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Moderne Sehnsüchte und die Sehnsucht nach dem ModernenSehnsuchtnach der Moderne
ОглавлениеIm allgemeinen Sprachgebrauch ist die Nostalgie eine Form der SehnsuchtSehnsuchtmodernistische Form der Nostalgiemodernistische Nostalgieals Sehnsucht nach der Vergangenheit, aber ihre modernistische Variante ist weniger die Sehnsucht nach einer unwiderruflich verlorenen VergangenheitVergangenheitSehnsucht nach der V. als solcher als vielmehr die Sehnsucht nach den Phantasien und Wünschen, die in jener Vergangenheit einmal möglich waren. Insofern ist das, was sich als modernistische Nostalgie bezeichnen lässt, die Sehnsucht nach einem bestimmten Modus der Sehnsucht, der jetzt nicht mehr möglich ist. Diese Form der Nostalgie wurde im Fall der Ex-DDR besonders akut, da der Sozialismus dort eine spezielle Art der Sehnsucht hervorbrachte. Diese war ein ausnehmend integraler Bestandteil ihrer Identität, wurde aber nach dem Zusammenbruch des Staates außergewöhnlich rasch ins Gegenteil verkehrt, für nichtig erklärt und von ihrem Alter Ego absorbiert. Der sozialistische Staat hatte eine harmonische Zukunft entworfen, in der nach dem Absterben des Kapitalismus die hart arbeitenden Menschen einen utopischen Staat hervorbringen würden, der ihre materiellen Bedürfnisse befriedigen sollte. Gleichzeitig hatten die Ostdeutschen einen umfassenden Zugang zu westlichen Bildern, besonders durch das Fernsehen, die auf ihre eigene unwirkliche Weise das Leben im Einklang mit seinem materiellen Umfeld zeigten. Diese beiden Entwürfe – die sozialistische UtopieUtopie/Utopia, durch zahllose SlogansSlogans, Reden und Plakate verbreitet, und die Verbraucherutopie der westdeutschen Fernsehwerbung und Medienspektakel – verschmolzen zu einer zeitlich (auf die Zukunft) und örtlich (auf den Westen) aufgespaltenen Sehnsucht: Für die Ostdeutschen erschien, wie Milena VeenisVeenis, Milena feststellt, das »schöne Material« des Westens »mit seinen harmonischen ästhetischen Kompositionen und seinen tangiblen, weichen und sinnlichen Merkmalen auf gewisse Weise wie die konkrete Realisierung und endgültige Erfüllung all der schönklingenden, aber niemals verwirklichten (sozialistischen) Versprechen einer goldenen ZukunftGoldene Zukunft, in der wir alle über ein vollentwickeltes SelbstSelbstvollentwickeltes S. verfügen und in vollendeter Harmonie miteinander leben würden.«1
Somit lag der Sehnsucht in der DDR ein unerreichbares ObjektSehnsuchtgetrennt vom Objekt der Begierde zugrunde, »das vollentwickelte Selbst«Selbstvollentwickeltes S., das vom Sozialismus ebenso wie vom westlichen Materialismus verheißen wurde. Die Sehnsucht nach einer sozialistischen UtopieUtopie/Utopia war daher auf perverse Weise mit einer fetischistischen Bewunderung für die westliche materielle Kultur verknüpft. Die plötzliche Aussicht auf eine Vereinigung beider Staaten in den Jahren 1989 und 1990 barg das unglaubliche Versprechen, diese zeitlichen und räumlichen Phantasien zu konkretisieren. Die Unfähigkeit der Vereinigung, die dialektischen Phantasien durch die Sublimierung der anscheinend entgegengesetzten, durch den Sozialismus trainierten und den Kapitalismus angetriebenen Wünsche nach Harmonie zu erfüllen, produzierten im früheren Osten eine modernistische Form der Nostalgie. Diese Nostalgie galt nicht der DDR selbst, sondern der mit der DDR verbundenen SehnsuchtSehnsuchtmodernistische Form der Nostalgiemodernistische Nostalgieals Sehnsucht. Was eine eingefrorene Hoffnung auf eine für unbestimmte Zeit verschobene Zukunft gewesen war, verwandelte sich in eine Nostalgie nach dieser Hoffnung.
Die Nostalgie hinsichtlich des Verlusts der SehnsuchtNostalgiehinsichtlich des Verlusts der Sehnsucht war Teil eines allgemeineren Verlustgefühls der Bürger der früheren DDR, ein Verlust, den Gisela Brinker-GablerBrinker-Gabler, Gisela beschreibt als eine Dis- und Re-Lokation von DeutschlandBundesrepublik Deutschland (BRD) nach Deutschland, »ein Auseinanderbrechen des kollektiven ostdeutschen Subjekts und des individuellen Subjekts – gleichfalls ein Auseinanderbrechen der Sprache – und eine Wiederzusammensetzung in einem vereinten Deutschland unter neuen Erfahrungsbedingungen«.2 In der Technologie und Industrie hatte die DDR unter den Ostblockstaaten eine führende Rolle gespielt. Selbst während der Revolutionen von 1989 und 1990 schien die DDR die Gewinnerin zu sein, indem sie wortwörtlich über Nacht »westlich wurde«, während ihre sozialistischen Nachbarn von einer solchen Metamorphose am Ende eines langen Weges nur träumen konnten. Doch nach ihrer Eingliederung in den Westen sahen sich die Bürger der ehemaligen DDR mit einem klar untergeordneten Status konfrontiert. Die hohe Arbeitslosigkeit, niedrigere Löhne und gesellschaftliche Anomie, die den Osten bald nach der Vereinigung prägten, galten zunächst als Übergangseffekte, wurden aber rasch zu permanenten Merkmalen der relativen Position Ostdeutschlands. Um die Mitte der 1990er Jahre sang die Rap-Gruppe A. N. T. I.: »Ostnigger […] heißen wir am Stück. / Die Farbe unserer Haut ist zwar weiß, / aber in Deutschland sind wir der letzte Scheiß.«3 Ein repräsentativer Artikel, der um dieselbe Zeit in einer angesehenen westdeutschen Zeitschrift erschien, formulierte es etwas anders: Die Ostdeutschen, so schrieben die Wissenschaftler, hätten mit der Tatsache zu leben gelernt, dass sie Bürger zweiter Klasse sind und dies auf absehbare Zeit auch bleiben werden.4 Angesichts solch offener Eingeständnisse, dass das Versprechen der Einheit, den Osten auf das Niveau des Westens zu bringen, nicht eingelöst wurde, ist es kaum überraschend, dass die Ostdeutschen sich mit der »Tatsache« ihrer Zweitklassigkeit nicht zufriedengeben würden.
Es ist indes ein prekäres Unterfangen, eine ostdeutsche IdentitätIdentitätostdeutsche I. zu definieren, da der Osten den diskursiven Raum der Inferiorität fest besetzt und die Westdeutschen de facto rasch die ökonomische, kulturelle und politische Landschaft des Ostens dominierten. Hier halfen die OstprodukteDeutsche Demokratische Republik (DDR)Produkte, den psychologischen Vorteil der westlichen Überlegenheit bei der Vereinigung abzumildern. Wie Daphne BerdahlBerdahl, Daphne feststellt, suchen die Ostdeutschen die »Einheit« mit den Westdeutschen, während die Westdeutschen eine solche Einheit nicht brauchen und sogar befugt sind, sie zu leugnen.5 Ostprodukte sind nun genau dazu angetan, diese Situation umzukehren: Durch die Ablehnung der offenkundig überlegenen westlichen Güter und das Zurückgreifen auf die »guten alten« ostdeutschen Produkte versuchen die Ostdeutschen, den Markt symbolisch gegen den Westen einzusetzenDeutsche Demokratische Republik (DDR)Ablehnung des Marktes.
Die Aufwertung der Ostprodukte war zunächst eine direkte Reaktion auf die mit den DDR-Produkten verbundene Schmach: Sie galten als qualitativ schlechter, eine Meinung, die im Westen weithin geteilt und im Osten internalisiert war. So dienten sie als eine Form der kulturellen Intimitätkulturelle IntimitätIntimitäts. Authentizität und I.Intimitäts. auch kulturelle Intimität im Sinne Michael HerzfeldsHerzfeld, Michael, wonach bestimmte Objekte, die von mächtigen Outsidern, in diesem Fall den Westdeutschen, abgelehnt werden, das Insidertum definieren.6 Die AlltagsprodukteAlltagslebenAlltagsprodukte, die auf den Markt zurückkehrten oder dort blieben – Waschmittel, Essiggurken, Senf, Bier –, waren auch im wörtlichen Sinn intim, da sie als ephemere Produkte in engen Kontakt mit dem Körper kamen. In den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung horteten einige Leute außer Gebrauch gekommene Waren. So legte sich etwa ein Mann, wie er sich erinnerte, einen Jahresvorrat des Waschmittels Spee an, als er bemerkte, dass es in den Läden plötzlich als wertlos galt. Nachdem anfänglich alle östlichen Waren aus den Regalen entfernt worden waren, begannen ein paar Läden damit, Schilder mit der Aufschrift »Wir verkaufen Ostprodukte« aufzuhängen, und boten bestimmte beliebte DDR-MarkenOstprodukteMarken zum Verkauf an, um sich an die Konsumenten zu wenden, die sowohl vom Ausprobieren neuer Artikel als auch von der Suche nach Einsparmöglichkeiten erschöpft waren.
Innerhalb kurzer Zeit erlangten manche Marken KultstatusMarken(namen)Kultstatus, teils weil sie noch erhältlich, vertraut und billig waren, teils wegen ihres DesignsMarken(namen)DesignDesignvon Marken, das den sofort erkennbaren Retro-Trend der sozialistischen Werbung betonte. In Gesprächen mit Freunden, in Geschäften und auf Online-Foren bin ich Ostdeutschen begegnet, die OstprodukteDeutsche Demokratische Republik (DDR)Produkte als schmackhafter empfanden, u. a. deshalb, weil sie authentischer waren: Manche hielten sie für reiner (weniger Konservierungsmittel) und ehrlicher (weniger Marketing-Tricks), auch wenn dies nicht immer der Fall war. Die »guten alten« ostdeutschen Produkte vermittelten eine wenig subtile Trotzhaltung, die sich in ihren beißend ironischen SlogansSlogans widerspiegelte: »Der Osten hat gewählt«, verkündeten die Kathi-Backmischungen, während Club Cola erklärte: »Von einigen belächelt, ist sie doch nicht tot zu kriegen – Club Cola, die Cola aus Berlin« und sicherheitshalber »Hurra, ich lebe noch« hinzufügte. Der Werbeslogan der Kaffeemarke Rondo war sogar noch direkter: »Natürlich war nicht alles schlecht, was wir früher gemacht haben«, und eine regionale Boulevardzeitung, Super Illu, warb mit »Eine von uns«. Am besten las man sie wohl, während man Club Cola trank, die außerdem den Slogan »unsere Cola« verwendete. Die Werbung für alte ostdeutsche ZigarettenmarkenMarken(namen)ZigarettenZigarettens. Marken(namen) war am kühnsten und überall in den Städten auf Plakatwänden zu sehen: »Ich rauche Juwel, weil ich den Westen schon getestet habe. Eine für uns.« Karo-Zigaretten behaupteten aggressiv einen »Anschlag auf den Einheitsgeschmack«GeschmackEinheitsgeschmack, während die Zigarettenmarke f6 keck erklärte: »Der Geschmack bleibt.«7
Dieses diskursive Terrain ist für Deutsche, Westler wie Ostler, sofort erkennbar. Diese Werbeslogans zeigten einen ausgeprägten Sinn für Mehrdeutigkeiten, die auf die bittersüße BegegnungBegegnungbittersüße B. mit dem einst goldenen WestenBegegnungzwischen Ost und West anspielten und sich in drei Hauptkategorien unterteilen lassen. Der erste Tropus impliziert, wie am Beispiel von Kathi und Juwel abzulesen, dass die Dinge im Osten besser waren und der Westen die Erwartungen nicht erfüllen konnte: Die Backmischung-Werbung »Der Osten hat gewählt« erinnert an die Verachtung der Ostdeutschen für westliche Brötchen, deren harte Kruste eine lockere Krume umschließt, die sie im Vergleich mit den herzhaften Schrippen des Ostens als fluffig und »leer« empfinden.8 Der Slogan von Juwel »Ich habe den Westen schon getestet« ist deutlich weniger subtil. Dieses Wortspiel hat eine doppelte Zielrichtung, insofern als es einerseits den berühmt-berüchtigten allgegenwärtigen Werbeslogan der beliebten westlichen ZigarettenmarkeMarken(namen)Zigaretten West »Test the West« konterkariert und andererseits eine sarkastische Antwort gibt auf den kaum verhüllten Subtext der Vereinigung, wonach man durch den Kauf westlicher Güter zum Westler wird.
Der zweite Tropus, repräsentiert durch Karo und f6, vertieft die Enttäuschung und hat einen bitteren Beigeschmack. Karos »Anschlag auf den Einheitsgeschmack« ist ein harsches Wortspiel, da »Einheitsgeschmack«GeschmackEinheitsgeschmack auch als »Geschmack an der Einheit« verstanden werden kann. Schließlich gibt es noch die Bedeutung des Opfertums und Überlebens in Slogans wie »Hurra, ich lebe noch« (Club Cola), ein schauriges Echo auf den nach 1945 verbreiteten Slogan »Hurra, wir leben noch«. Der SloganSlogans von f6 »Der Geschmack bleibt« lässt sich als lapidare Antwort auf Christa WolfsWolf, Christa umstrittenes Buch Was bleibt verstehenWas bleibt (Christa Wolf), das nach dem Zusammenbruch der DDR veröffentlicht wurde.9
Das romantisierte Bild Ostdeutschlands, das durch diese Produkte erschaffen wurde, ist absichtlich provokativ. Sie hinterfragen die AuthentizitätAuthentizitätHinterfragung der A., indem sie auf eine Zeit zurückblicken, als die Beziehung zwischen dem Echtendas Echte (das Reale) und dem ErsatzErsatz noch stimmig zu sein schien. Das »Echte« galt üblicherweise als das typische Merkmal westlicher Produkte: echter Kaffee statt Zichorie, echter Orangensaft statt Orangenaroma usw. In diesem Zusammenhang wurden bekanntlich selbst leere Softdrinkdosen zu Fetischen (schließlich ist nur Coca-Cola »The Real Thing«). Das mit dem authentischen Selbst verbundene authentische Produkt war im Westen lokalisiert. Seine Relikte sickerten ständig in das ostdeutsche Bewusstsein: durch die westliche Fernsehwerbung, durch Geschenke, die von westlichen Verwandten persönlich überreicht oder in »Westpaketen« per Post verschickt wurden, sowie durch verschiedene Berichte der wenigen Glücklichen, die nach »drüben« reisen durften.
Diese Wertschätzung authentischerWertauthentischer W. Produkte ist eng verbunden mit der Erfahrung der Ostdeutschen mit dem Warenfetischismus.Authentizitätund WarenfetischismusWarenfetischismus Trotz der offiziellen Siegesmeldungen über diesen Fetischismus heizte das sozialistische System ihn eher noch an, indem es die Verbraucherwünsche ständig enttäuschte und dann wieder stimulierte. Dieser fortwährende Kreislauf hatte seinen Ursprung im Verhältnis zwischen dem offiziellen Austauschkreislauf (»erste« Wirtschaft) und dem des SchwarzmarktesSchwarzmarkt (»zweite« Wirtschaft oder Schattenwirtschaft). Die zweite Wirtschaft war nicht nur ein Parasit der ersten, sondern auch ko-konstitutiv: Ohne den Schwarzmarkt wäre die offizielle Wirtschaft völlig zusammengebrochen.
Die inoffizielle, wenn nicht geradezu illegale Wirtschaft trug dazu bei, die Dynamik von Stimulation und Deprivation einzudämmen, die durch die Unfähigkeit des zentralen Plansystems, die versprochenen Güter zu liefern, verursacht wurde. Doch sie übertrug auch den Markt auf alle Aspekte des Lebens. Nützliche Deals, Beziehungen und Gelegenheiten konnten sich überall und jederzeit bieten (wie in der oft erzählten Anekdote über das Schlangestehen: Man fragte erst gar nicht, warum man Schlange stand, denn wenn Menschen anstanden, mussten die angebotenen Artikel selten und deshalb gut sein), und so stauten sich die Verbraucherwünsche immer weiter auf.10
Die UmwertungWertUmwertung östlicher Güter von Ersatz- Ersatzzu echten ProduktenOstprodukteUmwertung erfolgte mit der Apotheose dieser Verbraucherwünsche: der Vereinigung. »Der Sozialismus hatte sie darin trainiert, Wünsche zu haben«, bemerkt John BornemanBorneman, John, »der Kapitalismus trat auf die Bühne, um ihnen das Kaufen zu ermöglichen.«11 Das – durch den Fall der Berliner MauerBerliner MauerFall der B. M. ausgelöste – Gefühl des Unwirklichen und Phantastischen wurde durch die Art der Sehnsucht verstärkt, welche die sozialistischen Versprechungen des Ostens in die Nähe der westlichen Konsumentenprojektionen gerückt hatte und so, wie VeenisVeenis, Milena beschreibt, jede der beiden Seiten mit den Phantasien der anderen durchdrang. Die ersten Monate nach der Vereinigung lösten einen KonsumrauschKonsumals Rausch aus, der an Walter BenjaminsBenjamin, Walter Bemerkungen über das Paris des Zweiten Kaiserreichs erinnerte, wo mit Waren gesättigte Kunden den trunkenen Charme von Drogensüchtigen an den Tag legten. Wie bei Suchtkranken, schreibt Benjamin, gewinnt die Ware »den gleichen Effekt […] der sie berauschenden, sie umrauschenden Menge ab. Die Massierung der Kunden, die den Markt, der die Ware zur Ware macht, eigentlich bildet, steigert deren Charme für den Durchschnittskäufer.«12 Gleich nach der Öffnung der Grenzen nutzten berauschte Ostdeutsche die Möglichkeit des Geldumtauschs, um in den Westen einzutauchen.
Alle rauschhaften Zustände sind natürlich kurzlebig, und die Vereinigung läutete keine hybride goldene ZukunftGoldene Zukunft ein, in der vollentwickelte Persönlichkeiten harmonisch miteinander lebten. Ganz im Gegenteil. Skrupellose Geschäftsleute, betrügerische Tricks und das eingeplante schnelle Verfallsdatum glamouröser Produkte setzten der Illusion einer materiellen Bedürfnisbefriedigung als Zwischenstufe zu einem harmonischen Dasein ein rasches Ende. Dementsprechend verwarfen die meisten Ostdeutschen die kurz (wenn auch intensiv) gehegte Vorstellung, dass westliche Güter ipso facto echter als östliche seien. In einem raschen Sinneswandel erklärten fast drei Viertel der Ostdeutschen schon bei einer Umfrage am Ende des Jahres 1991, dass sie OstprodukteDeutsche Demokratische Republik (DDR)Produkte bevorzugten.13
Dies bereitete die Bühne für die endgültige Kehrtwende: In vielen Fällen galten DDR-Güter nun als authentischer als ihre damaligen westlichen PendantsAuthentizitätvon GüternFälschungenWahrnehmung westlicher Güter als F.. Die Produkte aus der alten DDR wurden mit einer Art symbolischen Kapitals assoziiert, das einst für die anscheinend überlegenen Waren des Westens reserviert war, insofern als sie angeblich eine authentische, nichtentfremdete Beziehung zwischen dem Selbst und dem Produkt zum Ausdruck brachten. Sie stellten in gewisser Weise eine Art Heimkehr dar, machten sich das zunutze, was ein ehemaliger Ostdeutscher bezeichnete als »fest im Bewusstsein der Ex-DDR-Bürger verankertes Gut der Erinnerung an das Positive der DDR und der eigenen erlebten Vergangenheit«, und waren empfänglich für verdrängte Seiten, um ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen: »Ich bin in Freudentränen ausgebrochen, der gute alte Rondo«, erklärte ein Kunde angesichts der Wiedereinführung der Kaffeemarke Rondo im Jahr 1997.14