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Inter- und transkontinentale Abwanderung aus deutschen Territorien im 18. Jahrhundert

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Der größere Teil der aus deutschsprachigen Gebieten stammenden Einwanderer in den britischen Nordamerikakolonien kam aus Südbeziehungsweise Südwestdeutschland. Hier hatte sich das Bevölkerungswachstum bereits im 17. und 18. Jahrhundert beschleunigt. Schätzungen sprechen für das Territorium des späteren Deutschen Reichs von einer Zunahme der Bevölkerung von 15 auf 23 Millionen zwischen 1700 und 1800. Ein vergleichbarer Zuwachs, allerdings in nur einem halben Jahrhundert, folgte zwischen 1800 und 1850 (35 Millionen). Hauptzielhafen der deutschen Nordamerikawanderung war im 18. Jahrhundert Philadelphia. Siedlungsschwerpunkt blieb zunächst noch Pennsylvania, im Lauf des 18. Jahrhunderts verlagerte er sich auf das westliche Maryland, North Carolina und Virginia.

Jahre mit besonders starker Überseeauswanderung aus den deutschen Territorien waren 1709, 1749–1752, 1757, 1759 und 1782. Pennsylvania entwickelte sich zum Hauptziel religiöser Dissidenten (Quäker, Pietisten, Mennoniten, Tunker, Schwenkfelder, Herrnhuter), deren Migration durch organisierte Gruppenwanderungen und Gemeinschaftssiedlungen geprägt war. Insgesamt aber dominierten auch im 18. Jahrhundert schon wirtschaftlich und sozial motivierte Familienwanderungen. Um 1775 sollen rund 225.000 Menschen deutscher Herkunft in den britischen Kolonien Nordamerikas gelebt haben, die damit einen Anteil von 8,6 Prozent der Gesamtbevölkerung stellten. Ein Drittel der Bevölkerung Pennsylvanias war deutscher Herkunft, in Maryland waren es zwölf Prozent, in New Jersey neun und in New York acht Prozent.58

Zu beachten ist freilich, dass für die Auswanderung aus deutschsprachigen Gebieten insgesamt und damit auch für das dominierende Süddeutschland die transkontinentale (Siedlungs-)Migration nach Südosteuropa und Südrussland wichtiger war als die interkontinentale Bewegung nach Nordamerika. Nach dem Ende des Siebenjährigen Kriegs (1756–1763) führten die »Schwabenzüge« 1763–1770 und 1782–1788 wahrscheinlich rund 70.000 deutschsprachige Bauern und Handwerker aus Franken, Baden, Württemberg, Vorderösterreich, Luxemburg und Lothringen in den südosteuropäischen Donauraum mit den Siedlungsschwerpunkten Batschka, Banat und Siebenbürgen.59 Zeitgleiche Siedlungswanderungen strebten in die vom Zarenreich eben erst eroberten Gebiete an der unteren Wolga und »Neurusslands« nördlich des Schwarzen Meeres. Ebenso wie im Fall der »Schwabenzüge« waren auch an der Wolga und in »Neurussland« Privilegien und Vergünstigungen ein zentrales Werbemittel obrigkeitlicher »Peuplierungspolitik« zur Erschließung und Sicherung des Siedlungslandes.60

Umworben waren dabei aber vor allem Siedler, die mit höher entwickelten landwirtschaftlichen und handwerklichen Fertigkeiten vertraut waren. Sie konnten auf Privilegien hoffen, wie sie beispielsweise in den Einladungsmanifesten von Zarin Katharina II. 1762/1763 formuliert waren, die kostenloses Land, Kredite, günstige Rechte, Steuer- und Abgabefreiheit für mehrere Jahre sowie Befreiung vom Militärdienst versprachen. Rund 25.000 deutsche Siedler, die vornehmlich aus der Pfalz stammten, siedelten sich innerhalb weniger Jahre nach 1763 an der unteren Wolga an. Weitere folgten in den nächsten Jahrzehnten und Anfang des 19. Jahrhunderts.

Insgesamt kann die Zahl der Auswanderer aus dem deutschsprachigen Raum nach Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa von den 1680er-Jahren bis 1800 auf rund 516.000 Menschen geschätzt werden. Die überseeische Auswanderung nach Nordamerika blieb demgegenüber in diesem Zeitraum mit rund 130.000 deutlich zurück, wobei die Herkunftsräume der Überseewanderer weithin mit denen der kontinentalen Ost- und Südostbewegung übereinstimmten: Baden, Württemberg, Pfalz, Elsass und Lothringen.61 Dass dabei am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Auswanderer aus Württemberg zu annähernd zwei Dritteln nach Ost- und Südosteuropa strebten, während diejenigen aus Baden zumeist in die Vereinigten Staaten gingen, hatte nicht nur mit der wachsenden Anziehungskraft der überseeischen »Neuen Welt«, sondern auch mit verkehrsgeographisch bedingten Wanderungstraditionen zu tun: Die Rheinschifffahrt bot den Badenern eine günstige Verbindung zu den Seehäfen im Norden, während die Württemberger noch stärker die Donauschifffahrt zur kontinentalen West-Ost-Wanderung nutzten. Insgesamt dominierte im deutschsprachigen Raum von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die 1830er-Jahre die kontinentale Auswanderung nach Ost- und Südosteuropa, bis zum späten 19. Jahrhundert dann die transatlantische Auswanderung, vornehmlich in die USA.

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