Читать книгу Die Spuren der DDR - Jonathan Bach - Страница 4

Einführung

Оглавление

»Die DDRDDRs. Deutsche Demokratische Republik (DDR)Deutsche Demokratische Republik (DDR)s. auch KommunismusDeutsche Demokratische Republik (DDR)s. auch kulturelles GedächtnisDeutsche Demokratische Republik (DDR)s. Design der DDR-ZeitDeutsche Demokratische Republik (DDR)s. auch Wirtschaft/ÖkonomieDeutsche Demokratische Republik (DDR)s. Kitsch der DDRDeutsche Demokratische Republik (DDR)s. Erinnerung an die DDR hat’s nie gegeben.« Das ist natürlich Unsinn – die Deutsche Demokratische Republik, d. h. OstdeutschlandOstdeutschlands. Deutsche Demokratische Republik (DDR), hat während des Kalten Krieges 40 Jahre lang existiert, als Frontlinie des Sowjetblocks, als der sozialistische Doppelgänger WestdeutschlandsBundesrepublik Deutschland (BRD)Westdeutschlands. Bundesrepublik Deutschland (BRD) und als gelebte Realität für 16 Millionen Menschen. Dennoch wurde 18 Jahre nach der deutschen VereinigungVereinigungs. Monumente/Denkmäler nach der WendeVereinigungs. auch Wiedervereinigung im Jahr 1990 dieser SloganSlogans in über 30 cm großen Lettern auf das noch erhaltene Fundament des vor kurzem abgerissenen ostdeutschen Palastes der Republik in der Mitte BerlinsBerlins. auch Architektur im wiedervereinten B.Berlins. auch authentische Identität Berlins aufgesprüht.1 Diese ironische Provokation zeigt die gespenstische Situation, die durch die Vereinigung geschaffen wurde: Die DDR wurde zu einer gegenwärtigen AbwesenheitDeutsche Demokratische Republik (DDR)als gegenwärtige AbwesenheitAbwesenheits. auch Abwesende Gegenwart / Abwesenheit der Gegenwart, auf die man sich berief, um sie meist gleich wieder zu verleugnen.2 Als 1990 das fortschrittlichste sozialistische Land mit halsbrecherischer Geschwindigkeit zusammenbrach, erschienen die von ihm hinterlassenen Artefakte als Schutt, als Trümmer, die plötzlich unzeitgemäß und fehl am Platz waren, als anachronistische Überbleibsel eines gescheiterten Traums von sozialistischer Modernitätsozialistische ModernitätModernitäts. Sehnsucht nach der ModerneModernitäts. auch kapitalistische ModerneModernitäts. auch sozialistische Modernität. Dieses Buch befasst sich mit den Folgen einer solch radikalen Diskontinuität. Sein Blick richtet sich auf das, was geschieht, wenn der Staat verschwindet und ein materielles VermächtnisVermächtniss. Erbe hinterlässt, das sich einer Reaktion vonseiten gewöhnlicher Menschen widersetzt und sie zugleich einfordert. Diese Reaktion verfolge ich anhand heutiger BegegnungenBegegnungs. auch Eigensinn mit Dingen und Orten des sozialistischen AlltagsAlltagslebenim SozialismusAlltags. AlltagslebenAlltagslebens. Sammler des A.Alltagslebens. Begegnung mit dem A.. Umetikettiert in ObjekteObjektes. auch MuseenObjektes. Authentizität, O. und AlltagslebenObjektes. auch AlltagslebenObjektes. auch MüllObjektes. Intimität durch O.Objektes. KitschobjekteObjektes. Sehnsucht getrennt vom O. der NostalgieNostalgies. Kommerzialisierung und N.Nostalgies. Kommunismus-N.Nostalgies. Ostprodukte als Gegenteil von N.Nostalgies. Materialität und N.Nostalgies. auch modernistische N.Nostalgies. auch Ostalgie, werden sie wiederverwendet, um die Gesellschaft zu kritisieren, und auf eine Weise neu genutzt, die die Bedeutung der VergangenheitsbewältigungVergangenheitsbewältigungs. auch Aufarbeitung (der Vergangenheit) verändert.

Als der bekannte frühere ostdeutsche Bürgerrechtler Joachim GauckGauck, Joachim, der bald darauf Bundespräsident von DeutschlandBundesrepublik Deutschland (BRD)Deutschlands. Bundesrepublik Deutschland (BRD)Deutschlands. Deutsche Demokratische Republik (DDR)Deutschlands. vereintes Deutschland werden sollte, in einem Interview gefragt wurde, ob die DDR-Nostalgie eine GefahrNostalgiegefährliche N. für die DemokratieDemokratieOstalgie als Gefahr darstelle, antwortete er: »Aber selbstverständlich. OstalgieOstalgies. Objekte der O.Ostalgies. auch OstprodukteOstalgies. auch Nostalgie verringert all das, was unsere Demokratie ausmacht. Durch selektives Erinnernselektive Erinnerung, Bagatellisierungen und Leugnen droht die politische Urteilsfähigkeit bei der grundsätzlichen Unterscheidung von Diktatur und Demokratie verloren zu gehen.«3 Solche immer wiederkehrenden Statements beziehen sich auf die Diskussion des Alltags im SozialismusAlltagslebenim SozialismusSozialismuss. Alltagsleben im S.Sozialismuss. auch Postsozialismus und lassen wenig RaumRaums. auch dritter RaumRaums. auch Zeitraum für Ambiguitäten. So heißt es 2014 in einer dem »Alltag« gewidmeten didaktischen Schrift der Denkfabrik, die der wichtigsten politischen Partei Deutschlands nahesteht: »Nur wer bereit war, sich mit MangelwirtschaftWirtschaft/ÖkonomieMangelwirtschaftWirtschaft/Ökonomies. auch SchwarzmarktWirtschaft/Ökonomies. auch kreative ÖkonomieWirtschaft/Ökonomies. auch Marktwirtschaft, Umweltverschmutzung, Überwachungsstaat und Schießbefehl an der Grenze zu arrangieren, oder wer diese Realität für sich verdrängen oder als unabänderlich hinnehmen konnte, für den war es möglich, den Alltag in der geschlossenen Gesellschaft des SED-StaatesSozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED)Ostdeutsche kommunistische Parteis. Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED)SEDs. Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) als weitgehend normal anzusehen.«4

Gleichzeitig zeigen Meinungsumfragen 20 Jahre nach der Vereinigung, dass die Hälfte der früheren DDR-Bürger, etwa acht Millionen Menschen, in dem gescheiterten Staat rückblickend »mehr Gutes als Schlechtes« sehen.5 Die Ostalgie, ein Neologismus, der die deutschen Wörter Osten und Nostalgie kombiniert, hat sich als ein wichtiges gesellschaftliches Phänomen jahrzehntelang gehalten, sie betrifft den Handel, die Medien und den Tourismus und ist ein ständig wiederkehrendes Thema in politischen und kulturellen Diskussionen. Nicht nur aufsässige loyale Regimeanhänger haben den Eindruck, dass die sozialistischen Bestrebungen im Prinzip löblich waren, dass im Osten, trotz der Überwachung durch den Staat, Freundschaften aufrichtiger oder die speziellen sozialen Wohlfahrtsprogramme der DDR wie etwa die Kinderbetreuung progressiver waren als im Westen. Um zu verstehen, worum es bei der »keineswegs hilfreichen […] Meinungspolarisierung« geht, die sich hinsichtlich des – besonders das Alltagsleben betreffenden – Vermächtnisses der DDRAlltagslebenin der DDRvereintes DeutschlandVermächtnis des sozialistischen Alltags zeigt, ist es wichtig, gegenwärtige Diskussionen im Kontext des doppelten Erbesdoppeltes ErbeErbe (inheritance)s. Ambiguität/Mehrdeutigkeit des E. der nationalsozialistischen und sozialistischenKommunismusDDR, Nationalsozialismus und K.NationalsozialismusVergleich mit Sozialismus VergangenheitVergangenheits. auch MultidirektionalitätVergangenheits. auch VergangenheitsbewältigungVergangenheits. auch Aufarbeitung (der V.) zu verorten.6 Trotz ihrer gegensätzlichen Ideologien werden diese Regime häufig in einen Topf geworfen und im alltäglichen Sprachgebrauch als die beiden Diktaturen DeutschlandsBundesrepublik Deutschland (BRD) bezeichnetDiktaturVergleich zwischen der Zeit des Nationalsozialismus und der DDR.7 In einer Nation, deren heutige IdentitätIdentitätdeutsche I. weitgehend auf ihrer substantiellen Bewältigung der Vergangenheit beruhtVergangenheitsbewältigungIdentität und V., durchgeistert und prägt dieser umstrittene Vergleich manch eine Debatte über die ErinnerungErinnerung/Gedächtniss. Antipolitik der E.Erinnerung/Gedächtniss. Aneignung durch E.Erinnerung/Gedächtniss. auch KommerzialisierungErinnerung/Gedächtniss. auch Wirtschaft/ÖkonomieErinnerung/Gedächtniss. auch Erbe und E.Erinnerung/Gedächtniss. auch kollektive Erinnerung / kollektives GedächtnisErinnerung/Gedächtniss. auch kulturelles GedächtnisErinnerung/Gedächtniss. auch VergessenErinnerung/Gedächtniss. auch multidirektionale E.Erinnerung/Gedächtniss. auch selektive E. an die sozialistische und darüber hinaus auch an die nationalsozialistische KommunismusDDR, Nationalsozialismus und K.NationalsozialismusVergleich mit SozialismusZeitZeits. auch DetemporalisierungZeits. auch RetemporalisierungZeits. auch Temporalität und hat Auswirkungen auf eine breitere europäische Erinnerungsethik, die maßgeblich auf dem deutschen Modell beruht.8

Daher ist der Alltag bei weitem kein harmloses Thema. Dies Buch sieht ihn weder als eine Stätte der Verdammnis noch der Erlösung. Der Alltag überschreitet und übersteigt die GrenzenGrenzens. auch Berliner Mauer als G. des Politischen durch seine Formbarkeit – der Alltag als Zuflucht, als falsches Bewusstsein, als Raum für Befreiung und Kollusion, für Rückzug und Ruhelosigkeit. Die materielle KulturSammelnmaterielle Kultur und Massenproduktionmaterielle Kulturs. Komplizenschaft und m. K.materielle Kulturs. Alltagsleben und m. K.materielle Kulturs. Sammeln, m. K. und Massenproduktion gestattet einen einzigartigen Einblick in die Funktionsweisen des Alltagsmaterielle KulturEinblick in die Funktionsweisen des Alltags in Situationen radikaler Diskontinuität, da sie gewöhnlichen Dingen eine wichtige, aber noch nicht ausreichend erforschte Rolle bei der Aufarbeitung des lebendigen Vermächtnisses umstrittener VergangenheitenAufarbeitung (der Vergangenheit)s. auch Vergangenheitsbewältigung zuschreibt.

Indem es untersucht, auf welche Weise die Vergangenheit in der Gegenwart angeeignet wirdVergangenheitAneignung, teilt dieses Buch ein Kernanliegen der erinnerungsgeschichtlichen Studien darüber, wie eine symbolische Bedeutung entsteht und Orten, Dingen und Menschen zugewiesen wird.9 Es bereichert solche Ansätze, indem es darauf schaut, wie unterschiedliche Arten des Umgangs mit materiellen ReliktenObjekteUmgang mit O. die Formen der KommerzialisierungKommerzialisierungs. auch Aneignung, Präsentation und Performanz – die ich als AneignungsakteAneignungKommerzialisierung bezeichne – annehmen. Diese Arten des Umgangs ergänzen, verschieben und stellen die symbolische Bedeutung in Frage. Während Erinnerungsstudien sich häufig damit befassen, wie diese Umgangsformen neue Narrationen der Vergangenheit hervorbringen, möchte ich zeigen, dass die materielle Kultur der Vergangenheit in sich überschneidenden Ökonomien der Gegenwart zirkuliertmaterielle KulturDarstellung der Vergangenheit: auf dem Markt für »Ostprodukte«Deutsche Demokratische Republik (DDR)Produkte, in der symbolischen Ökonomie nationaler Symbole, in der kreativen Ökonomie im Berlin des 21. Jahrhunderts sowie in der globalen ErinnerungsökonomieWirtschaft/ÖkonomieErinnerungsökonomie.

Die Zirkulation führt weder zur Formulierung eines neuen Narrativs über die Vergangenheit (auch wenn konkurrierende Darstellungen gefördert werden) noch dazu, dass man Geld verdient (auch wenn sich einiges Geld verdienen lässt) oder dass die Vergangenheit »lebendig« gehalten wird (auch wenn ein gewisses historisches Bewusstsein erweitert und generationenübergreifend übermitteltgenerationenübergreifende Übermittlunggenerationenübergreifende Übermittlungs. auch Erbegenerationenübergreifende Übermittlungs. auch dritte Generation Ost wird). Vielmehr hält sie die Gegenwart in Bewegung und verhindert das Erstarren von Narrativen. Die materielle Kultur, die ich in diesem Buch untersuche, hat einen wenig komfortablen Platz zwischen verschiedenen WertepolenVereinigungund materielle KulturWertPoleWerts. auch AneignungWerts. auch Objekte. Einige Objekte aus der Vergangenheit, wie etwa Antiquitäten, sind wertvoll und weiterhin im Umlauf, haben aber nichts VerstörendesVerstörendes/Unbestimmtes an sich (außer vielleicht, wenn sie gestohlen werden). Andere wiederum, wie z. B. manche obsolet gewordene Produkte, sind wertlos und zirkulieren nicht mehr (außer vielleicht als AbfallAbfallObjekte als A.Abfalls. auch Müll). Die in diesem Buch analysierten verwaisten Artefakte aus der früheren DDR sind mehrdeutig, und ihre Verbreitung erhöht jene Ambiguität. Ihr Wert beruht also, wenn man so will, nicht auf dem Austausch, sondern auf ihrer Fähigkeit zu verstören.ObjekteWert von O.

Diese Objekte verstören, weil alltägliche Gegenstände und Orte – hier Haushaltswaren, Fernsehapparate, Gebäude und sogar die Berliner MauerBerliner Mauers. auch Aneignung der B. M. selbst – auf eine Weise verwendet (und zweckentfremdet) werden, die von ihren Herstellern, ursprünglichen Nutzern oder der Mainstream-Gesellschaft nicht vorausgesehen oder sanktioniert wurde.10 Sich zwischen Unsichtbarkeit und SichtbarkeitÜberschussan Unsichtbarkeit und SichtbarkeitRuinenSichtbarkeitSichtbarkeitÜberschusss. abgeschöpft durch Aneignung bewegend, zeigen sie, wie Überreste des Sozialismus zu volkstümlichen Formen der Erinnerung werden und eine unterschiedliche Entwicklung nehmen, parallel zu den offiziellen öffentlichen Erinnerungsdiskursen und häufig auch gegen sie. Dieses Buch zeichnet die verstörenden Wirkungen dieser von ihrem verschwundenen StaatDeutsche Demokratische Republik (DDR)verschwunden abgekoppelten Artefakte nach und stellt dar, wie normale Menschen die Räume des Alltags nutzen, um eine Erinnerung von untenAlltagslebenund die Erinnerung von unten zu schaffen.11

Die Geschichte dieses Buches beginnt mit der Zeit, als Ostdeutschland, das als das ökonomisch und technologisch höchstentwickelte Land des OstblocksDeutsche Demokratische Republik (DDR)technologische Führerrolle galt, im Jahr 1990 verschwand, nicht einmal ein Jahr nach seinem 40. Geburtstag. Mit seinem jähen Fall schien die gesamte Materialität eines modernen Staates plötzlich veraltet, angefangen mit der Kleidung und den WaschmittelnMaterialitätÜberschneidung mit dem Alltag über die Fabriken bis hin zur Berliner Mauer. Eine solch extreme Kehrtwende war nur möglich, weil das Ende des Ostens technisch gesehen ein Beitritt zum Westen war, nicht aber ein Zusammenschluss zweier gleichberechtigter Staaten: Am 3. Oktober 1990, um null Uhr, wurde das (bundesrepublikanische)Bundesrepublik Deutschland (BRD)s. auch vereintes Deutschland deutsche Recht buchstäblich über Nacht im gesamten Osten eingeführt. Viele ehemalige Ostdeutsche (und einige ehemalige Westdeutsche) verurteilten diese Form der Vereinigung, da sie den Osten der Möglichkeit beraubte, die Bedingungen für seine Umgestaltung festzulegen, da sie den Geist der ursprünglichen Revolution gegen die kommunistische Regierung verriet und einer Kolonisierung peinlich nahekam. Ob die Vereinigung auf diese Weise geschehen musste oder nicht, sie bereitete jedenfalls den Weg sowohl für ein ungleiches Machtverhältnis als auch für einen noch nie dagewesenen Fall von kultureller Obsoleszenzkulturelle Obsoleszenz, weil binnen kurzem die Infrastruktur, die ProdukteDeutsche Demokratische Republik (DDR)Produkte und Standards eines gesamten Landes allgemein als minderwertig, antiquiert und nicht wünschenswert galten und rasch durch westliche Güter ersetzt wurden.

Als in den 1990er Jahren die MarktwirtschaftMarktwirtschafts. Kommerzialisierung in der M. etliche frühere sozialistische Länder hinwegfegteMarktwirtschaft, kam es überall im ehemaligen Sowjetblock zu kultureller Obsoleszenzkulturelle Obsoleszenz und zur Fetischisierung westlicher Waren. Doch wegen ihres rasanten Beitritts zu WestdeutschlandBundesrepublik Deutschland (BRD) ging in der Ex-DDR dieser Prozess noch viel weiter. Das macht den Wandel in der DDRDeutsche Demokratische Republik (DDR)Wandel einzigartig, während er zugleich die Transformationen in der materiellen KulturAlltagslebenmaterielle KulturVereinigungund materielle Kultur und im Alltagsleben überall in der postsozialistischen WeltAlltagslebenim PostsozialismusPostsozialismus ankündigte, von Osteuropa und den Balkanstaaten über Russland und Zentralasien bis zum nachrevolutionären ChinaChina, das seinen eigenen Weg ging.12

Die in DeutschlandBundesrepublik Deutschland (BRD) besonders schnelle Veränderung stellt für das Verständnis der Modalitäten des AlltagsAlltagslebenModalitäten des A. eine außergewöhnliche Herausforderung dar. Entsprechende ethnographische Studien gehen meist davon aus, dass der Alltag in differenzierte Gewohnheiten eingebettet, auf sie gegründet und in ihnen verkörpert ist. Aber da die Vereinigung so abrupt erfolgteVereinigungabruptes Ereignis, scheint der sozialistische AlltagAlltagslebenim Sozialismus im heutigen Deutschland zerrissen, entkörpert und seines Kontextes beraubt. Der Alltag ist kein vorgegebener Analysebereich, sondern seinerseits ein Artefakt, das wieder angeeignet, rekombiniert und neu gedeutet werden kann. Für diejenigen, die im Sozialismus lebten, wurde der Alltag zu einer Sphäre, wo die Menschen unter neuen Verhältnissen mit ihren Lebenserfahrungen konfrontiert sind und wo Begegnungen mit AlltagsgegenständenBegegnungmit dem Alltagsleben »von früher« in der Gegenwart schwierige Fragen aufwerfen: Was stiftet KomplizenschaftKomplizenschafts. auch doppeltes Erbe in dem früheren System und was Zustimmung in dem aktuellen?

Diese Komplizenschaft ist geknüpft an den Status der materiellen KulturKomplizenschaftund materielle KulturAlltagslebenmaterielle Kultur im StaatssozialismusSozialismusStaatssozialismus, in dem die materielle Welt – von Haushaltsprodukten bis zu Lebensmittelläden und Gebäuden – vom Staat ausdrücklich in Dienst genommen wurde, um das Klassenbewusstsein zu formen und zu disziplinieren. Etwas so Banales wie ein farbiger Plastikeierbecher der DDR enthält die kondensierte Geschichte des ostdeutschen Plastiks als ideologischer Frontlinie im Kampf für sozialistische Werte und Macht.13 Dies führt in wissenschaftlichen und politischen Diskursen zu dem starken Subtext, dass der sozialistische AlltagAlltagslebenim Sozialismus zwangsläufig eine dunklere antidemokratische Agenda verbirgt. Der persönliche AndenkenkitschKitschs. Sammler von K. oder die in Ehren gehaltene Erinnerung kann daher auch als symbolische VerharmlosungVerharmlosung verurteilt werden. Und das Letzte, was ein verantwortungsbewusster, demokratischer Bürger möchte, ist, dass man ihn beschuldigt, er habe die Geschichte der deutschen Diktatur für harmlos erklärt.

* * *

Während das Alltagsleben im früheren OstdeutschlandAlltagslebenin der DDR für Historiker an Interesse hinzugewonnen hat, haben nur vergleichsweise wenige Wissenschaftler untersucht, welche Rolle der sozialistische Alltag im vereinigten DeutschlandBundesrepublik Deutschland (BRD) bei der AufarbeitungAufarbeitung (der Vergangenheit)Alltagsleben und A. der Vergangenheit spielt.14 Sogar noch weniger Aufmerksamkeit hat man der Frage gewidmet, welche Bedeutung der sozialistischen materiellen Kultur im Vereinigungsprozessmaterielle KulturRolle im VereinigungsprozessVereinigungund materielle Kultur auf der alltäglichen EbeneAlltagslebenmaterielle Kultur zukommt.15 Die Spuren der DDR teilt mit den Historikern des Alltagslebens die Überzeugung, dass die Veränderung nicht nur große Strukturen, sondern auch tägliche Praktiken betrifft. So wie historische Analysen des Alltagslebens unter dem FaschismusAlltagslebenim Faschismus und ähnliche Studien über die sozialistische ÄraSozialismusÄra des S. betont das Buch individuelles Handeln und Kontingenz. Dennoch befasst sich diese Untersuchung nicht mit der Geschichte, sondern mit der Gegenwart. Ich versuche nicht, die Vergangenheit mithilfe des Alltags zu rekonstruieren oder das »Problem der Normalität« aus historischer Perspektive zu erklären.16 Vielmehr untersuche ich, was mit diesem Alltag geschieht, nachdem er, abruptVereinigungabruptes Ereignis unterbrochen, zu einem schwierigen ErbeErbe (inheritance)s. auch doppeltes ErbeErbe (inheritance)s. auch elegisches ErbeErbe (inheritance)s. auch mythisches ErbeErbe (inheritance)s. auch performatives Erbe des heutigen vereinten DeutschlandsBundesrepublik Deutschland (BRD)vereintes Deutschlands. auch Deutsche Demokratische Republik (DDR)vereintes Deutschlands. auch Bundesrepublik Deutschland (BRD) geworden ist.

Gestützt auf Interviews, Feldstudien, wissenschaftliche Untersuchungen und Medien-Analysen, die einen ZeitraumZeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten umfassen, ist Die Spuren der DDR eine Ethnographie der BegegnungBegegnungEthnographie der B., im Sinne von Lieba FaierFaier, Lieba und Lisa RofelRofel, Lisa, wonach »Bedeutung, Identitäten, ObjekteIdentitätdurch Objekte und Subjektivitäten durch ungleiche Beziehungen zwischen Menschen und Dingen entstehen, die auf den ersten Blick als unterschiedlich gelten können«.17 Für Faier und Rofel ist eine Begegnung der Prozess, durch den Kategorien durch »sich über Unterschiede hinwegsetzende Engagements« entstehen.18 Was wir als heutige deutsche IdentitätIdentitätdeutsche I. ansehen, ist zum Teil das Ergebnis von der Art von Begegnungen, die in diesem Buch untersucht werden. Diese Begegnungen vollziehen sich zwischen Menschen und Menschen, Menschen und Dingen sowie Dingen und Menschen. Durch diese Begegnungen werden die hier behandelten Artefakte zu Stätten aktiver Verstörung, durch die sie in den Medien, im allgemeinen Bewusstsein und auf dem Markt im Umlauf gehalten werden.

Beginnend mit dem Lokalen, Intimen und Kleinen, wendet sich Die Spuren der DDR dann dem Nationalen und Globalen, dem Unpersönlichen und Großen zu. Das Buch befasst sich mit nostalgischen KonsumgüternObjekteKonsumgüter, MuseenMuseens. auch AntipolitikMuseens. Aneignung in M.Museens. Aura von M.Museens. Authentizität von M.Museens. auch AlltagslebenMuseens. Intimität in Museumsausstellungen zum Alltag im SozialismusAlltagslebenim Sozialismus, dem Streit über das frühere ostdeutsche Parlamentsgebäude und den Überresten der Berliner MauerBerliner MauerÜberreste. Diese meist anspruchslosen Stätten unterscheiden sich von prominenten Fällen wie den Akten der Geheimpolizei oder den Mauerschützenprozessen. Anders als Studien über politische Institutionen, über Intellektuelle oder die Dauerhaftigkeit von StereotypenStereotype über die frühere Ost-West-Grenze hinweg erfassen diese Stätten das Spiel von Gegenwart und AbwesenheitAbwesende Gegenwart / Abwesenheit der Gegenwart nach dem politischen Umbruch, das sich aus dem hartnäckigen Fortbestand der materiellen Überreste entspinnt: Gegenwärtige und künftige Generationen können kaum entscheiden, ob sie den Überresten der Vergangenheit begegnen wollen oder nicht – die Dinge sind da.19 Dennoch sind sie nicht automatisch Teil dessen, was wir leger als Erinnerung bezeichnen. Im Gegenteil, es kostet Mühe, Objekte mit einem ErinnerungswertErinnerung/GedächtnisWert und E.ErinnerungswertErinnerungswerts. Authentizität und E. auszustattenObjekteWert von O..

In diesem Buch lege ich dar, dass eine solche Erinnerungsarbeit durch Akte der AneignungAneignungErinnerung durch A. – des Prozesses, etwas zu seinem Eigenen zu machen – geschieht und dass die Aneignung in der Erinnerungsforschung einen eigenen konzeptuellen Status verdient, wenn man verstehen will, wie normale Menschen sich mit verleugneten Vergangenheiten auseinandersetzen. Aneignung ist der Schlüsselmechanismus, durch den Dinge, die einmal als längst vergangen galten oder der Erinnerung nicht wert schienen, aktiv in die Gegenwart (re)integriert werden und einen neuen WertAneignungneuer Wert, geschaffen durch A. erhalten. Im Englischen wird der Begriff appropriation häufig in der Bedeutung verwendet, dass man sich auf Kosten eines anderen etwas nimmt, ein gewaltsamer Eigentumstransfer, der in gewisser Weise ungesetzlich oder zumindest moralisch fragwürdig ist. Der Begriff kann sich aber auch, weniger wertend, auf den Prozess beziehen, in dessen Verlauf ein Objekt in die Gewohnheiten von Menschen und dadurch in ihr Selbstverständnis integriert wird. Tatsächlich bezeichnete der Philosoph und Pragmatiker William JamesJames, William den Akt der Aneignung als zentral für die Konstruktion der IdentitätIdentitätKonstruktion der I. durch Aneignung aus der Erfahrung. Unser gegenwärtiges Selbst, »der Haken, an dem die Kette früherer Selbste hängt«, wie es James formulierte, eignet sich die Vergangenheit anVergangenheitAneignung und wird von der Zukunft in Besitz genommen.20

Ich verwende den Begriff »Aneignung«, weil er das Augenmerk sowohl auf die Materialität als auch auf den prozessualen Charakter von ansonsten singulären Ereignissen richtet. Die Vereinigung ist das, was die Soziologin Robin Wagner-PacificiWagner-Pacifici, Robin eher als »ruheloses Ereignis« denn als ein Ereignis mit klarem Anfang und Ende bezeichnen würde und das auf einem teleologischen ÜbergangÜbergang beruht.21 Die Objekte, mit denen sich dieses Buch befasst, von der Müllkippe bis zum Laden und MuseumMuseenals Objekt, sind ruhelos, und Begegnungen mit ihnen formen die Identität (neu)Identitätdurch Objekte entlang der Kette von Vergangenheit und ZukunftVergangenheitsbewältigungIdentität und V.. In anthropologischen Studien über die kulturelle Aneignung verändert sich die Bedeutung von Objekten, die kulturelle Grenzen überschreitenGrenzenÜberschreitung von G., wenn sie zu Objekten ästhetischen Begehrens werden – eine einst heilige Statue wird zu einem privaten Schmuckgegenstand, ein Geschenk zur Ware, Nutzwert zum Austauschwert. Wenn sie Grenzen überschreiten, seien sie zeitlicher oder räumlicher Natur, ändert sich ihr WertObjekteWert von O., ähnlich wie bei Waren, die beim Überschreiten nationaler GrenzenGrenzenÜberschreitung von G. im Wert »steigen« oder »fallen«Wertvon Waren.22

Die banalen Objekte, die in der ersten Hälfte des Buches unter die Lupe genommen werden – einst ausrangierte oder verspottete Lebensmittel oder Kleidungsstücke –, ändern ihren WertObjekteWert von O., wenn sie infolge der Kommerzialisierung in der MarktwirtschaftKommerzialisierungin der MarktwirtschaftMarktwirtschaft oder in MuseumsausstellungenMuseenAusstellungen erneut zirkulieren. Dadurch können solche Objekte als eine Form der generationenübergreifenden kulturellen Übermittlunggenerationenübergreifende Übermittlung fungieren und generieren eher neue Praktiken, als dass sie zu passiven Symbolen für politische Manipulation, Erlösung oder Widerstand werden. Eine Kommerzialisierung der VergangenheitVergangenheitKommerzialisierung bildet, so behaupte ich, per se kein Hindernis für die »positiven Erinnerungsziele«Kommerzialisierungals Hindernis für die Erinnerung, sondern gestattet es vielmehr amateurhaften, populären und performativen Arten der Aneignung, legitime Wissensformen über die Vergangenheit hervorzubringen.23

Dieser Prozess zeigt sich auf andere Weise in der zweiten Buchhälfte, wo wir von (ursprünglich) privat konsumierten Objekten zur Konsumption urbaner RäumeRaumurbaner R. der früheren sozialistischen Staatsmacht übergehen. Hier ist das Alltägliche in Form monumentaler sozialistischer Bauwerke, die einst das Alltagsleben zu vereinnahmen und zu kontrollieren versuchten, auf den Kopf gestelltAlltagslebenDarstellung des A.. Bei der Beschäftigung mit prominenten Bauten, die aktiv unmarkiert – abgerissen, entweiht, zerstört – und dann durch ihre spätere Aneignung erneut markiert werden, sehen wir, dass sie am Ort ihres VerschwindensVerschwindens. auch Berliner MauerVerschwindens. auch GrenzenVerschwindens. auch Erinnerung/Gedächtnis wieder erscheinen und so in einem erbitterten Streit über die Bedeutung der Vergangenheit, der Nation und des Wesens authentischer Repräsentation und Erfahrung weiter zirkulieren. Zwei dialektische Formen des Verschwindens – es geht um den früheren ostdeutschen Palast der RepublikPalast der Republiks. Aneignung des P. d. R.Palast der Republiks. Architektur des P. d. R.Palast der Republiks. Aura des P. d. R. und das Wiederauftauchen der Berliner Mauer als GedenkstätteGedenkstättens. Abwesenheit in Erinnerungsstätten nach einer Generation der Abwesenheit – stehen im Mittelpunkt und zeigen den aktiven Kampfelegisches ErbeKampf um das Erbe nicht als TrauerTrauers. Hamletmaschine als Symbol für T. über eine verlorene Vergangenheit, sondern als Bemühungen, die in materiellen Objekten enthaltene überschüssige symbolische Kraft zu nutzen und zu steuern.

Kapitel 1 beginnt mit Konsumartikeln aus der Zeit der DDR, den sog. »Ostprodukten«Deutsche Demokratische Republik (DDR)Produkte. Es befasst sich mit ihrem Verschwinden und Wiederauftauchen im Kontext des zugehörigen Tropus der Kommunismus-NostalgieKommunismusK.-NostalgieKommunismuss. Sammeln von kommunistischen ReliktenKommunismuss. auch Sozialismus. Die starken Emotionen, die durch diese anscheinend alltäglichen DingeAlltagslebenAlltagsobjekte und Emotionen ausgelöst werden, sind, so meine Behauptung, kennzeichnend für die Schwierigkeiten, sich dem »normalen« Leben unter einer Diktatur in einem Land zu stellen, in dem der nationalsozialistische Alltag umstritten bleibt. Am Anfang des Kapitels steht ein Besuch des damals neu eröffneten IntershopIntershop 2000 im früheren Ostberlin, gefolgt von einer Untersuchung darüber, wie der KonsumKonsums. kulturelle Kompetenz zu einem Mittel wurde, die – durch die WiedervereinigungWiedervereinigungs. Museen nach der W.Wiedervereinigungs. Preußen nach der W.Wiedervereinigungs. auch Vereinigung verursachte – rasche kulturelle WendeWendes. WiedervereinigungWendes. Vereinigung psychologisch und gesellschaftlich zu verarbeiten. Das Kapitel endet mit dem Besuch einer Berliner HandelsmesseHandelsmessen für OstprodukteOstprodukteMessen im Jahr 2013 und zeigt, dass diese sich von verspotteten ephemeren Artikeln zu einer regionalen IndustrieOstprodukteWandel von nostalgischen zu regionalen Produkten entwickelt haben. Ostprodukte sind zu Objekten der »Ostalgie«Objekteder Ostalgie gewordenAneignungvon Ostprodukten, der Nostalgie nach Dingen aus dem Osten, und erfordern im vereinten DeutschlandBundesrepublik Deutschland (BRD) eine neue Form der Bewertung. Im Gegensatz zu den Medien, die Ostprodukte standardmäßig als oberflächliche oder triviale Überbleibsel abtun, zeige ich, dass die Nostalgie, die sich in ihnen verkörpert, als Trickbetrügerin fungiertTrickster/TrickbetrügerFunktionen und das nationale Projekt des kollektiven GedächtnissesGedächtniss. Erinnerung/Gedächtnis durch IronieIronies. ironische AneignungIronies. auch Checkpoint Charlie, Wortspiele und symbolische MehrdeutigkeitAmbiguität/Mehrdeutigkeitim Dienst der Parodiekollektive Erinnerung / kollektives Gedächtnissymbolischer GehaltOstprodukteHumor subtil untergräbt. Für die Nostalgie als kollektives PhänomenNostalgieals Phänomen spielt, so meine Behauptung, die Kommerzialisierung eine entscheidende RolleKommerzialisierungNostalgie und K., da sie, indem sie repräsentative ProdukteDeutsche Demokratische Republik (DDR)Produkte aus einer vergangenen Epoche als wertvoll markiert, diese im Umlauf hält und ihnen die Vermittlung kulturellen Wissens ermöglicht. Durch das Beseitigen und Rekombinieren der Symbole, SlogansSlogans und Stile des alten Regimes werden Objekte der Nostalgie letztlich wieder modern.

Kapitel 2 verfolgt den Weg der sozialistischen Alltagsobjekte vom Ladenregal ins Museum und stellt den in Kapitel 1 behandelten Kommerzialisierungstaktiken neue Ausstellungs- und PräsentationsstrategienMuseenAusstellungen bei der Schaffung kultureller Erinnerungkulturelles GedächtnisSchaffung kultureller Erinnerung gegenüber. Die Tatsache, dass Alltagsobjekte zu Museumsexponaten werden, bringt, so behaupte ich, normale Menschen in Kontakt mit politischen und wissenschaftlichen Debatten darüber, wie eine »korrekte« Erinnerung an das Leben im sozialistischen Regime auszusehen habe. Kernstück des Kapitels ist eine ethnographische Untersuchung darüber, wie von Amateuren betriebene, privat finanzierte MuseenMuseenAmateurmuseen über den Alltag im SozialismusAlltagslebenim Sozialismus staatlich geförderte Darstellungen des Ostens in professionellen historischen MuseenMuseenstaatlich unterstützt herausfordern und ergänzen. Hier wird gezeigt, wie sich aus einer buntgemischten Gruppe von Sammlern eine Amateurmuseumslandschaft entwickelt hat und mithilfe welcher Präsentationsstrategien man sich den Mantel der Authentizität umzuhängen versucht. Vor dem politischen Hintergrund der DDR, wo der Alltag vollständig politisiert war, analysiere ich kritisch den Anspruch der Museen auf apolitische AuthentizitätApolitische Räumeals Ausdruck von AuthentizitätAuthentizitätvon Museen als ein Mittel, das historische Narrativ und die ErinnerungspolitikErinnerung/Gedächtnisund AlltagslebenErinnerung/GedächtnisErinnerungspolitik in Frage zu stellen. Da die Museen sich mit der Spannung zwischen gelebter Erfahrung und Politik befassen, spielen diese von Amateuren gestalteten Räume, so meine These, sowohl für Ost- als auch für Westdeutsche insofern eine wichtige Rolle, als sie den Alltag zu einem integralen Bestandteil der Bearbeitung der jüngeren sozialistischen Vergangenheit erheben.

Kapitel 3 verlagert die Debatten über den Alltag auf die bauliche Umwelt und wirft einen Blick darauf, wie eine mit einer wechselvollen Geschichte behaftete Stätte im Zentrum von Berlin zum Fokus von Projektionen über den »richtigen« Umgang mit ererbten ÜberrestenErbe (inheritance)Umgang mitObjekteUmgang mit O. wird. Es befasst sich mit dem früheren ostdeutschen Parlament, dem sog. Palast der Republik, der »zurückgebaut« und zu einem komplexen Streit über das Erbe wird, der sowohl räumlich zwischen Ost und West als auch zeitlich zwischen den GenerationenNach-Wende-ZeitGenerationenNach-Wende-Zeits. auch Deutsche Demokratische Republik (DDR) ausgetragen wird. Ich lege dar, dass die einzigartige Funktion des Palastes zur Zeit des Sozialismus als hybrider politischer und alltäglicher RaumRaumdes Alltags den Bau zu einer außergewöhnlich mehrdeutigen Stätte machte, als er nach der Vereinigung verdammt, abgerissen und durch eine KopieKopie/Imitations. auch Simulacrum seines Vorgängers, der früheren kaiserlichen Residenz, des Berliner StadtschlossesKopie/Imitationdes Berliner Stadtschlosses, ersetzt wurde. Diese AneignungAneignungPalast der Republik durch Auslöschung steht im Gegensatz zu der in den vorherigen Kapiteln untersuchten Aneignung durch KommerzialisierungAneignungKommerzialisierung und Präsentation. Das Kapitel zeigt, dass der Ort zu einer cause célèbre wurde: für frühere Ostdeutsche, die den Palast retten wollten; für Konservative, die entschlossen waren, das kaiserliche Schloss als Symbol für das neue DeutschlandBundesrepublik Deutschland (BRD), das sich auf seine preußische Vergangenheit besinnt, wiederaufzubauen, und für eine jüngere Generation, die bestrebt war, durch Performanz den Raum auf subversive Weise neu zu nutzen, um sowohl die Nostalgie als auch die nationale Bildersymbolik zu überwinden. Der Palast wird dabei sowohl zu einem Schwerpunkt in Debatten über die Rolle der ModernitätModernitätRolle der M. bei der Darstellung der nationalen Bestrebungen Deutschlands und seines Selbstbewusstseins als auch zu einem Experimentierfeld für die performative Aneignung durch die Nachwende-Generation.

Nachdem ich mich von den lokalen Nostalgie-Objekten in den nationalen Raum von Berlins Palästen begeben habe, widme ich mich im letzten Kapitel einem internationalen Symbol für staatliche Repressionstaatliche Repression, dem Kalten KriegKalter KriegBerliner Mauer als Symbol, und dem Überwinden von Grenzen: der Berliner Mauer. Hier lege ich dar, dass der materielle Raum der MauerAbwesenheitder Berliner Mauer als GrenzeBerliner Mauerals Grenze verschwand, um fast eine Generation später als ErinnerungsstätteAbwesenheitin ErinnerungsstättenErinnerung/GedächtnisErinnerungsstättenErinnerungsstättens. Gedenkstätten wieder aufzutauchen, wobei sie die – in den vorherigen Kapiteln vorgestellten – Formen der Kommerzialisierung, der Präsentation und Performanz integriert. Ich lege dar, dass die Mauer zuerst »aus der Zeit« genommenZeitaus der Z. gefallene Orte und Dinge (detemporalisiert)Detemporalisierung und dann in den Narrativen von TraumaTraumaNarrativTraumas. auch Gedenkstätte Bernauer Straße, Konsum und Politik durch drei bedeutende Erinnerungsstätten retemporalisiertBerliner Mauerals retemporalisiert wurde – die Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer StraßeGedenkstätte Bernauer Straßeals ErinnerungsstätteGedenkstättenBernauer StraßeGedenkstätte Bernauer Straßes. auch Versionen der Berliner Mauer in der G. B. S., Checkpoint CharlieCheckpoint Charlieals ErinnerungsstätteGedenkstättenCheckpoint CharlieCheckpoint Charlies. Authentizität am C. C.Checkpoint Charlies. Beziehung zur Gedenkstätte Bernauer Straße und die East Side GalleryBerliner MauerGedenkstättenGedenkstättenEast Side GalleryEast Side Gallerys. Aneigung der E. S. G.East Side Gallerys. auch GedenkstättenEast Side Gallerys. Verunstaltung. Unabhängig davon und als Teil des offiziellen »Konzepts« der Stadt, der Mauer zu gedenken, schildert das Kapitel, wie diese Orte die Stadt ebenso sehr mit ihrer Suche nach neuen Grenzen möglicher Zukünfte wie mit ihrer Vergangenheit verbinden. Es zeigt, dass ein Zusammenfluss von Bewusstsein, »coolness« und Kommerzialismus die Mauer veränderte: Aus einer Quelle der Scham wurde ein positives Symbol für die kulturelle Regenerationsfähigkeit der Stadt.

Der Epilog liefert eine Coda zu den neuen Formen der AneignungAneignungneue Formen der A., die in den vorausgegangenen Kapiteln analysiert wurden. Er handelt von Angehörigen der ersten Generation, die nach der Vereinigung heranwuchsen und mehr als 20 Jahre nach dem Fall der Berliner MauerBerliner MauerFall der B. M. ein Theaterstück erstellten und aufführtenVereinigungAufführung Hamletmaschine. Das Stück 1989 [Exit Ghost] ist ein komplexer Aneignungsakt, der Shakespeares Shakespeare, WilliamHamletHamlet (Shakespeare), Hamletmaschine, ein Werk des DDR-Dramatikers Heiner MüllerMüller, Heiner, Probennotate der ersten ostdeutschen Produktion von Hamletmaschine im Jahr 1989 zur Zeit des Mauerfalls und eine Dokumentation zeitgenössischer Texte und Medienberichte kombiniert. In dieser Aufführung werden die Ereignisse von 1989 letztlich als Hintergrund für die jüngeren Proteste in Griechenland, Spanien und im Nahen Osten genutzt und werfen neue Fragen darüber auf, was es bedeutet, durch den Akt des ErbensAmbiguität/Mehrdeutigkeitzwischen Abwesenheit und Gegenwart der Vergangenheit und Gegenwart gerecht zu werden.

Die hier untersuchten Fälle umfassen die ersten 25 Jahre seit dem Fall der Berliner MauerBerliner MauerFall der B. M., also etwa eine ganze Generation. Jedes Kapitel endet zu dem Zeitpunkt, wo die Beziehung zwischen volkstümlicher Erinnerung und kollektivem GedächtnisErinnerung/Gedächtnisund Alltagsleben sich allmählich verändert und institutionalisiert wird: die Vermarktung von OstproduktenDeutsche Demokratische Republik (DDR)Produkte, der Versuch, das Alltagsleben durch staatlich geförderte MuseenMuseenstaatlich unterstützt zu vermitteln, die endgültige Auslöschung des Palastes der Republik, um Platz für den Wiederaufbau des SchlossesBerliner StadtschlossWiederaufbau zu schaffen, die Übernahme der East Side GalleryGedenkstättenEast Side Gallery durch die Stiftung Berliner Mauer. In der einstigen Erinnerungsgeschichte von unten scheinen diese Momente jetzt ein neues Durchsetzungsvermögen des Staates zu markieren. Im Epilog zeigt jedoch die jüngere Generation, die – als sie die Revolutionen des Arabischen FrühlingsArabischer Frühling erst gedeihen und dann scheitern sieht – über 1989 nachdenkt, dass die fortgesetzte Beschwörung des Alltags die Bemühungen, DeutschlandsBundesrepublik Deutschland (BRD) vielschichtige Historizitäten zu versöhnen, stört, untergräbt und neu ausrichtet. Deutschlands Vereinigung bot den Deutschen die ungewöhnliche zweite ChanceVereinigungChancen, sich in der Kunst der Vergangenheitsbewältigung zu übenVergangenheitsbewältigungzweite Chance und V.. In den nachfolgenden Kapiteln beschreibt Die Spuren der DDR ethnographisch, wie normale Menschen diese Kunst durch alltägliche Begegnungen praktizieren, die sowohl die Vergangenheit als auch die Gegenwart ins Wanken bringen.

Die Spuren der DDR

Подняться наверх