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EINLEITUNG

Das Wissen über Ökologie – die Beziehungen zwischen Lebewesen – entschied über Leben und Tod der ersten Menschen. Ohne ein grundlegendes Verständnis, warum an einem Ort Tiere grasten und an einem anderen Früchte wuchsen, hätten unsere Vorfahren nicht überleben und sich entwickeln können.

Welche Wechselwirkungen zwischen Tieren und Pflanzen sowie ihnen und der unbelebten Welt stattfanden, interessierte schon die Griechen in der Antike. Im 4. Jahrhundert vor Christus untersuchten Aristoteles und sein Schüler Theophrastos den Stoffwechsel und die Wärmeregulierung bei Tieren, sezierten Vogeleier, um ihre Entwicklung zu erforschen, und beschrieben eine Scala Naturae (Leiter der Natur) mit elf Stufen. Dies war der erste Versuch, alle Lebewesen zu klassifizieren. Aristoteles erklärte auch, dass einige Tiere andere konsumieren: die erste Beschreibung einer Nahrungskette.

Im Mittelalter (476–1500) behinderte die katholische Kirche neue wissenschaftliche Ideen; das Verständnis der Ökologie schritt kaum voran. Doch ab dem 16. Jahrhundert wurden bei Seefahrten und durch technische Fortschritte, etwa die Erfindung des Mikroskops, erstaunliche Lebensformen entdeckt, der Wissensdurst stieg. Der schwedische Botaniker Carl von Linné entwickelte eine Klassifikation, das Systema Naturae. Dies war der erste wissenschaftliche Versuch, Arten zu benennen und ihrer Verwandtschaft nach zu ordnen. Damals herrschte im westlichen Denken der Essenzialismus vor: die Annahme, dass jede Art unveränderliche »essenzielle« Merkmale hat.


Große Durchbrüche

Geologische Entdeckungen im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert stellten den Essenzialismus infrage. Geologen erkannten, dass einige Arten plötzlich verschwanden und durch andere ersetzt wurden; Lebewesen konnten sich also offenbar mit der Zeit verändern oder sogar aussterben.

»Es gibt etwa 4 Mio. verschiedene Arten von Tieren und Pflanzen in der Welt. 4 Mio. verschiedene Lösungen für das Problem, am Leben zu bleiben.«

David Attenborough Life on Earth (TV-Serie), 1979

Der Franzose Jean-Baptiste de Lamarck entwickelte 1809 die erste konsistente Evolutionstheorie: die »Transmutation« der Arten durch die Vererbung erworbener Eigenschaften. Etwa 50 Jahre später brachten Charles Darwin und Alfred Russel Wallace das Konzept der Evolution durch natürliche Selektion auf, nach der sich die Lebewesen über Generationen hinweg so verändern, dass sie besser an ihre Umgebung angepasst sind. Darwin und Wallace verstanden die zugrunde liegenden Mechanismen nicht. Doch die Experimente von Gregor Mendel mit Erbsen, die auf die Rolle von Erbfaktoren hindeuteten, die man heute als Gene kennt, stellten einen weiteren Riesenschritt der Evolutionstheorie dar.

Wechselbeziehungen

Die Beziehungen zwischen Arten und ihrer Umwelt sowie zwischen verschiedenen Arten dominierten die ökologische Forschung im frühen 20. Jahrhundert. Konzepte wie Nahrungsketten und Nahrungsnetze (wer in einem Lebensraum wen frisst) oder ökologische Nischen (die Rolle eines Lebewesens in seiner Umwelt) entstanden. 1935 führte Arthur Tansley das Konzept des Ökosystems ein: die Wechselbeziehungen zwischen Arten und der Umwelt, in der sie leben. Spätere Ökologen entwickelten mathematische Modelle der Populationsdynamik in Ökosystemen. Die Erkenntnis, dass die DNA eine bestimmte Struktur hat und Mutationen wie ein evolutionärer »Motor« wirken, brachte die Evolutionstheorie weiter voran.


Neue Grenzen

Die Technik eröffnet der Ökologie immer neue Möglichkeiten. Elektronenmikroskope liefern Bilder mit einer Auflösung eines halben Wasserstoffatoms. Computer analysieren Töne von Fledermäusen und Walen, die für das menschliche Ohr zu hoch bzw. zu tief sind. Kamerafallen und Infrarotdetektoren fotografieren und filmen nachtaktive Tiere, und winzige Satellitenempfänger werden an Vögeln befestigt,um deren Wanderungen zu verfolgen.

Im Labor zeigen DNA-Analysen von Exkrementen, Haaren oder Federn, zu welcher Art ein Tier gehört und welche Beziehungen zwischen Lebewesen bestehen. So ist es für Ökologen sehr einfach, Daten zu sammeln, oft mithilfe vieler interessierter Laien (»Citizen Science«).

Einfluss auf das Klima

Anfangs lag der Ökologie vor allem Wissensdrang zugrunde. Später ging es darum, die Natur besser für menschliche Zwecke zu nutzen. Doch mit der Zeit wurden die Folgen der Ausbeutung immer deutlicher. Entwaldung wurde bereits im 18. Jahrhundert als ein Problem benannt, die Folgen der Wasser- und Luftverschmutzung waren in den Industrieländern im 19. Jahrhundert offenkundig. 1962 warnte Rachel Carson mit Silent Spring (dt.: Der stumme Frühling, 1965) die Welt vor den Gefahren von Pestiziden, sechs Jahre später zeigte Gene Likens eine Verbindung zwischen Kraftwerksemissionen, saurem Regen und Fischsterben.

1985 stellten Wissenschaftler fest, dass die Ozonkonzentration in der Atmosphäre über der Antarktis drastisch abnahm. Ein Zusammenhang zwischen Treibhausgasen und der Erwärmung der unteren Atmosphäre sah G. Evelyn Hutchinson schon 1947, aber erst Jahrzehnte später wurde akzeptiert, dass der Mensch das Klima beeinflusst.

Die Zukunft

Die moderne Ökologie hat sich seit ihren Anfängen als Wissenschaft enorm entwickelt. Heute vereint sie viele Disziplinen. Neben Zoologie und Botanik mit ihren Teildisziplinen sind Geologie, Geomorphologie, Klimatologie, Chemie, Physik, Genetik, Soziologie und andere Teil von ihr. Ökologie beeinflusst politische Entscheidungen über Stadtentwicklung, Verkehr, Industrie und Wirtschaft. Herausforderungen wie der Klimawandel, der Anstieg des Meeresspiegels, die Zerstörung von Lebensräumen, die Verschmutzung durch Plastik und andere Stoffe sowie die drohende Wasserknappheit sind ernsthafte Risiken für die Menschheit. Sie erfordern radikales politisches Handeln auf solider wissenschaftlicher Basis. Die Ökologie liefert Antworten. Es ist Aufgabe der Regierungen, sie umzusetzen.

»Selbst in den ausgedehnten und mysteriösen Weiten des Meeres werden wir an die fundamentale Wahrheit erinnert, dass nichts alleine lebt.«

Rachel Carson Unveröffentlichte Notizen

Big Ideas. Das Ökologie-Buch

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