Читать книгу Das Limit bin nur ich - Jonas Deichmann - Страница 12
Gegenwind
ОглавлениеDer nächste Morgen beginnt ernüchternd: Heftiger Südwind peitscht die See auf, und laut Wettervorhersage bleibt das erst mal so. Bei diesen Bedingungen zu schwimmen, noch dazu mit dem Floß im Schlepptau, ist unmöglich. Da würde ich eher rückwärts getrieben werden. Ich habe auch kein Trinkwasser mehr, also schleppe ich das Floß mit meiner ganzen Ausrüstung hinauf auf die Küstenstraße. Auf den scharfkantigen Steinen reiße ich mir die Fußsohle auf. Es tut höllisch weh, aber es hilft nichts: Ich muss zurück nach Karlobag laufen, um mich neu einzudecken. Mir bleibt nichts anderes übrig, als auf besseres Wetter zu warten. Ich richte mich am Rand von Karlobag provisorisch unter dem Vordach einer leer stehenden Strandhütte ein. Dass es so losgeht, frustriert mich ziemlich. Ich muss mir eingestehen, dass ich stark unterschätzt habe, was es heißt, im Meer zu schwimmen. Meine Vorbereitung war einmal längs durch dem Bodensee, im Süßwasser, ohne Strömungen, ohne hohe Wellen. Aufs Fahrrad übertragen ist das, als ob man im Flachland bei Rückenwind für eine Alpenüberquerung trainiert. Außerdem habe ich Zeitdruck. Mit jedem Tag, den ich für die Schwimmstrecke brauche, komme ich näher an den Winter heran, wird es kälter und wächst die Gefahr von Stürmen. Ich frage mich, wie das werden soll, wenn es jetzt, am Ende des Sommers, schon so ein Wetter hat.
Nach zwei Tagen Zwangspause geht es endlich weiter. Ich hänge mir das Floß an seinem Tragegurt über die Schulter, laufe wieder zu der Stelle, wo ich das Wasser verlassen hatte, und lasse mich hineingleiten. Jetzt will ich endlich vorankommen. Immer längs der steilen Küstenlinie schwimme ich den Velebit-Kanal entlang, der die Insel Pag vom Festland trennt. Das Wasser ist glasklar, trotzdem sind diese Tage brutal schwer. Es ist ein ständiger Kampf gegen Wind und Strömungen; mehr als acht, höchstens zehn Kilometer pro Tag schaffe ich nicht. Auch Essen und Trinkwasser zu finden ist schwierig. Alles hat zu: Saisonende und coronabedingte Schließungen scheinen sich gegen mich verschworen zu haben. Schlafplätze sind ebenfalls schwer zu finden. Die Küste ist felsig und kahl. Ich schlafe unter freiem Himmel im Schlafsack, ohne Zelt. Jede Nacht von Regen geweckt zu werden zehrt an den Kräften. Einmal lege ich mich in ein Boot, das ich unter einer Brücke finde. Dort ist es wenigstens trocken und ich kann mal wieder durchschlafen. Ein Lichtblick sind die Einheimischen, die ich manchmal am Ufer sehe. Alle sind sehr freundlich; immer wieder geben sie mir Wasser, einmal bekomme ich sogar Essen. Ich vermute, sie haben Mitleid mit diesem armen nassen Mann und seinem merkwürdigen Floß.