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Schopenhauers ganz bestimmte Ahnung

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Die großen Denker haben sich alle den Kopf zerbrochen. Arthur Schopenhauer wollte mit seiner Schrift über die Willensfreiheit beweisen, dass Charakter und Motiv unsere Handlungen restlos bestimmen.

Konsequenterweise müsste man fordern: Wer die Willensfreiheit bestreitet, muss im Grunde das Strafrecht abschaffen.

Schopenhauer hatte zwar die Idee, die Willensfreiheit zu verabschieden, eliminierte dabei aber nicht gleichzeitig Begriffe wie Schuld und Verantwortung. Er gab der königlichen norwegischen Gesellschaft der Wissenschaft auf ihre Frage: »Lässt die Freiheit des menschlichen Willens sich aus dem Selbstbewusstsein beweisen?« eine Antwort, die in der Schrift Über die Freiheit des menschlichen Geistes am 26. Januar 1839 preisgekrönt wurde (mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass Schopenhauer der Einzige war, der auf diese Frage geantwortet hatte).

Mit der Nüchternheit des Logikers und der Genauigkeit des Naturwissenschaftlers entwarf Schopenhauer ein Menschenbild, das für sittliche Autonomie keinen Raum mehr zu lassen schien. Und er wusste, welche Tragweite das hatte. Schopenhauer wollte den Menschen keine Ausnahmestelle in der Natur zuteilen – was ihm neben der pessimistischen Tendenz seiner Philosophie den Ruf als Menschenfeind eingetragen hat. Jede Tat erklärt er als unausbleibliches Ergebnis von Charakter und Motiven. Aus derselben Notwendigkeit heraus, mit der ein Stein aufgrund der Schwerkraft zu Boden fällt, handelt ein Mensch mit bestimmten charakterlichen Anlagen unter bestimmten Umständen. Er ist, wie er ist. Basta.

Die Resultate der Hirnforschung legen nahe, dass es zu jedem Handlungsentschluss, zu jedem Wollen eine physiologische Entsprechung gäbe, die durch Versuchsanordnungen im Gehirn sichtbar gemacht wird. Und das stimmt auch mit Schopenhauers Idee überein, dem Charakter müsse etwas Körperliches zugrunde liegen. Zorn braucht eine Faust.

Der US-amerikanische Physiologe Benjamin Libet untersuchte das Gehirn und behauptete, es habe schon Sekunden vor einer Handlung eine unbewusste Entscheidung gefällt, die nicht mehr rückgängig zu machen ist. Sie offenbart sich also erst im Nachhinein und stand schon fest, bevor wir das gewusst haben. Das Hirn trickst uns aus. Du glaubst, du sitzt am Steuer, in Wahrheit lenkt schon lange der Autopilot.

Und das wird als weiteres Argument gegen die christliche Ethik verwendet: Wenn nämlich unsere Entscheidungen schon determiniert sind, dann fällt die gesamte Diskussion um Moral und Schuldfrage zusammen, und die europäische Geistesgeschichte hätte ein Hauptthema ihrer gedanklichen Reflexionen verloren.

Genau hier soll das Verständnis der christlichen Ethik erneuert werden. Denn selbst wenn Entscheidungen – im Augenblick förmlich unfrei – noch im Unbewussten festgelegt werden, so unterliegen andererseits diese Entscheidungen anderen Determinanten, die aus einem Vorwissen, aus einem Vorbewusstsein herrühren.

Das ist teilweise genetisch bestimmt, teilweise epigenetisch geformt. Prägephasen in entscheidenden Entwicklungsmomenten, Identifikationsprozesse mit Idolen, der Stallgeruch einer intakten Familie. Das macht jene Entscheidungshilfen aus, aus denen, wenn zunächst noch unbewusst, der einzelne Mensch seine Taten folgen lässt. Demnach gibt es Freiheit sehr wohl, nur geboren aus einem komplexeren Hintergrund.

Wäre es leicht, könnte man es sich ja aussuchen.

Baupläne der Schöpfung

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