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In meinem alten Schlafzimmer

St Laurence Road

Northfield

Samstag, 11. Dezember 1999

Nachts

Langsam wird diese Reise zum Albtraum. Ich zittere am ganzen Körper, obwohl die Sache schon drei Stunden her ist. Dad sitzt unten und liest einen dieser grauenhaften, alten Romane von Alistair Maclean, auf die er so wild ist. Er hatte keinen Funken Mitgefühl. War offenbar der Ansicht, es wäre meine eigene Schuld. Ich kann wirklich keine Minute länger in diesem Haus bleiben. Morgen verschwinde ich von hier und suche mir eine neue Bleibe.

Ich erzähl dir kurz, was passiert ist. Heute hatte ich große Sehnsucht nach Pat. Er sollte vormittags für seine Schule Fußball spielen, es war ein Auswärtsspiel gegen eine Mannschaft in Malvern. Also habe ich angeboten, ihn bei Philip und Carol abzuholen und selbst dorthin zu fahren. Dad hat mir sein Auto geliehen, etwas unwillig; offenbar traute er mir nicht so recht.

Wir sind auf der Bristol Road nach Süden gefahren und in Longbridge rechts abgebogen, um über Rubery zur M5 zu kommen. Allein mit Pat im Auto zu sitzen, war ziemlich merkwürdig – merkwürdiger, als es hätte sein sollen. Er ist schon sehr still, mein Sohn. Vielleicht ist er nur in meiner Anwesenheit so still, aber das kann nicht der ganze Grund sein. Er ist natürlich eher introvertiert – das ist ja auch in Ordnung. Als er dann doch etwas sagte, ging es um ein Thema, mit dem ich überhaupt nicht gerechnet hätte – das hat mich so umgehauen. Er fing an, über dich zu reden, Miriam. Er wollte wissen, wann ich dich zuletzt gesehen habe und wie Mum und Dad mit deinem Verschwinden zurechtgekommen seien. Zuerst war ich sprachlos. Ich wußte überhaupt nicht, was ich sagen sollte. Wir waren ja nicht im Verlauf eines Gesprächs auf das Thema gekommen, sondern er hatte es aus heiterem Himmel angeschnitten. Was sollte ich antworten? Ich habe ihm nur gesagt, daß alles sehr lange her sei und daß die Wahrheit wohl nie mehr ans Licht käme.

Damit mußten wir leben, wir mußten es akzeptieren und irgendwie verarbeiten. Es war ein Kampf – sowohl Dad als auch ich haben damit gerungen, auf unsere jeweilige Art, jeden Tag unseres Lebens. Was sollte ich ihm sonst sagen?

Danach war er wieder eine ganze Weile still, und ich auch. Um ehrlich zu sein, hatte mich dieses kurze Gespräch sehr aufgewühlt. Ich hatte geglaubt, wir würden über die Schule oder die Chancen für das Fußballspiel reden. Statt dessen ging es um seine Tante, die zehn Jahre vor seiner Geburt spurlos verschwunden war.

Ich versuchte, mich auf den Verkehr zu konzentrieren und nicht mehr darüber nachzudenken.

In den paar Tagen, die ich jetzt hier bin, ist mir noch etwas an diesem Land aufgefallen, Miriam. Man kann den Zustand einer Nation daran erkennen, wie die Leute Auto fahren, und in dieser Hinsicht hat sich England in den letzten paar Jahren sehr verändert. Ich bin ja in Italien gewesen, dem Heimatland der aggressiven Autofahrer. Ich kenne das. Ich bin es gewohnt, daß man knapp vor meiner Stoßstange einschert, daß ich in unübersichtlichen Kurven überholt werde, daß mir Leute zubrüllen, mein Bruder sei ein Hurensohn, wenn ich zu langsam fahre. Damit kann ich umgehen. All das ist nicht ernst gemeint. Hier passiert inzwischen das gleiche – nur, daß es in Wirklichkeit nicht das gleiche ist. Es gibt einen entscheidenden Unterschied: Die Leute meinen es offenbar ernst.

Vor einigen Monaten habe ich im Corriere della Sera einen Artikel mit der Überschrift »Apathisches England« gelesen. Darin hieß es, die Leute hätten einen kollektiven Seufzer getan und aufgehört, sich Gedanken über Politik zu machen, seit Tony Blair, ein netter Typ, der offenbar wisse, was er tue, mit einer so überwältigenden Mehrheit ins Amt gewählt worden sei. Der Verfasser des Artikels schaffte es sogar, das Ganze mit dem Tod von Prinzessin Diana in Verbindung zu bringen. Wie, weiß ich nicht mehr, ich weiß nur noch, daß es mir damals etwas konstruiert vorkam. Aber vielleicht hatte er in gewisser Weise recht. Nur, daß er nicht zum Kern der Sache vorgedrungen ist. Denn wenn man an der Oberfläche dieser Apathie kratzte, fände man darunter etwas völlig anderes – eine furchtbare, aufgestaute Frustration.

Wir waren nur knapp zwanzig Minuten auf dem Motorway, aber diese zwanzig Minuten haben mir schon etwas gezeigt. Auf dem Motorway sind die Leute anders gefahren. Nicht, daß sie schneller gefahren wären als früher – ich fahre ja selbst ziemlich schnell –, aber in ihrer Fahrweise kam eine Wut zum Ausdruck. Sie fuhren dicht auf und betätigten die Lichthupe, wenn jemand etwas zu lange auf der Überholspur blieb. Außerdem scheint es jetzt eine Spezies von Fahrern zu geben, die die Mittelspur gepachtet haben und sich nicht von dort vertreiben lassen, was alle anderen zur Weißglut bringt: Man klebt an der Stoßstange dieser Fahrer, und wenn sie nach einer Weile immer noch keinen Platz machen, überholt man sie und schert gefährlich dicht vor ihnen ein. Dann gibt es noch Fahrer, die mit siebzig Meilen pro Stunde zufrieden dahinzuckeln, aber urplötzlich auf achtzig oder fünfundachtzig beschleunigen, wenn jemand an ihnen vorbeizuziehen droht, als wäre es eine Beleidigung, wenn ein mickriger Punto ihren schicken Megane überholt. Das wollen sie sich nicht bieten lassen, offenbar verletzt diese Vorstellung zutiefst ihren Stolz. Kann sein, daß ich übertreibe, aber bestimmt nicht sehr. Es war ja ein Samstagvormittag, und die meisten Leute wollten vermutlich einkaufen oder einfach nur einen Ausflug machen, und trotzdem hat sich auf dem Motorway eine Wut aufgestaut. Die Stimmung war gereizt, und ich glaube, man hätte uns von der Straße gefegt, wenn irgendein Fahrer auch nur einen dummen Fehler gemacht hätte.

Wie dem auch sei: Wir kamen zur Schule, und die Schlacht begann. Patrick hat irgendwo im Mittelfeld gespielt, und das Spiel schien seine ganze Aufmerksamkeit zu beanspruchen. Er wußte natürlich, daß ich zusah, und deshalb hat er einen auf hart und erwachsen gemacht, aber zugleich hat er sich mit gerunzelter Stirn voll und ganz auf das Spiel konzentriert, und diese Miene hat ihn mindestens fünf Jahre jünger wirken lassen und mir fast das Herz gebrochen. Er hat gut gespielt. Sicher, ich habe keine Ahnung von Fußball, aber ich hatte den Eindruck, als spielte er gut. Seine Mannschaft hat mit 3:1 gewonnen. Ich stand anderthalb Stunden an der Seitenlinie und wäre fast erfroren – auf dem Spielfeld war noch Raureif –, aber es hat sich gelohnt. Ich habe bei Patrick einiges nachzuholen, und dies war ein Anfang, keine Frage. Ich hatte angenommen, daß wir hinterher irgendwo etwas zu Mittag äßen, aber Patrick hatte offenbar andere Pläne. Er wollte mit seinen Schulkameraden im Bus mitfahren, und danach wollte er noch mit zu einem Freund, zu Simon, dem Torwart. Das kam natürlich überraschend, aber ich konnte schlecht nein sagen. Innerhalb weniger Minuten hatten die Jungs sich geduscht, dann war der Bus weg, und plötzlich stand ich allein mitten in Malvern. Und mußte den restlichen Tag totschlagen.

Damit wäre ich wieder bei meiner üblichen Befindlichkeit: der Einsamkeit der alleinstehenden Frau. Zuviel Zeit für mich allein, zu wenig Gesellschaft. Was sollte ich tun? Ich habe in einem Pub in der Worcester Road etwas getrunken und ein Sandwich gegessen, und nachmittags habe ich eine Runde in den Hügeln gedreht. Das hat mich beruhigt und für einen klaren Kopf gesorgt. Vielleicht bin ich ja ein Mensch, der sich nur dann einigermaßen glücklich fühlt, wenn er halb einen Hügel hinauf ist. Auf jeden Fall habe ich in den letzten Wochen viel Zeit damit verbracht, diverse Aussichtspunkte zu erklimmen. Vielleicht bin ich ja an einen Punkt meines Lebens gelangt, an dem ich diese olympische Perspektive brauche. Vielleicht hat mich die Affäre mit Stefano so tief erschüttert, daß ich wieder das Große und Ganze in den Blick bekommen muß. Heute war das Große und Ganze ziemlich ganz und groß. Ob du dich an diesen Blick erinnern könntest, wenn du je wieder hier stündest, Miriam? Früher, als Kinder, sind wir oft mit Mum und Dad hierhergekommen. Das waren eiskalte Picknicks mit Schinken-Sandwiches und Thermosflaschen, wir hockten auf dem Steilabbruch vor einem hohen Felsen, weil es dort geschützter war, und unter uns erstreckten sich die Felder unter dem grauen Himmel der Midlands. Ich weiß noch, daß es in einem unzugänglicheren Teil des Hanges eine kleine Höhle gab, und irgendwo habe ich noch ein Foto, das uns davor zeigt, wir tragen beide einen grünen Anorak und haben uns die Kapuze über den Kopf gezogen. Ich glaube, Dad hat fast alle Fotos weggeworfen, auf denen du zu sehen bist, aber ein paar konnte ich retten. Aus den Trümmern geborgen. Inzwischen habe ich manchmal das Gefühl, als hätten wir beide furchtbare Angst vor ihm gehabt, die ganze Zeit, und vielleicht hat uns diese Angst so zusammengeschweißt.

Meine Erinnerungen sind deshalb aber nicht unglücklich. Im Gegenteil. Sie sind mir so kostbar, daß ich den Gedanken an sie kaum ertrage.

Ich glaube nicht, daß du all das einfach so hinter dir lassen konntest. Das wäre doch unbegreiflich. Das hättest du nicht getan, Miriam, oder? Mich im Stich lassen? Das will ich nicht glauben, obwohl die andere Möglichkeit viel schlimmer wäre.

Nach halb vier, und es wird schon dunkel. Zeit, mich aufzuraffen, nach Hause zu fahren und einen weiteren Abend mit Dad zu verbringen. Den letzten, wie ich beschlossen habe. Wenn es besser liefe, hätte ich vielleicht Weihnachten mit ihm gefeiert, aber daran ist nicht zu denken. Wir kommen einfach nicht miteinander klar. Ich muß mir eine andere Bleibe suchen. Vielleicht kann ich mit Pat irgendwo hinfahren. Mal schauen.

Also bin ich auf dem Heimweg. Ich habe Dad versprochen, etwas zum Abendessen zu besorgen, und halte deshalb kurz in Worcester, um Steak zu kaufen. Er mag Steak. Betrachtet es sogar als seine patriotische Pflicht, es so roh und so oft wie möglich zu verspeisen, seit die Franzosen den Einfuhrstop verhängt haben. Typisch Dad, wirklich. Dann verlasse ich die Randbezirke von Worcester, und ich hatte schon ein bißchen Ärger, weil mich jemand im Kreisverkehr überholen wollte, und ich werde wieder nervös, weil ich das Gefühl bekomme, als wären im Augenblick alle Autofahrer überreizt. Und als ich weiter auf der Ausfallstraße fahre, habe ich plötzlich ein sehr langsam fahrendes Auto vor der Nase. Inzwischen sind die Straßenlaternen an, und ich kann sehen, daß ein Mann am Steuer sitzt, er ist allein unterwegs, und er scheint nicht besonders alt zu sein. Er fährt so langsam, weil er mit dem Handy telefoniert. Sonst würde er vermutlich rasen, denn er hat einen schicken Wagen – einen Sportwagen von Mazda. Doch sein Telefongespräch scheint ihn ziemlich abzulenken. Er hat nur eine Hand am Steuer und zieht immer wieder nach links rüber. Hier ist Tempo vierzig erlaubt, aber er fährt nur ungefähr sechsundzwanzig Meilen pro Stunde. Mich ärgert nicht, daß ich vom Gas gehen muß, sondern mich ärgert, daß das, was er tut, so gefährlich und leichtsinnig ist. Darf man in diesem Land überhaupt beim Autofahren mit dem Handy telefonieren? (In Italien ist es verboten – obwohl das natürlich niemanden kümmert.) Was wäre, wenn ihm ein Kind vor das Auto liefe? Er beschleunigt kurz und bremst dann wieder ab, völlig abrupt und ohne ersichtlichen Grund, und ich fahre ihm fast auf die Stoßstange. Offensichtlich hat er noch nicht bemerkt, daß ich hinter ihm bin. Ich trete auf die Bremse, und die Einkaufstüte fliegt vom Beifahrersitz, alle Sachen liegen auf dem Boden. Toll. Und jetzt gibt er wieder Gas. Ich überlege, ob ich besser anhalte und die Sachen wieder in die Tüte tue, entscheide mich aber dagegen. Statt dessen beobachte ich den Fahrer vor mir mit unfreiwilliger Faszination. Offenbar ist das Gespräch gerade besonders angeregt, denn er gestikuliert mit der Hand. Er hat überhaupt keine Hand mehr am Steuer! Ich beschließe, hier so schnell wie möglich zu verschwinden: Sollte es einen Unfall geben, will ich nichts damit zu tun haben. An dieser Stelle ist die Straße zweispurig, sie führt durch die äußersten Randbezirke der Stadt, und gerade kommt uns kein Auto entgegen. Ganz ungefährlich ist es nicht, aber ich habe die Nase voll von diesem Clown. Also blinke ich und setze zum Überholen an. Da er schon wieder langsamer geworden ist, dürfte es sich nur um Sekunden handeln.

Doch als ich ihn überhole, merkt er, was los ist, und es paßt ihm gar nicht. Ohne sein Handy loszulassen, drückt er das Gaspedal durch und beginnt, mich zu jagen. Ich bin immer noch schneller als er, aber Dads Rover hat nicht besonders viele PS, und das Überholen dauert länger, als mir lieb ist, und nun kommt mir auch noch ein Lkw entgegen. Während ich laut über die Sturköpfigkeit dieses Macho-Idioten fluche, schalte ich runter in den dritten Gang, gebe Vollgas und rase mit fünfundvierzig bis fünfzig Meilen pro Stunde dahin und ordne mich im allerletzten Moment vor dem Mazda ein. Der Lkw ist schon ganz nahe und blendet erbost auf.

Das war es. Besser: Das wäre es gewesen, wenn ich beim Überholen nicht zwei Dummheiten begangen hätte. Zum einen habe ich zu dem Mann mit dem Handy geschaut und für ein, zwei Sekunden Blickkontakt hergestellt. Und zum anderen habe ich ihn angehupt.

Mein Hupen war nur schwach und mädchenhaft. Ich weiß gar nicht genau, warum ich gehupt habe. Wahrscheinlich war es meine halbherzige Art, ihm zu sagen: »Du Wichser!« Aber es hatte eine sofortige, völlig verblüffende Wirkung. Offenbar hatte er das Gespräch beendet und sein Handy auf den Beifahrersitz geworfen, denn Sekunden später ist er direkt hinter mir – zehn Zentimeter von meiner Stoßstange entfernt, schätze ich –, und sein Fernlicht ist so grell, daß es mich im Rückspiegel blendet, und ich höre, wie sein Motor aufheult. Ein richtig wütendes Heulen. Und auf einmal habe ich Angst. Gräßliche Angst. Also gebe ich Gas, um ihm zu entkommen – und bin schnell bei lächerlichen sechzig Meilen pro Stunde –, doch er fällt nicht zurück. Er klebt mir immer noch an der Stoßstange. Ich überlege, kurz auf die Bremse zu treten, um ihn zu erschrecken und zu zwingen, mehr Abstand zu halten, wage es aber nicht und bezweifele auch, daß es funktionieren würde. Ich glaube eher, daß er mir hinten reinführe.

Vermutlich dauert all das nur Sekunden, obwohl es mir viel länger vorkommt. Und schließlich verläßt mich das Glück. Wir kommen zu einer Ampel, vor der die Straße vierspurig wird, und die Ampel ist rot. Ich halte auf der Innenspur, und der Mazda-Mann hält mit kreischenden Bremsen neben mir und reißt die Handbremse hoch, und im nächsten Moment springt er aus dem Auto. Erwartet habe ich einen Idioten mit Holzfällerkreuz und einem Hals, der breiter ist als der Kopf, aber das Männchen mißt nicht einmal einen Meter sechzig. Mehr habe ich nicht vor Augen, denn was danach passiert ist, verschwimmt in meiner Erinnerung. Zuerst hämmert er gegen meine Scheibe. Für einen langen, schrecklichen Augenblick sehe ich ihm ins Gesicht, dann starre ich geradeaus, ich will, daß die Ampel auf Grün springt, mein Herz schlägt so wild, als wollte es platzen. Dann brüllt er rum – das übliche Zeug, beschissene Nutte, beschissene Schlampe, ich höre es nicht richtig, für mich ist alles nur weißes Rauschen –, und dann halte ich das Warten nicht mehr aus und fahre bei Rot über die Kreuzung, weil ich glaube, sie wäre frei, doch von links kommt plötzlich ein Auto, und der Fahrer muß ausweichen und tritt voll auf die Bremse, und dann hupt er laut, aber das höre ich bald nicht mehr, weil ich wie eine Wahnsinnige davonrase, keine Ahnung, wie schnell, und erst nach einer guten Meile, als ich längst aus der Stadt raus bin, frage ich mich, warum die Windschutzscheibe auf meiner Seite naß ist, obwohl es gar nicht regnet, und dann begreife ich, daß der Typ daraufgespuckt hat, bevor ich losgebraust bin. Seine letzte Rache.

Vor dem Motorway gab es einige Parkplätze, doch ich hielt nicht an, aus Angst, er könnte mir folgen und, wenn er mich sähe, noch einmal neben mir halten, um mich so richtig fertigzumachen. Also fuhr ich weiter, obwohl das verrückt war, denn ich heulte und zitterte den ganzen Weg bis Birmingham und hielt in den Rückspiegeln ständig nach einem Mazda MX-5 Ausschau, der mit aufgeblendeten Scheinwerfern von hinten auf mich zugerast kam, bereit zum Gefecht.

Vielleicht wären manche Frauen umgekehrt und hätten es dem Typen in gleicher Münze heimgezahlt. Aber ich weiß genau, daß er tätlich geworden wäre, wenn ich die Scheibe runtergekurbelt hätte. Er stand neben sich, er hat regelrecht getobt. Ich habe noch nie jemanden erlebt...

Hier habe ich kurz aufgehört zu schreiben. Eigentlich wollte ich dir sagen, daß ich noch nie einen Mann in einer solchen Verfassung erlebt habe. Aber das stimmt nicht. Wie gesagt: Ich habe sein Gesicht nur kurz gesehen, aber lange genug, um ihm in die Augen schauen zu können, ja und diesen Haß hab ich schon einmal in den Augen eines Mannes gesehen – ein einziges Mal. Vor ein paar Monaten in Italien. Aber das ist eine andere Geschichte, und ich hebe sie besser für einen anderen Tag auf, weil meine Hände vom vielen Schreiben schon ganz steif sind.

Wie still dieses Haus ist. Das ist mir gerade zum erstenmal aufgefallen. Mir wurde bewußt, daß das Kratzen des Stiftes das einzige Geräusch war.

Schlaf gut, süße Miriam. Morgen erfährst du mehr.

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