Читать книгу Das Geheimnis des wahren Evangeliums - Band 1 - Johanne T. G. Joan - Страница 10

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4. Kapitel

Der Wirt begrüßte den Geistlichen mit einem überzogenen Bückling und begleitete den Gast zu seinem Tisch, an dem bereits sein Freund Gilberto saß. Seit Jahren trafen sich die alten Bekannten einmal im Monat in einem luxuriösen Restaurant in Rom, um sich auszutauschen und gepflegt zu speisen. Die Männer kannten sich seit ihrer Studienzeit an der Sorbonne in Paris. Damals gehörten sie zu einer Art Bande mit sieben Studenten und Studentinnen aus Deutschland, Italien, England und Frankreich, die hin und wieder die Gegend in der französischen Hauptstadt mit schrägen Sachen, die knapp an die Rechtswidrigkeit grenzten, unsicher machten. Diese jugendlichen Tollkühnheiten hatten sie offensichtlich zu einer Einheit zusammengeschweißt, denn bis zu dem heutigen Tag hielten sie einen regelmäßigen Kontakt zueinander.

Gilberto war schlank und hochgewachsen, sein dunkelbraunes Haar war gelockt und seine Wangen rosig. Stets sah er gesund aus.

„Ich gratuliere zu deiner Ernennung zum Präfekten der Geheimarchive“, rief Gilberto dem Neuankömmling zu und stand auf, um seinem Freund die Hand zu reichen.

„Danke, ich arbeite mich gerade in meine neue Funktion ein und hätte deshalb beinahe unsere Verabredung verpasst. Hast du schon bestellt?“

„Nein, ich bin auch gerade angekommen.“

Carlucci schlug die Speisekarte auf, die vor ihm auf dem Tisch lag und sagte:

„Mein Magen knurrt bereits und kündigt mir den bevorstehenden Hungerstod an!“

Gilberto musste lächeln und tat es dem Geistlichen gleich. Schweigend studierten die Männer einige Minuten die Speiseangebote.

Als sie nacheinander den schweren Lederdeckel der Karte vorsichtig zuklappten, kam sogleich der Kellner und nahm die Bestellung entgegen.

„Hauswein wie immer?“, schlug der Mann mechanisch vor und notierte den Vino della Casa, ohne die Antwort der Gäste abzuwarten auf einem kleinen Bock.

Fast unmerklich nickten die Gäste bejahend.

Carlucci bestellte sich ein Fischgericht und einen gemischten Salat.

Gilberto, der Vegetarier war und zwischen Fisch und Fleisch keinen Unterschied sah, und alle, die Fleisch essen, ob Fisch oder Fleisch, als fressende wilde Tiere bezeichnet, bestellte sich einen Gemüseteller und einen Salat, den er ohne Essig aber dafür mit frischem Zitronensaft, selbst anzumachen bevorzugte.

„Besonders die Kirche gaukelt ihren Anhängern vor, dass Fisch kein Fleisch sei, und dass der Verzehr von „nur“ Fisch am Freitag, eine Art zu fasten sei. Ein Gebot, das impliziert, dass es vom Glauben aus erlaubt sei, sechs Tage in der Woche Fleisch zu essen“, stellte Gilberto fest.

Der Ober, der die Gepflogenheit des besonderen Gastes kannte, notierte sich die Bestellung und ging.

Während Carlucci durch seinen christlichen Glauben seinen Körper als vergängliches Vehikel betrachtete, der mehr oder weniger als Mittel zum Zweck funktionieren muss, sah Gilberto, der die religiösen Überzeugungen seines Freundes nicht teilte und sich als Monotheist bezeichnete, den menschlichen Körper als mehr als nur ein Gefährt, das lediglich funktionieren muss. Er hatte durch seine langjährigen Praxiserfahrungen erkannt, dass die Gesundheit des Leibes unmittelbar das Gemüt und die Psyche positiv beeinflusst, die Qualität der Gedanken bestimmt und demzufolge unmittelbar mit der Lebensqualität zusammenhängt. Der Therapeut, der sich als Naturarzt verstand, favorisierte die Art von Nahrung, die – außer Fleisch und Fisch, versteht sich – frisch war und noch die Fähigkeit zum Kompostieren in sich trug. Das heißt mit anderen Worten Nahrung, die noch lebte.

Als vor Jahren Carlucci von seinem Freund den Grund erfahren wollte, der ihn veranlasste Zitronensaft und nicht Essig in seinen Salat zu träufeln – beide Flüssigkeiten seien doch schließlich ähnlich oder gleich – wurde Gilberto fast ärgerlich und erklärte:

„Die an rohem Obst oder Gemüse gebundenen Säuren wirken auf den Organismus alkalisch und schwemmen Wasser und Gifte aus dem Körper aus. Essigsäure dagegen ist nicht im Sinne vom Wein gegoren, denn Essig ist kein Wein mehr, sondern eine Stufe darunter. Alle Lebensmittel, die wie Essig ihre letzte biologische Abbaustufe erreicht haben und dennoch als genießbar betrachtet werden, wie Verschimmeltes, Geröstetes usw. fordern vom Organismus viel Energie für ihre Assimilation. Nicht umsonst haben die Alten gesagt: „1 Tropfen Essig frisst 7 Tropfen Blut“ oder sagt der Volksmund zu einer Sache die kaputt ist „Essig“. Essig hemmt die Mundverdauung und verzögert die Verdauung von Kohlenhydrat. Essig macht übrigens süchtig und alles was süchtig macht ist schädlich.“

Der Arzt hatte Jahre gebraucht, um hinter diese Erkenntnis zu kommen, denn schließlich schreiben manche Autoren ja sogar, dass Essig gesund sei.

„Essig ist flüssiger Schimmel, kaputter Wein!“, behauptete er kategorisch und fuhr entfesselt fort:

„Essig ist nicht im Geringsten mit Zitronensaft zu vergleichen, denn Essig ist das Gegenteil von Zitronensäure. Essig ist tot, während Zitronensaft lebt!“

Damals fielen dem Geistlichen gleich die schwangeren Frauen, die nahezu nach Essiggurken gieren, ein und er argumentierte: „Man schreibt schwangeren Frauen intuitive Gelüste, die dem Wohle des ungeborenen Kindes dienen sollten, zu. Wieso haben diese Frauen Verlangen nach Essiggurken?“ Auch in diesem Fall wurde Gilberto unwillig:

„Die meisten Schwangeren greifen aus Unwissenheit und durch falsche Aufklärung nach Essiggurken oder ähnlichen Speisen, die Essigsäure enthalten und erfahren eine kurzfristige Erleichterung ihres Verlangens. Doch wie Salzwasser den Durst nicht stillt und immer durstiger macht, verhält es sich mit Essig; die Gelüste nach in Essig eingelegtem Gemüse bestehen weiterhin, denn in Wirklichkeit verlangt der Körper einer Schwangeren nach der Säure von rohem Obst.“

Er war in Fahrt und führte eine Überlegung aus seiner Praxis ein, die ebenfalls mit dem Konsum von Essiggurken oder anderen in Essig getauchten Nahrungsmitteln zusammenhing:

„Auch Krebskranke haben ein starkes Verlangen nach Säure“, fuhr er fort. „Manche trinken den Essig ja sogar pur. Sie begehen den gleichen Fehler der unaufgeklärten Schwangeren, denn zu ihrer Genesung teilt der Körper – der versucht zu retten, was zu retten ist – ihnen den Bedarf an säurehaltiger Nahrung mit, aber sein Begehren ist nicht Essigsäure, sondern Säure des rohen Obsts.“

„Ist es nicht so, dass Krebskranke teilweise kein rohes Obst vertragen?“, konterte Carlucci.

„Das ist richtig. Durch die falsche Lebensweise, die schließlich zu dem Krebs führte, degeneriert die Magen- und Darmschleimhaut mancher Krebskranker derart, dass sie die Urnahrung bzw. die lebendige Nahrung nicht einmal mehr vertragen; Durchfall ist das Ende vom Lied. Die Schuld an der Obstunverträglichkeit wird oft in diesem Fall beim Obst gesucht und nicht bei der jahrzehntelangen falschen Lebensweise der Kranken. Auf diese Weise ist Obst und rohe Nahrung in Verruf gekommen, sodass manche Menschen, ja sogar auch

Therapeuten, dreist behaupten, dass Obst nicht gesund sei.“

„Wenn die Kranken aber kein Obst vertragen, wie sollen sie dann Obst essen?“

„Gute Frage! Der Organismus gönnt sich keine Ruhe, es ist immer ein Auf- und Abbau. Wenn die Voraussetzung dafür geschaffen ist, strukturieren sich daher die erkrankten Schleimhäute wieder um und sie regenerieren sich wieder. Der Kranke sollte unter Anleitung allmählich die Akzeptanz seines Organismus auf rohe Nahrung anregen und steuern, sodass sich seine Organe nach und nach an die Urnahrung wieder gewöhnen. Jedenfalls sollte er nicht literweise Essig schlürfen.“ Der Ober brachte den Wein und schenkte jedem Gast ein Glas ein.

Gilberto erhob sein Glas und sprach:

„Auf deine Beförderung zum Präfekten, auf die du so viele Jahre gewartet hast?“

Carlucci lächelte, nickte zustimmend mit dem Kopf und stieß mit seinem Freund an:

„Auf den neuen Präfekten der Geheimarchive! “, erwiderte er. „Hast du nun Zugriff zu diesem Raum, der in dir so viele Neugierde geweckt hatte?“, wollte sein Begleiter wissen.

Der Geistliche presste die Lippen zu einem Lächeln zusammen und nickte mit dem Kopf bejahend, als wäre es ein großes Geheimnis, das nicht ausgesprochen werden durfte und neigte sich über den Tisch und flüsterte Gilberto zu:

„Ich habe mich schon darin umgeschaut und war derart vertieft, dass ich unsere Verabredung beinahe verschwitzt hätte.“

„Das will ja schon etwas heißen! Hast du das große Mysterium gefunden?“

Carlucci zuckte zusammen, als hätte sein Freund lautstark eine Geheimlehre ausgeplaudert und antwortete leise:

„Ich habe mir erst einen Überblick verschafft. Ich werde noch viele Stunden darin verbringen, bis ich den Inhalt des Raumes durchleuchtet habe.“

Der Kellner brachte die Salatteller, dem Arzt mit einer halben Zitrone, und servierte wenig später das Gemüse und den Fisch.

Mit einem Espresso auf Kosten des Hauses beendeten die Freunde mit Themen aus dem Beruf und Erinnerungen aus der Studienzeit ihre monatliche Verabredung.

Das Geheimnis des wahren Evangeliums - Band 1

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