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Die Adria ist keine Badewanne
ОглавлениеIn Karlobag endet der erste Teil meiner Reise auf dem Fahrrad, und zugleich bedeutet das den vorläufigen Abschied von Markus, der nach Hause fährt und den ich erst in ein paar Wochen wiedersehen werde. Ab jetzt ist Schwimmen angesagt. Zwei Freunde, die ich aus Norwegen kenne, warten im Städtchen mit einer Fahrradbox auf mich. Sie werden mein Rad verpacken und per Post nach Dubrovnik schicken, wo ich nach der 460 Kilometer langen Schwimmstrecke wieder in den Sattel steigen will. Dazu ist ein etwas größerer Umbau nötig: Rad und Radausstattung zu verpacken und die eingetroffene Schwimmausstattung mit Floß und Neoprenanzug fertig zu machen, das braucht seine Zeit. Ich übernachte deswegen noch einmal in Karlobag. Von Nachtruhe kann allerdings keine Rede sein, dazu bin ich zu aufgeregt. Schwimmen ist die Disziplin, mit der ich am wenigsten Erfahrung habe, und nun, da es in wenigen Stunden losgehen soll, werfe ich mich hauptsächlich hin und her oder starre an die Decke.
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Am 1. Oktober 2020, Tag sechs meiner Reise, springe ich also noch etwas benommen von der Kaimauer in Karlobag und mache die ersten Armzüge in Richtung Süden. Neben meinem Spezialfloß ziehe ich einen weiteren wasserdichten Sack hinter mir her, in dem ich zusätzliches Essen mitführe. Die nächste Einkaufsmöglichkeit kommt erst in 35 Kilometern, und bei dem, was ich tagtäglich an Kalorien verbrauche, ist eine ausreichende Nahrungszufuhr das A und O.
Nach ein paar Stunden ist die Müdigkeit abgeschüttelt und ich ergebe mich meinem eigenen, ruhigen Rhythmus. Kleine Wellen schwappen um mich herum, die Sonne brennt auf den Neoprenanzug und das Ganze fühlt sich fast wie Urlaub an. Bis gegen Mittag komme ich im Wasser nicht schlecht voran, merke jedoch schnell, dass es an der Küste eine ganze Reihe von Mikroströmungen gibt. Besonders vor den Buchten habe ich damit immer wieder zu kämpfen. Die Adria ist zwar kein Ozean, aber doch ein richtiges Meer, und hier zu schwimmen ist etwas ganz anderes, als ein bisschen im Bodensee zu planschen. Gegen diese Strömungen komme ich kaum an.
Am Nachmittag zieht dann auch noch Gegenwind aus Süd auf, der mir ein weiteres Vorankommen sehr erschwert. Trotzdem muss ich weiterschwimmen, denn ich befinde mich vor einer unwegsamen Steilküste, an der ich nicht einfach so an Land gehen kann. Ich kraule noch bis in die Dämmerung hinein, doch als es richtig dunkel zu werden droht, habe ich keine Wahl. Ich ziehe mich an einem Felsen aus dem Wasser und klettere vorsichtig die steile Böschung hinauf, um mir oben irgendwo eine Schlafgelegenheit zu suchen. In der Dunkelheit ganz allein ohne Begleitboot geht es heute nicht mehr weiter. Ich kauere mich im Schlafsack an einen Felsen und blicke auf das dunkle Meer hinaus. So hatte ich mir den Start der Schwimmstrecke nicht vorgestellt, und doch ist alles richtig hier und jetzt.
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