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DIE KUNST, DREIECKE ZU MESSEN

TRIGONOMETRIE

IM KONTEXT

SCHLÜSSELFIGUR

Hipparchos von Nicäa (um 190–120 v. Chr.)

TEILGEBIET

Geometrie

FRÜHER

um 1800 v. Chr. Die babylonische Tontafel Plimpton 322 listet pythagoreische Tripel, lange bevor Pythagoras den Satz a2 + b2 = c2 aufstellt.

um 1650 v. Chr. Der ägyptische Papyrus Rhind zeigt, wie man die Steigung der Seiten einer Pyramide berechnet.

6. Jh. v. Chr. Pythagoras entdeckt seinen Satz über die Seitenlängen von Dreiecken.

SPÄTER

500 n. Chr. Die Inder nutzen trigonometrische Tabellen.

1000 n. Chr. Islamische Gelehrte rechnen mit Dreiecken verschiedener Seiten- und Winkelverhältnisse.

Trigonometrie, nach den griechischen Wörtern trigonon (»Dreieck«) und metron (»Maß«), ist enorm wichtig sowohl für die historische Entwicklung der Mathematik als auch für moderne Anwendungen. Sie ist wohl eine der nützlichsten mathematischen Disziplinen, denn sie ermöglicht uns, in der Welt zu navigieren, Elektrizität zu verstehen und die Höhe von Bergen zu vermessen.

Seit der Antike haben Zivilisationen rechte Winkel in der Architektur geschätzt. Dies führte Mathematiker zum Studium rechtwinkliger Dreiecke: Alle Dreiecke haben drei Winkel, und bei rechtwinkligen Dreiecken ist einer ein rechter Winkel (90 °). Die beiden kürzeren Seiten, die am rechten Winkel anliegen, heißen Katheten. Sie sind nicht unbedingt gleich lang. Die längste Seite gegenüber dem rechten Winkel nennt sich Hypotenuse.


Die Tontafel Plimpton 322

Im frühen 20. Jahrhundert wurde eine babylonischen Tontafel von etwa 1800 v. Chr. mit Informationen über Dreiecke entdeckt. Auf der Tafel, die 1923 von dem US-Verleger George Plimpton gekauft wurde und die man Plimpton 322 nennt, waren numerische Daten über rechtwinklige Dreiecke eingeritzt. Ihre genaue Bedeutung ist umstritten, doch sie listet anscheinend pythagoreische Tripel (je drei ganze Zahlen – Seitenlängen eines rechtwinkligen Dreiecks) neben anderen Zahlengruppen, die den Quadraten der Seiten ähneln, auf. Der ursprüngliche Zweck der Tafel ist unbekannt. Sie war vielleicht ein praktisches Nachschlagewerk für Vermessungen.

»Auch wenn er sie nicht erfand, ist Hipparchos der erste, für dessen systematische Verwendung der Trigonometrie wir schriftliche Belege haben.«

Sir Thomas Heath Britischer Mathematikhistoriker A History Of Greek Mathematics, 1921

Etwa gleichzeitig mit den Babyloniern entwickelten die Ägypter ein Interesse an der Geometrie. Die Triebkräfte dafür waren nicht nur Monumentalbauten, sondern auch die jährlichen Überschwemmungen des Nils, nach denen man die Felder immer wieder neu vermessen musste. Das mathematische Interesse der Ägypter ist klar im Papyrus Rhind dokumentiert, eine Schriftrolle mit einer Anzahl von Aufgaben, u. a. über Bruchrechnung. Eine lautet: »Berechnung einer Pyramide: 360 meh (Ellen) ist die Seite der Grundfläche, 250 meh ist die Höhe. Lass mich ihren seqed wissen.« Ein seqed ist ein Maß für Steigungen, es geht also um ein rein trigonometrisches Problem.

Hipparchos findet Regeln

Beeinflusst von den babylonischen Überlegungen entwickelten die Griechen die Trigonometrie als Teilgebiet der Mathematik mit allgemeingültigen Regeln und nicht nur Zahlentabellen wie ihre Vorgänger. Im 2. Jahrhundert v. Chr. interessierte sich der Astronom und Mathematiker Hipparchos, der als Begründer der Trigonometrie gilt, besonders für Dreiecke, die Kreisen und Kugeln einbeschrieben waren. Und ebenso für die Beziehungen zwischen Winkeln und Längen von Sehnen (Strecken zwischen Punkten auf einem Kreis oder Kurve). Hipparchos erstellte Tabellen, die letztlich die ersten echten Tafeln trigonometrischer Werte waren.

Beiträge von Ptolemäus

Etwa 300 Jahre später schrieb der griechisch-römische Universalgelehrte Klaudios Ptolemaios (lat: Claudius Ptolemaeus) das Werk Mathematike Syntaxis oder Megiste Syntaxis (»Mathematische Zusammenstellung« bzw. »Größte Zusammenstellung«), das später als al-Magisti ins Arabische und von dort als Almagest ins Lateinische übersetzt wurde. Darin führte er die Arbeiten von Hipparchos über Dreiecke und Kreissehnen fort und leitete Formeln ab, um die Positionen von Himmelskörpern zu berechnen, deren Bahnen er als Kreise um die Erde annahm. Ptolemäus verwendete wie seine Vorgänger das babylonische Sexagesimalsystem, ein Stellenwertsystem zur Basis 60.


Im Mittelalter verwendete man Astrolabien, die auf trigonometrischen Prinzipien beruhten, um Positionen von Himmelskörpern zu bestimmen. Hipparch soll sie erfunden haben.

Ptolemäus’ Arbeiten wurden in Indien fortgeführt, wo das wachsende Gebiet der Trigonometrie zur Astronomie zählte. Der Mathematiker Aryabhata (474–550 n. Chr.) studierte Sehnen und berechnete die erste Wertetabelle einer Funktion, die wir heute Sinusfunktion nennen: Eine Winkelfunktion des rechtwinkligen Dreiecks, die gleich dem Verhältnis von Gegenkathete (dem Winkel gegenüberliegender Seite) und Hypotenuse (längster Seite) ist (siehe Grafik).

Arten der Trigonometrie

a = Gegenkathete

b = Ankathete

c = Hypotenuse


Ebene Trigonometrie beschäftigt sich mit Dreiecken in der Ebene (einer flachen, zweidimensionalen Fläche). Mit ihr berechnen etwa Architekten die Stabilität von Gebäuden oder Physiker die Bewegung von Körpern.


Sphärische Trigonometrie behandelt Dreiecke auf Kugeloberflächen (dreidimensional gekrümmte Flächen). Damit berechnen Astronomen Positionen von Himmelskörpern und Navigatoren Längen- und Breitengrade.

Im 7. Jahrhundert lieferte ein anderer großer indischer Mathematiker und Astronom, Brahmagupta, eigene Beiträge zur Geometrie und Trigonometrie, darunter den heute »Formel von Brahmagupta« genannten Satz. Damit findet man die Fläche von Sehnenvierecken, also Vierecken, die einem Kreis einbeschrieben sind. Ihre Fläche lässt sich auch durch trigonometrische Verfahren berechnen, wenn man das Viereck in zwei Dreiecke teilt.

»Die Trigonometrie, wie jeder andere Zweig der Mathematik, ist nicht das Werk eines einzelnen Menschen oder einer einzelnen Nation.«

Carl Benjamin Boyer US-Mathematikhistoriker A History of Mathematics, 1968

Trigonometrie im Islam

Schon Brahmagupta hatte Tafeln mit Sinuswerten erstellt, und im 9. Jahrhundert berechnete der persische Astronom und Mathematiker Habasch al-Hasib (»Habasch der Rechner«) Sinus-, Kosinus- und Tangenstabellen für die Berechnung von Seiten und Winkeln in Dreiecken. Etwa zur gleichen Zeit entwickelte al-Battani (lat.: Albatenius) die Arbeiten von Ptolemäus über die Sinusfunktion weiter und wandte sie auf astronomische Berechnungen an. Er machte höchst genaue Beobachtungen von Himmelskörpern in ar-Raqqa (heutiges Syrien). Der Grund, warum islamische Gelehrte Trigonometrie weiterentwickelten, war nicht nur astronomische Neugier, sondern auch praktisch motiviert, denn Moslems müssen die Richtung zur Heiligen Stadt Mekka an jedem Ort der Erde bestimmen können.

Im 12. Jahrhundert begründete der Inder Bhaskara II. die sphärische Trigonometrie, die Dreiecke und andere Formen auf einer Kugeloberfläche (statt in der Ebene) erforscht.

In späteren Zeiten war die Trigonometrie in der Navigation und Astronomie unschätzbar wertvoll. Die Arbeiten von Bhaskara II. sowie der Almagest von Ptolemäus wurden von islamischen Gelehrten im Mittelalter, die sich bereits lange vor Bhaskara II. mit Trigonometrie beschäftigten, hoch geschätzt.

Hilfe für die Astronomie

Parallel zur Entwicklung der Trigonometrie veränderte sich langsam die Art, wie man Bewegungen der Himmelskörper untersuchte. Statt Bewegungsmuster nur passiv zu beobachten und aufzuzeichnen, begannen Gelehrte, sie mathematisch zu modellieren, um zukünftige astronomische Ereignisse mit größerer Genauigkeit vorhersagen zu können. Die Trigonometrie wurde noch weit bis ins 16. Jahrhundert rein zur Unterstützung der Astronomie studiert, doch dann kamen in Europa neue Entwicklungen in Gang. De Triangulis Omnimodis (»Über Dreiecke aller Art«) wurde 1533 vom deutschen Mathematiker Johann Müller, genannt Regiomontanus, veröffentlicht. Ein Nachschlagwerk aller bekannten Sätze über Seiten und Winkel sowohl von ebenen Dreiecken als auch sphärischen Dreiecken, die auf einer Kugeloberfläche liegen. Ein Wendepunkt für die Trigonometrie: Sie war nun nicht mehr nur ein Teilgebiet der Astronomie, sondern ein wesentlicher Bestandteil der Geometrie.

»Eine Logarithmentafel ist eine kleine Tabelle, mit deren Hilfe wir Kenntnisse über alle geometrischen Dimensionen und Bewegungen im Raum erlangen können.«

John Napier Mirifici Logarithmorum Canonis Descriptio, 1614

Doch die Trigonometrie entwickelte sich noch weiter: Obwohl ihre natürliche Heimat die Geometrie ist, wandte man sie auch zunehmend in Algebra an. Der französische Mathematiker François Viète zeigte, wie man algebraische Gleichungen durch trigonometrische Winkelfunktionen in Verbindung mit dem neuen System imaginärer Zahlen (die der italienische Mathematiker Rafael Bombelli 1572 eingeführt hatte) lösen konnte.

Ende des 16. Jahrhunderts modellierte der italienische Physiker und Astronom Galileo Galilei mit der Trigonometrie Bahnen von Geschossen im Einfluss der Schwerkraft. Dieselben Gleichungen verwendet man auch heute noch, um Raketenbahnen vorauszuberechnen. Ebenfalls im 16. Jahrhundert bestimmte der niederländische Kartograf Gemma Frisius Entfernungen trigonometrisch, sodass man erstmals genau vermessene Karten erstellen konnte.

Neue Entwicklungen

Die Entwicklung der Trigonometrie nahm im 17. Jahrhundert Fahrt auf. Die Entdeckung von Logarithmen durch den schottischen Mathematiker John Napier 1614 ermöglichte es, genaue Sinus-, Kosinus- und Tangenstabellen zu erstellen. 1722 ging der französische Mathematiker Abraham de Moivre einen Schritt weiter als Viète und zeigte, wie man die Winkelfunktionen in der Analysis komplexer Zahlen nutzen kann. Diese Zahlen haben eine reellen und einen imaginären Teil und spielten eine bedeutende Rolle im Fortschritt der Mechanik und Elektrotechnik. Leonhard Euler leitete aus Moivres Ergebnissen die »eleganteste Gleichung der Mathematik« her: e + 1 = 0, auch »Eulers Identität« genannt.


Um den unbekannten Winkel θ in einem rechtwinkligen Dreieck zu bestimmen, verwendet man die Sinusformel, wenn die Längen der Gegenkathete und der Hypotenuse bekannt sind, die Kosinusformel, wenn Ankathete und Hypotenuse bekannt sind, und die Tangensformel, wenn die beiden Katheten bekannt sind.


Triangulationspunkte wie dieser Pfeiler in Wales wurden in vielen Ländern zur systematischen Vermessung aufgebaut, in Großbritannien vom Ordnance Survey ab 1936.

Im 18. Jahrhundert analysierte Joseph Fourier Schwingungen und Wellen mithilfe von Winkelfunktionen. Diese »Fourierreihen« sind seither in vielen Wissenschaftsgebieten wie Optik oder Elektromagnetismus und, in jüngerer Zeit, in der Quantenmechanik sehr wichtig.

Seit die Babylonier und Ägypter über die Länge des Schattens eines in den Boden gesteckten Stabs nachdachten, über Architektur und Astronomie bis hin zu modernen Anwendungen: Die Trigonometrie gehört fest zur mathematischen Sprache, mit der wir das Universum erklären.

Hipparchos


Hipparchos wurde um 190 v. Chr. in Nicäa, dem heutigen Iznik (Türkei), geboren. Wenig ist über sein Leben bekannt. Ruhm erlangten seine astronomischen Studien, die er auf der griechischen Insel Rhodos durchführte. Seine Arbeit wurde im Almagest von Ptolemäus verewigt, der ihn als »Wahrheitsliebenden« bezeichnete.

Das einzige erhaltene Werk von ihm ist seine Kommentarsammlung zu den Phainomena des Dichters Aratos und des Mathematikers und Astronomen Eudoxos, deren Beschreibung der Sternbilder er als ungenau kritisierte. Hipparchos’ wichtigstes Werk war Über Größen und Abstände (heute verloren, aber von Ptolemäus verwendet) über die Bahn von Sonne und Mond, mit denen er Sonnenwenden und Tagundnachtgleichen berechnen konnte. Er erstellte auch einen Sternenkatalog, den Ptolemäus wohl in den Almagest integrierte. Hipparch starb 120 v. Chr.

Hauptwerk

2. Jh. v. Chr. Peri Megethon kai Apostematon (Über Größen und Abstände)

Big Ideas. Das Mathematik-Buch

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