Genüsslich streichelt sie sich beim Lesen des Hefts im Schritt. Carl schüttelt unwillkürlich den Kopf. Er richtet seine Aufmerksamkeit auf den Monitor.

„Hast du einen Font gefunden?“, fragt Martin, der konzentriert in die Röhre starrt.

„Wie gefällt dir diese Schrift?“

Er blickt kurz auf Carls Monitor. Zögerlich betrachtet er den Schriftschnitt. Gedankenverloren lässt er den Stylus durch die Finger rotieren. „Findest du die Schriftart nicht zu freaky?“

„Nein, die macht sich bestimmt gut auf Schwarz.“

„Okay! Ich probier sie mal aus.“

„Kann ich Vincent anrufen?“

„Klaro, bedien dich.“

Carl greift zu Martins Telefon. Nach mehrmaligen Klingeln hebt dessen Mutter am anderen Ende ab. „Ja, hier S.!“

„Hallo, hier ist Carl C. Ist Vincent zu Hause?“

„Ach hallo, Carl! Der war vorhin kurz hier. Ist dann aber gleich wieder gefahren. Ich glaube, er wollte etwas bei Martin abholen.“

„Vielen Dank für die Information. Ich werde ihn dort treffen.“

„Gern geschehen.“

Carl legt auf und schiebt das Telefon zurück neben den Monitor. Martin bearbeitet die letzten Details. „Vincent ist bereits unterwegs.“

„Hm“, murmelt Martin.

„Wie sieht’s mit den Ausdrucken aus?“

„Ich schmeiße sie gerade an.“ Der farbige Tintendrucker setzt sich behäbig in Bewegung. „Will jemand Bull oder Cola?“, fragt er in die Runde.

„Nein danke, ich schwebe längst fünf Zentimeter über dem Boden“, entgegnet Carl.

„Willst du etwas aus der Küche, Prinzessin?“

„Ein Helles wäre lieb.“

„Kriegst du.“ Gemächlich verlässt Martin das Zimmer. Aiko legt den Manga beiseite, um sich zu strecken. Da Carl sie nicht beachtet, geht sie zum Schreibtisch, wo er erste Designentwürfe für Flyer und Plakate begutachtet. „Was macht ihr Schönes?“, fragt sie.

„Poster für unsere LAN-Party.“

„Darf ich gucken?“

Carl schiebt einen frischen Ausdruck in ihre Richtung. Sie nimmt das Blatt mit dem bunten Entwurf in die Hände.

„Schaut nett aus, aber ich verstehe kein Wort davon.“

„Dann bist du leider kein Computerfreak!“

„Zum Glück!“ Aiko tritt einen weiteren Schritt an Carl heran, sodass sie in beinahe berührt. Er riecht den intensiven Duft des süßlichen Parfums. „Martin hat erzählt, dass ihr Leute braucht, die bei eurer Party mithelfen.“

„Wir benötigen noch ein paar Jungs für die Security.“

„Habt ihr auch einen Job für ein Mädchen? An der Kasse oder der Bar oder so?“

„Möglicherweise.“

„Möglicherweise?“

„Du musst über achtzehn sein, da es sich um Nachtarbeit handelt.“

„Schade!“, Aiko beugt sich nach vorne, um den Ausdruck zu den anderen zu legen. Dabei lehnt sie ihren Oberkörper an Carls Schulter, bis sie ihn mit den Brüsten berührt. Er dreht sich reflexartig zur Seite. „Du bist ziemlich schreckhaft“, stellt sie lachend fest. Ihm fehlen darauf die passenden Worte. Aiko streicht ihm mit der Fingerspitze des Zeigefingers über den Unterarm, während sie sich aufrichtet. „Willst du für mich kein Auge zudrücken? Schließlich werde ich übernächsten Monat achtzehn.“

„Tut mir leid, die Entscheidung liegt nicht bei mir.“

„Schade.“ Zurück auf Martins abgewetztem Sofa zieht sie das Longshirt für einen Moment nach oben, um Carl den flachen Po zu präsentieren. „Kannst es dir noch überlegen!“ Aiko legt eine Hand demonstrativ in den Schritt. „Ich würde mich freuen, wenn ich mithelfen könnte. Wird dir bestimmt gefallen, falls ich auch dabei bin.“ Ungläubig starrt Carl die Freundin seines Freunds an. Instinktiv dreht er sich zum Schreibtisch und sortiert die getrockneten Ausdrucke.

„Wie sehen unsere Entwürfe aus?“, fragt Martin, während er Aiko eine Bierflasche in die Hand drückt.

„Gute Arbeit, Mr. Pixel!“

„Danke, danke!“

„Wie viele Poster brauchen wir?“

„Wenn wir 100 Stück bekommen könnten, wäre es ziemlich geil! Dann können wir damit die Eingangsbereiche aller Schulen und Unis tapezieren.“

„Ist das nicht ein wenig großkotzig?“

„Findest du?“

„Schon! Ich hab eigentlich keine Böcke draufzuzahlen.“

„Ich bin da völlig optimistisch, dass am Ende etwas übrig bleibt, schließlich beuten wir unser Personal aus.“

„Was zahlt ihr denn?“, fragt Aiko.

„Nichts“, erwidert Carl.

„Echt?“, stellt sie überrascht fest. „Wer tut sich denn so etwas an?“

„Seine Freunde“, entgegnet Martin.

„Immerhin werden wir auf der Party Spaß haben. Am Ende wird die Kohle gerecht aufgeteilt, wenn etwas übrig bleibt.“

„Falls etwas übrig bleibt“, seufzt Martin.

Aiko stellt die Bierflasche auf den Couchtisch und steht auf. „Ich muss mal aufs Töpfchen“, antwortet sie auf Martins fragenden Blick. „Ihr solltet mal lüften, hier riecht es wie in einem Jungszimmer. Das macht mich total wuschig.“

„Aye, aye, Chefin“, erwidert ihr Freund. Bevor er das Fenster öffnet, starrt er dem Mädchen beim Verlassen des Zimmers lustvoll auf den Po. Carl sieht ihn verwundert an. „Was denn? Hast du deiner Kleinen noch nie auf den Hintern geguckt?“

„Natürlich, aber meine Freundin ist auch kein Kind mehr.“

„Was soll das denn heißen?“

„Wie alt ist Aiko? Die ist doch keine fünfzehn, geschweige den siebzehn, wie sie behauptet?“

Martin schluckt erst, dann atmet er tief durch. Er blickt seinen Freund verunsichert an. Ängstlich trottet er vom Fenster zum Schreibtisch zurück. Carl starrt ihn unaufhörlich an.

„Sie hat übernächsten Monat Geburtstag“, Martin räuspert sich, „und wird vierzehn.“

„Vierzehn?“

Martin nickt.

„Steigst du mir ihr in die Kiste?“

Martin nickt nochmals.

„Irgendwann gehst du für so etwas in den Knast.“

„Aber wir lieben uns doch! Außerdem ist sie deutlich reifer als du denkst!“

„Du bekommst spätestens dann Ärger, wenn ihre Eltern von euren Abenteuern erfahren.“

„Glaub ich kaum. Wir konnten es bisher ganz gut vor ihrer Mutter geheim halten, da die mehr mit ihrem eigenen Beziehungschaos beschäftigt ist und sich nicht wirklich um Aiko schert. Außerdem ist es dieses Mal eine ernsthafte Beziehung.“

„Ich hoffe für dich, dass sie deine Gefühle teilt.“

„Das tut sie.“

„Sie ist trotzdem ein gewisses Sicherheitsrisiko, wenn du ihr fröhlich von unseren Hobbys verrätst.“

„Glaubst du etwa, ich posaune in der Gegend herum, dass ich Münchens größter Raubkopierer bin?“

„Wer weiß? Vielleicht erzählst du so etwas, um vor kleinen Mädels anzugeben oder sie ins Bett zu bekommen?“

„Nein!“ Martin schüttelt vehement den Kopf. „Sie weiß nur, dass ich gern Videogames zocke, Animes runterlade und Webdesign mache. Sonst hat sie keine Ahnung von dem, was wir im Internet treiben.“

„In Ordnung.“

„Gelegentlich schauen wir gemeinsam Pornos, aber das war’s dann auch!“

Carl zieht eine Grimasse. „Erzähl mir jetzt bloß nicht, dass ihr euch dabei filmt?“

„Nein!“

„Ich bin doch kein Perversling wie Vincent!“

„Dreht der Typ eigene Filmchen?“

„Wer weiß? Wundern würde es mich nicht. Falls Claudia mitmacht, sind die bestimmt ganz reizvoll.“

Wortlos blickt Carl seinen Freund an. Da Aiko von der Toilette zurückkommt, deutet er auf ein Blatt mit verschiedenen Varianten von Flyern. „Welchen sollen wir nehmen?“, fragt Martin.

„Irgendwie bin ich noch hin- und hergerissen.“

„Wir könnten auch mehrere Versionen drucken!“

„Das wäre eine ziemlich coole Idee.“

„Gut, dann schau ich, dass ich die morgen gedruckt bekomme.“

„Arbeitet ihr samstags?“

„In der Regel ist nur der Boss am Wochenende in der Druckerei, aber für meinen Privatscheiß darf ich natürlich reinkommen, falls nix los ist. Der freut sich sogar, wenn er nicht allein im Laden sein muss.“

„Schaffst du davon bis Ende nächster Woche 5000 Stück?“

„Müsste klappen. Außer wir bekommen kurzfristig etwas Großes rein, aber das kann ich mir kaum vorstellen.“

„Du hast morgen keine Zeit für mich?“, fragt Aiko dazwischen.

„Erst am Abend.“

Sie verzieht die Miene. Da es erneut an der Haustür klingelt, ignoriert Martin seine Freundin. Er eilt zur Tür. Mit betrübtem Gesichtsausdruck setzt sie sich mit dem Manga und der Bierflasche auf Martins Bett. „Du bist ganz schön gemein zu mir!“, tadelt sie Carl.

„Bitte?“

„Warum lässt du meinen Freund am Wochenende schuften, wenn er eigentlich mir gehört?“

„Frag doch deinen Freund, weshalb er in der Freizeit auch andere Leute sehen will.“

„Du hast was gegen mich, oder?“

„Nein, wieso sollte ich?“

„Dann lass mich bei eurer Party mithelfen, wenn du mir schon meinen großen Teddybären am Wochenende klaust.“

Carl schüttelt den Kopf. „Falls du bei der LAN-Party zugucken möchtest, darfst du nachmittags gerne vorbeischauen. Ich kann dich trotzdem nicht in der Nacht arbeiten lassen.“

Aiko zieht die Mundwinkel nach unten. Sie rutscht auf die Bettkante, damit sie die Schenkel möglichst weit spreizen kann. Carl beobachtet sie argwöhnisch. Da sie seine Reaktion bemerkt, hebt sie das Shirt, damit er ihren flachen Bauch sieht. „Falls du morgen Vormittag Zeit hast, könnte ich dich ganz lieb umstimmen.“ Genüsslich fährt sie mit dem Zeigefinger über ihre Schamlippen, die sich unter der engen Leggings deutlich abzeichnen. Carl lacht los, bevor er sich wieder zum Rechner wendet. „Du bist doch noch ein Kind!“ Schmollend dreht sie ihm den Rücken zu, obwohl er sie längst nicht mehr beachtet. Nachdem es ein weiteres Mal an der Wohnungstür klingelt, betreten Vincent und Martin das Zimmer. Vincent trägt eine olivgrüne Bundeswehruniform. Da ihn Martin genötigt hat, die Stiefel an der Tür auszuziehen, wirkt das Outfit etwas lächerlich. Carl steht sofort auf, um ihn per Handschlag zu grüßen. „Hallo, großer Krieger!“

„Hi, vaterlandsloser Geselle!“

„Wie läuft’s bei der Elite der Nation?“

„Die Grundi ist ganz lustig, aber insgesamt ist es recht öde.“

„Du hättest auch verweigern können.“

„Alten Leuten den Popo abwischen ist nicht mein Ding. Den Spaß überlasse ich Martin.“

Da sich Aiko zu den Jungs umdreht, um einen Blick auf Vincent zu werfen, bleibt Martin wie angewurzelt in der Zimmertür stehen.

„Wen haben wir denn hier?“, fragt Vincent.

„Das ist Aiko“, klärt ihn Martin auf.

Vincent bleibt bei Carl stehen, betrachtet sie aber neugierig. „Hallo! Ich bin Vincent!“

„Hey!“

„Du bist also die geheimnisvolle Neue.“

„Ja!“ Aiko zeigt den Männern nach der Begrüßung die kalte Schulter.

„Lass mal die Logos sehen.“

„Hoffe dir gefällt unser Design“, beginnt Carl. Umständlich schlängelt sich Martin um die beiden zum Schreibtisch zurück. Er wirft einen kurzen Blick auf die Ausdrucke, bevor er ihm ein Blatt in die Hand drückt. „Das sind die Flyer, die wir bis übernächste Woche verteilen wollen, um noch ein paar Leute vor Ferienbeginn abzugreifen.“

„Die schauen spitzenmäßig aus. Fast wie vom Profi.“

„Am Tintenpinkler kommen die nicht gut.“ Martin deutet auf seinen Monitor. „So sehen sie am Rechner aus.“

„Du solltest so etwas wirklich beruflich machen, Mr. Pixel.“

„Das hatte ich eigentlich vor.“

Anerkennend klopft ihm Vincent auf die Schulter. „Kommst du mit zu Christoph?“

„Nein, hatte ich nicht vor.“

„Darfst deine Kleine auch mitbringen.“

„Lieber nicht“, druckst Martin herum, „wir haben bereits Pläne.“

„Dann wünsche ich viel Spaß!“, antwortet er ihm. An Carl gerichtet fährt er fort: „Können wir fahren? Ich will noch zum Mäckie. Ich hab heute den Kasernenfraß geschwänzt.“

„Bin gleich so weit.“ In aller Seelenruhe packt Carl die Ausdrucke in eine Mappe, bevor er sie im Rucksack verstaut. Martin reicht ihm einige CDs. „Mit denen bin ich durch. Wäre echt cool, wenn ich die Scheiben von heute noch etwas behalten könnte.“

„Kein Stress! Seitdem meine Kiste bei Brigitta steht, weiß ich nicht wohin mit dem ganzen Zeug.“

„Danke!“

„Dann bis nächste Woche!“, verabschiedet er sich von Martin.

„Wir sehen uns.“

Vincent dreht sich beim Verlassen des Zimmers zu Aiko. „Viel Spaß bei der Biologie-Nachhilfe.“

Sie sieht mit leicht errötetem Gesicht zu Vincent auf. „Martin ist ein braver Schüler.“

„Das freut mich für ihn!“, lobt Vincent. „Bei Gelegenheit könntest du mir die Sache mit den Bienchen und Blümchen vielleicht auch mal erklären.“

„Vielleicht?“, erwidert Aiko mit einem spöttischen Grinsen.

* * *

Die E-Klasse biegt von der Landstraße auf das Gelände des Reiterhofs. Vincent steuert den Wagen über einen Kiesweg vorbei an den Besucherparkplätzen. Er stoppt vor dem Werkstattschuppen gegenüber der Reithalle. Vor dem Rolltor des Schuppens stehen mehrere schwarz lackierte Spanplatten zum Trocknen. Noch bevor Vincent den Motor abstellt, steigt Carl aus. Vincent bleibt sitzen und stopft die letzten Nuggets aus seiner McDonalds Tüte in sich hinein. Unterdessen betritt Carl die Werkstatt, in der BlitzKey, Christoph und Brigitta Spanplatten bearbeiten. Vorbildlich tragen sie Handschuhe, Ohrenschützer, Schutzbrillen und Atemschutz. Nachdem BlitzKey den Besucher bemerkt, gibt er Christoph ein Handzeichen. Die Kreissäge in der Ecke verstummt. Brigitta, die eine Platte am anderen Ende des Schuppens lackiert, dreht sich ebenfalls zu ihm. Carl hebt die Hand zum Gruß, doch BlitzKey scheucht ihn sogleich nach draußen. Christoph und Brigitta schließen sich den beiden an. Im Freien legen sie die Schutzausrüstung ab.

„Servus, Leute! Ihr seid ja richtig fleißig.“

„Hallo, mein Großer!“, begrüßt Brigitta ihren Freund. Vorsichtig streckt sie sich ihm entgegen, um ihn zu küssen, ohne seine Kleidung mit Lackresten oder Sägespänen zu verschmutzen.

„Hallo, Carl“, schließt sich Christoph an.

„Hi! Wo ist Vincent?“

„Schiebt sich gerade noch Fritten rein.“

„Hättest vorher was gesagt, dann hätten wir Pizza bestellen können“, erwidert Christoph.

„Kennst ihn doch. Wenn er Hunger bekommt, wird er zum Tier!“

Da er die anderen vor dem Schuppen bemerkt, steigt Vincent ebenfalls aus. Eilig nähert er sich der Gruppe. „Hallo, Leute! Waren die Arbeiterbienchen fleißig?“

„Die haben zu dritt ganz schön was weggeschafft.“

„Wunderbar, dann kann bei der LAN-Party eigentlich nichts mehr schiefgehen.“

„Wer will Bier, Limo oder Cola?“, fragt Christoph in die Runde.

„Ich brauch jetzt ein Bier“, bettelt Vincent, „um die trockenen Nuggets runterzuspülen.“

Christoph schaut die anderen reihum an, um deren Antworten zu hören.

„Cola.“

„Cola.“

„Cola!“

Sogleich verschwindet er in der Werkstatt. Während sie auf die Getränke warten, setzt sich Brigitta neben dem Schuppen auf die Rückenlehne einer Holzbank und öffnet das viel zu kurze Pferdeschwänzchen. Nachdem sie die Haare ausgeschüttelt und von Sägespänen befreit hat, streicht sie diese mit dem Haarreif zurück. BlitzKey klopft sich ebenfalls Sägespäne aus der Kleidung, bevor er auf der Bank Platz nimmt. Vincent bleibt militärisch bequem stehen. Carl setzt sich zu seiner Freundin. Stolz holt er die Ausdrucke der Flyer und Posterentwürfe aus dem Rucksack, die ihm BlitzKey und Brigitta förmlich aus der Hand reißen. „Mr. Pixel hat sich mal wieder selbst übertroffen!“, lobt Vincent die Entwürfe.

„Yo! Sieht alles recht stylish aus“, stimmt BlitzKey zu. Christoph kommt mit den Getränken zurück. Er verteilt die Flaschen und hebt seine Limonade zum Toast. „Auf unsere erste echte Computerparty! Auf die Wake Up! 1996.“

„Auf die New Economy und ihre Unternehmer!“, verkündet Vincent. Gemeinsam stoßen miteinander an.

„Hältst du uns für New Economy?“, fragt Carl.

„Irgendwie sind wir das doch? Direkt nach dem Abitur mal eben mit Webdesign und LAN-Partys Geld verdienen ist alles andere als Old School?“

„Hört, hört, da spricht der zukünftige Wirtschaftswissenschaftler“, feixt BlitzKey.

„Wahre New Economy Unternehmer brauchen Venture Capital und gehen an die Börse“, wirft Carl ein.

„Wart‘s ab! Wenn ich bei den Olivgrünen fertig bin und Martin genügend Ärsche im Altersheim abgewischt hat, starten wir mit dem Webdesign richtig durch.“

„Seid ihr dafür nicht etwas spät dran?“, fragt Christoph.

„Ach was! Deutschland hinkt doch immer ein paar Jahre hinterher. Wir kopieren einfach die erfolgreichen Amis und sacken damit die fette Kohle von den planlosen Bankheinis ein.“

„Zuerst sollten wir mal die Party durchziehen, bevor wir weiterträumen“, erwidert Carl.

„Du alter Pessimist!“

„Vincent, ich will dir deine Partylaune nicht verderben“, mischt sich BlitzKey in das Gespräch, „aber Carl hat vollkommen recht. Wir sollten erst mal die Wake Up! über die Bühne bringen. Wir brauchen noch immer ein paar Leute, um das Ganze überhaupt stemmen zu können.“

„Wer fehlt denn noch?“

BlitzKey stellt die Cola auf der Holzbank ab, um einen Notizblock aus einer seiner Hosentaschen hervorzukramen. Er blättert durch die Notizen, bis er die Liste mit den Helfern findet. „Also“, er versucht das Gekritzel zu entziffern. „Wir benötigen mindestens zwei Leute für Bar und Kasse. Außerdem brauchen wir jemanden, der ein wenig Ahnung von Technik hat, um beim Aufbau und Support zu helfen. Außerdem noch zwei oder drei als Security.“

„Hast du meine Schwester bereits auf deiner Liste?“, fragt Brigitta.

„Du hast eine Schwester? Ist die auch ein Computer Genie?“, erwidert Vincent.

„Nein, die ist normal. Sie kellnert aber gelegentlich neben der Ausbildung.“

„Ist sie über achtzehn?“, hakt BlitzKey nach.

„Ja.“

„Gut, dann hätten wir die Bar besetzt, falls Thorsten mit seiner Frau kommt.“

„Hat er Steffi gefragt?“, fragt Carl.

„Keine Ahnung? Kennst doch den Bärtigen! Wahrscheinlich sagt er ihr fünf Minuten vorher Bescheid, dass sie mithelfen soll.“

„Das ist meine Befürchtung.“

„Sie macht aber trotzdem immer mit.“

„Hoffen wir’s mal.“ Nachdenklich sieht Carl in die Runde. „Kennt ihr noch jemanden, der aushelfen könnte?“

„Spidi müsste bereits bei der Marine sein“, spekuliert Vincent.

„Auf den kann ich gerne verzichten“, entgegnet Carl. Brigitta drückt ihren Freund daraufhin sanft.

„Von Ludwig habe ich seit dem Abi nichts mehr gehört. Peter macht die Grundausbildung im Ruhrpott. Tim wollte erst seine Verwandtschaft in den Staaten besuchen, bevor er mit dem Zivi anfängt“, erklärt BlitzKey.

„Die anderen Leute aus unserem Abi-Jahrgang haben von Computern leider zu wenig Ahnung“, resigniert Carl.

„Ich könnte einen Kommilitonen fragen, ob er Interesse hat. Der würde gut zu uns passen, da er leidenschaftlich zockt und ein ziemlicher Netzwerkcrack ist“, schlägt Brigitta vor.

„Das klingt interessant. So jemand ist immer gern gesehen“, lobt BlitzKey.

„Du könntest doch in der Uni einen Aushang machen, oder?“, fragt Christoph.

„Klaro, auf der Jobbörse im Intranet finden sich bestimmt ein paar Leute.“

„Was wären wir nur ohne dich“, antwortet Carl.

Brigitta errötet. BlitzKey kritzelt einige Bemerkungen in das Notizbuch. „Haben wir eigentlich irgendwelche Voranmeldungen?“

„Eine ganze Menge.“

„Was glaubst du wohl, warum wir die nächsten New Economy Größen sind!“, unterbricht Vincent.

„Momentan sind es gut hundert Anmeldungen, von denen die Hälfte bereits ihre Tickets bezahlt haben.“

BlitzKey reißt die Augen weit auf.

* * *

Gemeinsam mit BlitzKey trägt Brigitta die letzte Spanplatte vor die Werkstatt. Christoph beginnt, die Sägespäne am Boden abzukehren, während Vincent und Carl auf der Holzbank herumlümmeln. Nachdem die lackierte Holzplatte vor dem Schuppen steht, holt Brigitta ihre Tasche. „Wir können fahren!“, verkündet sie. Carl erhebt sich von der Bank und sieht Vincent an. „Wir sehen uns nächstes Wochenende, um die Räumlichkeiten und Kabelwege im Sportzentrum auszukundschaften?“

„Aber sicher! Brauchst nicht glauben, dass ich einen Moment länger als nötig in der Kaserne bleibe.“

„Bis dann!“ Carl folgt Brigitta mit einigem Abstand zum Twingo. Bevor sie ins Auto steigt, kontrolliert sie die Kleidung auf Lackreste und Holzspäne.

„Dein Rücken ist sauber.“

„Danke! Können wir fahren?“

„Lass uns abhauen, bevor das hier zu einem Saufgelage ausartet.“ Die beiden werfen ihre Taschen in den Kofferraum. Während Brigitta den Twingo vorsichtig an der Holzbank vorbeizirkelt, salutiert Vincent vor den beiden.

Beim routinierten Griff zur Bierflasche bemerkt er, dass sie mittlerweile leer ist. Missmutig steht er auf, um sich im Schuppen zu bedienen.

„Schau an, wen es in die Werkstatt verschlägt“, lästert Christoph.

„Ich gönn mir noch eins. Schließlich habe ich unser Land die ganze Woche gegen die Russen verteidigt.“

„Alter, dir tut das olivgrüne Leben nicht gut“, erwidert BlitzKey.

„Hihi! Das merke ich inzwischen auch.“

„Ihr könnt euch drüben im Haus Bier aus der Küche holen, wenn wir zu mir rüberlatschen“, beschwert sich Christoph, da sich BlitzKey ebenfalls am Kühlschrank bedient, „dann muss ich hier nicht ständig auffüllen.“

„Sorry! Sind die CDs eigentlich schon gebrannt, um die ich dich letztens gebeten habe?“, fragt Vincent.

„Ja, die liegen bei mir im Zimmer.“

„Was habt ihr Neues?“, hakt BlitzKey auf dem Weg zum Wohnhaus nach.

„Seitdem Carl seine Kleine hat, will er mir keine Pornos mehr brennen“, schimpft Vincent.

„Hahaha, die beiden sind ziemlich spießig, was das angeht“, amüsiert sich BlitzKey.

„Ist mir eigentlich egal, ob sie ihn ranlässt oder nicht. Viel schlimmer als mit Kiki und ihrer Dauererschöpfung vom ständigen Training kann’s kaum sein.“

BlitzKey schüttelt sich unwillkürlich.

„Willst du auch eine Kopie von den CDs haben?“, fragt Christoph.

„Kein Bedarf! Falls wir Spaß wollen, können wir gerne mal wieder nach Tschechien fahren, aber irgendwelche Bilder oder pixelige Filmchen sind nichts für meine Nudel.“

„Wenn wir die Party hinter uns gebracht haben, gönnen wir uns eine kleine Tour rüber.“

„Darauf hätte ich auch mal wieder Lust“, fügt Vincent hinzu.

Die drei Männer bleiben vor der Tür zum Wohnhaus stehen. BlitzKey beginnt, den geparkten Motorroller startklar zu machen.

„Kriegst du keine Probleme mit Claudia?“, hakt Christoph nach.

„Papperlapapp, die bleibt zu Hause am Herd oder stopft Socken.“

„Das hat sich beim letzten Trip nach Cheb aber anders angehört.“

„Da hat sie mich auch noch nicht genervt!“

BlitzKey leert seine Bierflasche mit einem kräftigen Schluck und rülpst laut. Er wischt sich den Mund ab. Eilig stellt er die Flasche neben der Treppe vor der Haustür ab. Christoph seufzt hörbar. Umständlich zieht sich der Langhaarige die Lederjacke über und greift zum Helm, der auf dem Sitz des Rollers liegt. „Ich komm morgen gegen elf vorbei, falls es dir passt?“

„Elf ist gut.“

„Wünsch euch noch einen schönen Abend, Leute!“ BlitzKey setzt den Helm auf, schwingt seinen Körper wenig elegant auf den Motorroller und prescht mit Schlangenlinien über den Innenhof. Christoph nimmt die leere Bierflasche und bittet Vincent ins Haus.

* * *

Im Zimmer unter dem Dach ist es schwülwarm. Die mit Eichenholz verkleidete Dachschräge wirkt im dunkelroten Licht der untergehenden Sonne bedrückend eng. Vincent sitzt vor Christophs Rechner, der auf einem Computertisch neben dem eigentlichen Schreibtisch steht. Ungeniert sucht dieser in seiner Unterwäsche im Kleiderschrank nach sauberer Kleidung. Vincent stiert in den Monitor, auf dem er verschiedene Fotoserien mit nackten Frauen begutachtet. Meist handelt es ich um unvollständige Bilderserien, die von kommerziellen Websites stammen. Als er auf ein Set eines blonden Erotikmodels mit kinnlangen Haaren stößt, winkt er Christoph zu sich. „Haha, die Schlampe hier sieht beinahe wie Brigitta aus.“ Er blättert einige Bilder weiter, bis er zu einem Foto kommt, auf dem das Model mit einem Dildo spielt. „So möchte ich Carls Kleine auch mal sehen! Ein Riesendildo zwischen den Beinen könnte der nicht schaden.“

„Du bist geschmacklos!“

„Ach was! Ein wenig Spaß muss sein. Wahrscheinlich ist Carls Computermaus noch Jungfrau, weil die beiden vor lauter Zocken keine Zeit dafür haben.“

Christoph schüttelt den Kopf, während er sich eine Jeans anzieht. Nachdem er ein T-Shirt im Schrank gefunden hat, geht er zum Rechner, um das Foto genauer zu betrachten. „Du brauchst eine Brille, die sieht nicht mal ansatzweise wie Brigitta aus.“

„Na egal, trotzdem geiles Foto.“

„Ja.“ Christoph zieht das saubere T-Shirt über. „Nur schade, dass die Serien unvollständig sind. Die wirklich scharfen Bilder fehlen in der Regel.“

„Das ist echt Scheiße!“

Christoph nickt zustimmend.

„Vielleicht sollten wir eine Release Group für Pornos starten?“

„Wie kommst du darauf?“

„Gibt bestimmt einen Haufen Leute, die sich Bilder oder Videos reinziehen wollen.“

„Warum so umständlich? Geh halt auf die Site, von der das Foto stammt.“

„Das ist dann doch keine Raubkopie!“, beschwert sich Vincent.

„Na und? Würdest du wirklich lieber ewig nach einem einzelnen fehlenden Pic suchen?“

„Selbstverständlich nicht, aber Pornosites sind sauteuer!“

Christoph zuckt mit den Schultern. Er holt sich einen Hocker. „Geh doch auf die Homepage von dem Anbieter und schau nach, was die Bilder kosten.“ Vincent blickt Christoph verunsichert an. Die Neugierde ist stärker als die Zweifel, sodass er die Adresse, die in einer Ecke des Fotos steht, in den Browser eintippt. Nach wenigen Sekunden landen die beiden auf einer schrill bunten Website, auf der Unmengen von Bildern angeboten werden. Sofort klickt Vincent auf die Beispielfotos der Darstellerinnen. Als er die Fotoserie entdeckt, die er gerade am PC betrachtet, folgt er den Links zum persönlichen Bereich des Models. Er scrollt vorbei an winzigen Vorschaubildchen, auf denen man Geschlechtsteile und Sexspielzeuge nur erahnen statt sehen kann. „Das ist eine Menge Fleisch, das die Typen da anbieten“, stellt Christoph nüchtern fest.

„Ja, und ziemlich Geiles dazu.“

„Würdest du dafür Geld zahlen?“

„Fünfzehn Dollar pro Monat ist ganz schön happig.“

„Du könntest in der Zeit vermutlich alle Bilder saugen.“

„Kann man das automatisieren?“

„Bestimmt! Frag einfach BlitzKey oder Brigitta, die beiden wissen definitiv wie.“

„Hahaha! Brigitta wird uns mit Sicherheit helfen, Pornos aus dem Internet zu saugen.“

„Brauchst ihr nicht verraten, was du herunterladen willst“, klärt ihn Christoph auf. Vincent klickt weitere Seiten von anderen Models an. Neugierig betrachten die jungen Männer die verschiedenen Vorschauen der diversen Bilderserien. Die durchaus attraktiven Frauen posieren in allen möglichen und unmöglichen Stellungen. Vincent atmet tief durch, schiebt Maus und Tastatur zur Seite und dreht sich zu Christoph. „Was glaubst du, wie schwer es ist, so eine Website aufzuziehen?“

Christoph schaut Vincent verblüfft an. „Du willst jetzt nicht etwa ins Pornogeschäft einsteigen?“

„Nein, aber wie kompliziert ist so etwas?“

„Technisch sieht’s relativ simpel aus. Einzig und allein die Mädchen sind das Problem.“

„Und wenn du beim nächsten Mal in Cheb nicht nur einen wegsteckst, sondern deine Kamera auspackst und die Alte ablichtest?“

„Scheiße! Das wäre viel zu einfach, als dass man damit Geld verdienen könnte.“

„Wieso? Die Leute fahren doch voll auf die Amateur- und Homemade-Pornos ab, oder?“

„Schon. Mir gefällt so etwas auch besser als der ganze Hochglanz Schmarrn.“

„Dann haben wir jetzt unsere wahre New Economy Idee gefunden!“, schwärmt Vincent.

p¡r@t€Z

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