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ОглавлениеDIE ERFORSCHUNG VON PI IST WIE DIE ERFORSCHUNG DES UNIVERSUMS
BERECHNUNG VON PI
IM KONTEXT
SCHLÜSSELFIGUR
Archimedes (etwa 287–212 v. Chr.)
TEILGEBIET
Zahlentheorie
FRÜHER
um 1650 v. Chr. Der Papyrus Rhind, ein Mathematikübungsbuch eines ägyptischen Schreibers aus dem Mittleren Reich, enthält Näherungswerte für π.
SPÄTER
5. Jh. n. Chr. Der Chinese Zu Chongzhi berechnet π auf sieben Dezimalstellen genau.
1671 Der schottische Mathematiker James Gregory entwickelt die Arcustangensmethode zur Berechnung von π. Der Deutsche Gottfried Leibniz macht drei Jahre später die gleiche Entdeckung.
2019 In Japan berechnet Emma Haruka Iwao mithilfe eines Cloud-Rechendienstes π auf mehr als 31 Billionen Nachkommastellen genau.
Dass die Kreiszahl Pi (π) – das Verhältnis von Umfang zu Durchmesser eines Kreises – mit dem ungefähren Wert 3,1415 nicht genau dargestellt werden kann, egal wie viele Dezimalstellen man ausschreibt, hat Gelehrte seit Jahrhunderten fasziniert. Der walisische Mathematiker William Jones verwendete 1706 als Erster den griechischen Buchstaben π (Pi) als Symbol für die Zahl, doch ihre Bedeutung für die Berechnung von Umfang und Fläche von Kreisen bzw. dem Volumen von Kugeln ist seit Jahrtausenden bekannt.
Antike Texte
Möglichst exakte Werte von Pi sind nicht einfach zu bestimmen und man sucht immer noch nach weiteren Dezimalstellen. Zwei der ältesten Näherungswerte für π stehen in altägyptischen Texten, dem Papyrus Rhind und dem Papyrus Moskau 4676. Der Papyrus Rhind, wohl ein Übungstext für angehende Schreiber, erklärt etwa die Berechnung des Volumens von Zylindern und der Fläche von Kreisen. Um die Kreisfläche zu berechnen, sollte man die Fläche eines Quadrats berechnen, dessen Seitenlänge 8/9 des Kreisdurchmessers beträgt. Dies impliziert einen Wert für π von (auf vier Stellen genau berechnet) etwa 3,1605, also nur etwa 0,6 % größer als der bisher genaueste bekannte Wert.
Die Kreiszahl Pi ist nicht nur in der Geometrie, sondern in der gesamten Mathematik allgegenwärtig.
In Babylon bestimmte man die Fläche eines Kreises, indem man das Quadrat des Umfangs mit 1/12 multiplizierte, was auf einen Wert für π von 3 deutet. Dieser Wert erscheint auch in der Bibel: »Und er machte das Meer [Bronzebecken], gegossen, von einem Rand zum andern zehn Ellen weit, ganz rund und fünf Ellen hoch, und eine Schnur von dreißig Ellen war das Maß ringsherum« (1. Könige 7:23).
250 v. Chr. entwickelte der Grieche Archimedes einen Algorithmus zur Bestimmung des Werts von π, indem er reguläre Polygone (Vielecke) konstruierte, die einem Kreis eingeschrieben und umschrieben waren. Da sie größer bzw. kleiner als der Kreis sind, ergeben ihre Umfänge obere und untere Grenzen für den Kreisumfang. Mit dem Satz von Pythagoras – in einem rechtwinkligen Dreieck ist das Quadrat der Hypotenuse (Seite gegenüber dem rechten Winkel) gleich der Summe der Quadrate der Katheten (der anderen beiden Seiten) – fand Archimedes die Beziehung zwischen den Seitenlängen, wenn die Zahl der Seiten verdoppelt wurde. So konnte er Vielecke mit bis zu 96 Seiten verwenden. Die Idee, Kreisflächen durch Polygone anzunähern, wurde schon über 200 Jahre vor Archimedes vorgeschlagen, aber er betrachtete als Erster sowohl eingeschriebene als auch umschriebene Polygone.
Zwar benutzte man Polygonumfänge schon lange zur Näherung des Kreisumfangs, aber Archimedes verwendete als Erster eingeschriebene (im Kreis liegende) und umschriebene (den Kreis bedeckende) Polygone für untere und obere Grenzen.
Quadratur des Kreises
Ein anderer Weg zur Abschätzung von π, die »Quadratur des Kreises«, war unter den altgriechischen Mathematikern eine beliebte Herausforderung. Es geht darum, nur mit Zirkel und Lineal ein Quadrat zu konstruieren, das dieselbe Fläche wie ein gegebener Kreis hat. Aus dem Wissen über die Fläche eines Quadrats könnte man dann die Kreisfläche annähern. Die Griechen hatten damit keinen Erfolg, und im 19. Jahrhundert wurde letztlich bewiesen, dass die Quadratur des Kreises unmöglich ist, weil π eine transzendente Zahl ist. Auch heute noch bezeichnet man daher unmögliche Vorhaben als »Quadratur des Kreises«. Ein anderer Versuch der »Quadratur des Kreises« zerlegt den Kreis in Segmente und legt sie in Parallelogrammform aus (siehe unten). Die Fläche des Parallelogramms ist (ungefähr) r · ½ (2πr) = r · πr = πr2, wobei r der Radius des Kreises und 2πr sein Umfang ist. Damit ist die Kreisfläche ebenfalls πr2, und je dünner die Segmente sind, desto besser nähern sie sich dem Parallelogramm an.
»Die Abhandlungen [von Archimedes] sind ohne Ausnahme Monumente der mathematischen Darstellung.«
Thomas L. Heath Britischer Mathematikhistoriker A History Of Greek Mathematics, 1921
Die Suche geht weiter
Über 300 Jahre nach Archimedes’ Tod bestimmte Ptolemäus (um 100–170 n. Chr.) π als 3,8.30 (als Sexagesimalzahl geschrieben), also 3 + 8/60 + 30/3600 = 3,141666… was nur 0,002 % größer als der heutige Wert ist. In China wurde oft 3 für π verwendet und ab dem 2. Jahrhundert war üblicher (etwa 0,7 % zu groß). Wang Fau erklärte im 3. Jahrhundert, ein Kreis vom Umfang 142 habe den Durchmesser 45. Demnach wäre π etwa 142/45 = 3,1555…, 0,4 % zu groß. Zugleich schätzte Liu Hui π mit 3072-seitigen Polygonen auf 3,1416. Im 5. Jahrhundert nahmen Zu Chongzi und sein Sohn ein 12 288-seitiges Polygon und fanden die Näherung 355/113 = 3,14159292… Das ist auf sechs Nachkommastellen richtig. Diese Genauigkeit erreichte man in Europa erst im 16. Jahrhundert. In Indien beschrieb Aryabhata in dem mathematisch-astronomischen Werk Aryabhatiya von 499 n. Chr. die Berechnung von π: »Addiere 4 zu 100, multipliziere mit 8, dann addiere 62 000. Mit dieser Regel kann die Berechnung des Umfangs eines Kreises mit dem Durchmesser 20 000 angegangen werden«. Es ergibt für π den Wert [8 · (100 + 4) + 62 000] : 20 000 = 62 832 : 20 000 = 3,1416.
»Es gibt kein Ende bei Pi. Ich würde es gerne mit mehr Ziffern versuchen.«
Emma Haruka Iwao Japanische Informatikerin Woman Smashes Pi World Record, BBC, 14 März 2019
Brahmagupta (um 598–668) leitete Quadratwurzelnäherungen für π mithilfe von regulären Polygonen mit 12, 24, 48 und 96 Ecken ab: . Auf vier Nachkommastellen fand er π2 = 9,8696, sodass er als Näherung π = vorschlug. Im 9. Jahrhundert verwendete der in Bagdad lebende al-Chwarizmi 31/7, und 62 832/20 000 als Näherungen für π. Den ersten Wert schrieb er griechischen, die anderen beiden indischen Quellen zu. Der englische Gelehrte Adelard von Bath übersetzte im 12. Jahrhundert Werke von al-Chwarizmi ins Lateinische, was in Europa das Interesse an π aufleben ließ. 1220 berechnete Leonardo von Pisa (Fibonacci), der im Liber Abbaci (»Buch der Rechenkunst«, 1202) die indisch-arabischen Zahlen in Europa populär gemacht hatte, π als 864/275 = 3,141818…, eine kleine Verbesserung gegenüber der Näherung von Archimedes, aber nicht so genau wie die von Ptolemäus, Zu Chongzhi oder Aryabhata. Zwei Jahrhunderte später plante Leonardo da Vinci (1452–1519) ein Rechteck mit der Länge eines Kreisumfangs und Höhe seines halben Radius, um die Kreisfläche zu bestimmen.
Archimedes’ Polygonmethode war auch im späten 16. Jahrhundert noch beliebt. 1579 verwendete der französische Mathematiker François Viète 393 reguläre Polygone mit je 216 Seiten, um π auf 10 Dezimalstellen genau zu berechnen. 1593 bestimmte der flämische Mathematiker Adriaan van Roomen (Romanus) π mit einem 230-seitigen Polygon auf 17 Stellen genau. Drei Jahre später berechnete der deutsch-niederländische Mathematikprofessor Ludolph van Ceulen π auf 35 Stellen. Sein Ergebnis ist als »ludolphsche Zahl« bekannt.
Wenn man die Kreissegmente parallelogrammförmig aneinanderlegt, kann man zeigen, dass die Fläche des Kreises πr2 ist. Die Höhe des Parallelogramms ist annähernd gleich dem Kreisradius r, und seine Breite ist annähernd die Hälfte des Umfangs (2πr), also πr.
Das Verhältnis von Umfang zu Höhe der Großen Pyramide von Gizeh (Ägypten) ist fast genau π, was bedeuten könnte, dass ihre Baumeister sich der Zahl bewusst waren.
Die Reihenentwicklung des Arcustangens durch den schottischen Astronomen und Mathematiker James Gregory 1671 und unabhängig 1674 durch Gottfried Leibniz war ein neuer Zugang zur Berechnung von π. Er ist die Umkehrfunktion des Tangens. Ein Vollkreis entspricht im Bogenmaß (Radiant) 2π, daher ermöglichte die Reihenentwicklung seine Berechnung.
Leider sind Hunderte von Reihengliedern nötig, um π auch nur auf wenige Stellen genau zu berechnen. Viele Mathematiker führten die Berechnung mit der Arcustangensfunktion durch, darunter Leonhard Euler im 18. Jahrhundert. Schließlich berechnete der Brite William Rutherford 208 Stellen von π mit der Arcustangensreihe.
Die Entwicklung elektronischer Computer im 20. Jahrhundert vereinfachte die Berechnung. 1949 wurden 2037 Stellen innerhalb von 70 Stunden berechnet. Vier Jahre später dauerte es nur noch etwa 13 Minuten, um 3089 Stellen zu bestimmen. 1961 berechneten die US-Amerikaner Daniel Shanks und John Wrench mit der Arcustangensreihe 100 625 Stellen von π in weniger als acht Stunden. 1973 schafften die Franzosen Jean Guillaud und Martin Bouyer eine Million Stellen, und 1989 erreichten die ukrainisch-amerikanischen Brüder David und Gregory Chudnovsky eine Milliarde Dezimalstellen von π.
2016 setzte der Schweizer Teilchenphysiker Peter Trüb das Programm y-Cruncher auf Hochleistungscomputern ein und berechnete 22,4 Billionen Stellen. Ein neuer Weltrekord (ebenfalls mit y-Cruncher) wurde dann von Emma Haruka Iwai im März 2019 mit über 31 Billionen Stellen erreicht.
Archimedes
Der 287 v. Chr. in Syrakus (Sizilien) geborene Universalgelehrte Archimedes war ein brillanter Mathematiker und Erfinder, der für den Ausruf »Heureka« berühmt ist, als er erkannte, dass das Volumen eines Gegenstands gleich dem des von ihm verdrängten Wassers ist. Eine ihm zugeschriebene Erfindung ist die archimedische Schraube oder Schneckenpumpe, eine rotierende Spiralwendel, die Wasser einen Hang hinauftransportiert.
In der Mathematik nutzte er praktische Verfahren, um zu beweisen, dass das Volumen von Zylinder, Kugel und Kegel (gleicher Höhen und Durchmesser) 3:2:1 ist. Einigen gilt er als Vorreiter der Infinitesimalrechnung, die erst im 17. Jahrhundert entwickelt wurde. Er wurde 212 v. Chr. bei der Belagerung von Syrakus von römischen Soldaten getötet – trotz des Befehls, ihn zu verschonen.
Hauptwerke
um 250 v. Chr. Kyklou metresis (Kreismessung)
um 225 v. Chr. Peri sphairas kai kylindrou (Über Kugel, Zylinder); Peri elikon (Über Spiralen)
Anwendungen von Pi
Weltraumforscher brauchen π in ihren Berechnungen ständig. So kann man die Länge der Umlaufbahn eines Satelliten über der Planetenoberfläche nach einem grundlegenden Prinzip berechnen. Dafür multipliziert man π mit dem bekannten Durchmesser und erhält den Kreisumfang. Beispielsweise berechneten NASA-Wissenschaftler 2015 so die Zeit, die die Sonde Dawn für einen Umlauf um Ceres braucht, einem Zwergplaneten im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter.
Als Forscher am Jet Propulsion Laboratory der NASA bestimmen wollten, wie viel Wasserstoff an der Oberfläche von Europa, dem kleinsten Jupitermond, austritt, ermittelten sie zunächst, wie viel Wasserstoff insgesamt durch chemische Reaktionen im Gestein entsteht. Diesen Wert teilten sie dann durch die Oberfläche des Mondes: 4πr2, (wie für jede Kugel) mit dem bekannten Mondradius r. Man kann mit π auch einfach berechnen, welche Distanz ein Mensch bei einer Umdrehung der Erde zurücklegt, wenn man den Breitengrad kennt, auf dem er sich befindet.
Astrophysiker brauchen π für die Berechnung der Umlaufbahnen und der Merkmale von Himmelskörpern wie dem Planeten Saturn.