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b) Rückwirkungsverbot – Änderung von Steuergesetzen

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Werden den Tatbestand des § 370 „blankettausfüllende“ steuerliche Vorschriften nach Beendigung der Tat geändert, so führt auch das zu einer Rechtsänderung i.S.d. § 2 Abs. 3 StGB, sofern es sich bei dem Steuergesetz nicht um ein Zeitgesetz i.S.d. § 2 Abs. 4 StGB handelt.[44] Zeitgesetze sind Normen, deren zeitliche Anwendbarkeit von vornherein befristet ist. Dabei ist es unschädlich, wenn eine zeitliche Verlängerungsmöglichkeit vorgesehen ist, ebenso wenn die Anwendbarkeit tatsächlich verlängert wird.[45] Selbst wenn erst die Auslegung des Gesetzes ergibt, dass der Gesetzgeber „keine ihrer Natur nach auf Dauer angelegte Regelung treffen, sondern wechselnden Verhältnissen und Zeitnotwendigkeiten überwiegend nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit mit Bestimmungen, die erkennbar Übergangscharakter haben, gerecht werden will“, handelt es sich nach Ansicht des BGH um ein Zeitgesetz.[46] Ein Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Zeitgesetzes soll darin liegen können, dass das Gesetz „verschiedenen Wandlungen unterworfen worden ist, die alle das Ziel hatten, es den wechselnden Verhältnissen anzupassen“.[47] Grundsätzlich ist demnach danach zu differenzieren, ob die Gesetze aufgrund besonderer tatsächlicher Verhältnisse geändert wurden (dann gilt das Zeitgesetz gem. § 2 Abs. 4 StGB) oder wegen sich ändernden Rechtsüberzeugungen (dann gilt das mildeste Gesetz gem. § 2 Abs. 3 StGB).

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Nach Ansicht des BGH greift der Wortlaut des § 2 Abs. 3 StGB nicht ein, sofern die blankettausfüllenden steuerrechtlichen Normen nur für spätere Besteuerungszeiträume geändert werden, nicht aber für die strafrechtlich relevanten Zeiträume; das Steuergesetz fülle dann in der Gestalt, die es damals hatte, nach wie vor die Blankettvorschrift des § 370 aus.[48] Dem ist zuzustimmen: Der Gesetzgeber legt die Geltungsanordnung in den Steuergesetzen regelmäßig selbst fest, so dass die nachträgliche Änderung der Normen, aus denen der Fiskus seinen Steueranspruch herleitet, keine Auswirkungen auf den bereits entstandenen Steueranspruch hat. Ist der Steueranspruch einmal entstanden, fällt er nicht dadurch wieder weg, dass die Steuer in späteren Besteuerungszeiträumen nicht mehr entsteht. Etwas anderes gilt natürlich, wenn der Anspruch wegen rückwirkender Gesetzesänderung – etwa wegen festgestellter Verfassungswidrigkeit – mit Wirkung für die Vergangenheit wegfällt.

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Wird die Geltung einer steuerlichen Norm nicht ausreichend durchgesetzt, weil ein strukturelles Vollzugsdefizit besteht, so führt dies zu einer gleichheitswidrigen Besteuerung entgegen Art. 3 Abs. 1 GG und damit zur Verfassungswidrigkeit der Norm selbst.[49] Stellt das Verfassungsgericht – wie regelmäßig bei Verstößen gegen den Gleichheitsgrundsatz nur die Unvereinbarkeit der Norm mit Verfassungsrecht fest (§ 79 Abs. 1 BVerfGG), so kann durch (nachträgliche) Behebung des Vollzugsdefizits die Verfassungswidrigkeit (rückwirkend) entfallen. Anders, bei Feststellung der Nichtigkeit der Norm (§ 78 BVerfGG).[50]

Steuerstrafrecht

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