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1.8 Fortsetzung und Neubeginn in BRD und DDR (1945–1990)

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Wie schon erwähnt, war mit dem Inkrafttreten des RJWG die Entwicklung der Kinder- und Jugendhilfe an einem vorläufigen Endpunkt angekommen – die Genese als System mit relativ hohem Autonomiecharakter und rechtlich-institutionell gesicherter Zuständigkeit war vorerst abgeschlossen. Diese Traditionslinie galt allerdings nur für die Besatzungszonen der Westmächte, aus denen 1949 die Bundesrepublik Deutschland (BRD) entstand. Dort war bereits im Jahr 1945 das RJWG in der Fassung von 1924 wieder für anwendbar erklärt worden. Nachdem am 8. Mai 1949 das Grundgesetz (GG) beschlossen und dabei dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für die öffentliche Fürsorge zuerkannt wurde, gab es verschiedene Initiativen für eine umfassende Erneuerung des Kinder- und Jugendhilferechts, die 1953 in einer Novellierung des RJWG mündeten.

Die RJWG-Novellierung brachte – neben der Rücknahme der im Zuge der Notverordnung von 1924 vorgenommenen Einschränkungen des Gesetzes und der Wiedereinführung der jugendfördernden Aufgaben als bedingte Pflichtaufgaben – im Wesentlichen zwei Änderungen, die bis heute bestimmend bleiben sollten: Zum einen die Neuorganisation des Jugendamtes als selbständige Behörden der kommunalen Selbstverwaltung, deren Aufgaben zukünftig nicht mehr auf andere Dienststellen übertragen werden durften und zum anderen die Einführung des »zweigliedrigen« Jugendamts, das künftig aus dem Jugendwohlfahrtsausschuss und der Verwaltung des Jugendamts bestehen sollte, nachdem sich die Kollegialbehörde in der Weimarer Zeit nicht bewährt hatte. Analog dazu sollten die Länder ebenfalls zweigliedrig organisierte Landesjugendämter errichten (Wiesner 2011, 72).

In der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR verlief die Entwicklung anders: Dort stand man aus ideologischen Gründen der Tradition des RJWG, durch die ein Sondererziehungsbereich neben der Schule konstituiert wurde, kritisch gegenüber.

In der Folge wurden die Jugendämter Anfang der 1950er Jahre, also kurz nach Gründung der DDR, mit einer Restzuständigkeit für Erziehungshilfe, Jugendgerichtshilfe (JGH) und Jugendschutz selbständig neben dem Schulamt in den Bereich der Volksbildung eingegliedert, während für die Jugendförderung ein Amt für Jugendfragen beim Ministerrat der DDR eingerichtet wurde, das in enger Verknüpfung mit der Freien Deutsche Jugend (FDJ) die Jugendförderung ressortübergreifend koordinieren und kontrollieren sollte.

»Der traditionelle Jugendhilfebegriff wurde damit aufgegeben. Das bedeutete auch das Ende der durch das RJWG begründeten Zusammenfassung von Jugendpflege und Jugendfürsorge bei einer Fachverwaltung« (Hoffmann 1981, 34). Ebenfalls Anfang der 1950er Jahre wurden mit der Verordnung über die Übertragung der freiwilligen Gerichtsbarkeit (1952) in der DDR die Vormundschaftsgerichte aufgelöst und deren Aufgaben auf die Jugendhilfeorgane übertragen, die damit direkte Eingriffsmöglichkeiten in das elterliche Erziehungsrecht erhielten (Seidenstücker 1990).

In der BRD ging unterdessen die Reformdebatte um das RJWG weiter und mündete 1961 in eine erneute Novellierung des Gesetzes als JWG. Der Gesetzgeber hielt dabei an den beiden zentralen Zielen des RJWG, der Stärkung des Elternrechts und dem Vorrang der freien Träger, fest. Daneben wurde die Freiwillige Erziehungshilfe (FEH) eingeführt und so die Fürsorgeerziehung (FE) um eine leistungsrechtliche Variante ergänzt. Während die FE nach § 64 JWG durch das Vormundschaftsgericht angeordnet wurde, »weil der Minderjährige zu verwahrlosen droht oder verwahrlost ist«, wurde einem Minderjährigen FEH nach § 62 JWG auf Antrag der Personensorgeberechtigten gewährt, sofern »dessen leibliche, geistige oder seelische Entwicklung gefährdet oder geschädigt ist« und »die Personensorgeberechtigten bereit sind, die Durchführung der Freiwilligen Erziehungshilfe zu fördern.« Kostenträger war das Landesjugendamt. Neu war ebenfalls die Einführung der Heimaufsicht durch die Landesjugendämter, die vor allem von den konfessionellen Trägern zunächst abgelehnt wurde (von einer Erlaubnis zum Betrieb von Einrichtungen sah das JWG zu diesem Zeitpunkt noch ab.). Schließlich schuf die JWG-Novelle auch die rechtlichen Voraussetzungen für eine regelmäßige Jugendberichterstattung (Jugendberichte in vierjährigem Abstand und Konstituierung des Bundesjugendkuratoriums – BJK) sowie den Bundesjugendplan, der es der Bundesregierung ermöglichte, überregionale Bestrebungen der Jugendhilfe anzuregen und zu fördern (Wiesner 2011, 73).

Das JWG sollte dann ohne gravierende Veränderungen bis zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts und dem Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes, zum 3. Oktober 1990 in den neuen und zum 1. Januar 1991 in den alten Bundesländern, Bestand haben.

Dazwischen gab es allerdings mehrere Anläufe, das JWG grundlegend zu reformieren, die aus verschiedenen Gründen nicht durchkamen: Bereits 1974 legte das Bundesjugendministerium einen ersten Referentenentwurf vor, der zunächst an den zu erwarteten Kosten scheiterte. So kam es im Herbst 1977 zu einem erneuten Referentenentwurf, der am 8. November 1978 vom Bundeskabinett als Regierungsentwurf verabschiedet wurde. Da die CDU/CSU-regierten Länder jedoch eine Mehrheit im Bundesrat hatten, stemmten sich diese mit einem Alternativentwurf gegen den Regierungsentwurf, der im Mai 1979 vom Bundesrat angenommen wurde und anschließend gemeinsam mit dem Regierungsentwurf in den Ausschüssen des Bundestags beraten wurde. Im Mai 1980 wurde dann der Gesetzentwurf der Bundesregierung mit der Stimmenmehrheit der SPD/FDP-Koalition verabschiedet, während die CDU/CSU-Fraktion den Gesetzentwurf weiterhin ablehnte. Nicht unerwartet verweigerte daraufhin der Bundesrat seine Zustimmung zu einer Reform des Gesetzes, so dass der erste Anlauf, das JWG zu reformieren, vorwiegend an ideologisch-weltanschaulichen Gründen scheiterte (ebd., 75 ff.).

Mehr Erfolg war dann erst dem zweiten großen Versuch beschieden, das Gesetz zu modernisieren und es an die veränderte gesellschaftliche Situation anzupassen: Den Auftakt dafür bildete im Mai 1987 eine Regierungserklärung des Bundeskabinetts unter Helmut Kohl, dem im August 1988 ein weiterer Referentenentwurf folgte, dem diesmal auch die CDU/CSU-geführten Länder im Bundesrat grundsätzlich zustimmten. Nach mehreren Kompromissen und 118 Änderungsanträgen zum Regierungsentwurf beim ersten Durchgang im Bundesrat, wurde das Gesetz am 28. März 1990 im Deutschen Bundestag nach dritter Lesung mit den Stimmen der damals oppositionellen SPD verabschiedet. Zu diesem Zeitpunkt hätte niemand mehr mit ernsthaften Schwierigkeiten bei der anschließenden Abstimmung im Bundesrat gerechnet, als dessen Finanzausschuss einstimmig beschloss, dem Bundesrat zu empfehlen, die Entscheidung zu vertagen, da nicht abzuschätzen sei, welche Kosten auf die Länder im Rahmen der Herstellung der deutschen Einheit zukämen. Erst wenige Tage vor der Bundesratssitzung wurde bekannt, dass die CDU/CSU-regierten Länder dem Gesetz zustimmen würden, so dass am 11. Mai 1990 das Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (KJHG) endgültig beschlossen wurde.

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