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Vom Pariser Vertrag bis zum Autonomiestatut

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Wurde Südtirol wirklich das Recht eingeräumt, sich selbst zu regieren? Darüber kamen schon in Paris Zweifel auf. Die Tinte der Unterschriften war noch nicht trocken, da wartete der italienische Ministerpräsident Alcide Degasperi mit einer Interpretation auf, die Schlimmes ahnen ließ. Und in der Tat nahm Rom bei der Umsetzung des Abkommens Abstriche vor, die den Autonomiegedanken in sein Gegenteil verkehrten. Statt der allseits erwarteten Landesautonomie wurde praktisch nur eine Regionalautonomie gewährt, in der die Trentiner das Sagen hatten und die Italiener insgesamt über eine Zweidrittelmehrheit verfügten. Dass eine von Christdemokraten geführte Regierung die Politik der Entnationalisierung und Unterwanderung der Faschisten fortsetzte, das war für den katholischen Fundamentalisten Sepp Kerschbaumer wohl eine der größten Enttäuschungen seines Lebens. Denn für ihn war es nicht nur eine Selbstverständlichkeit, dass sich die Politik an christlichen Grundsätzen zu orientieren hatte. Ein ebenso selbstverständliches Gebot war es ihm, Religion und Lebensführung grundsätzlich in Einklang zu bringen, im Großen wie im Kleinen. Wie kann die freie Welt ihrem Hauptfeind, dem Weltkommunismus, offen entgegentreten, wenn in ihrem Innern grundsätzliche Freiheitsrechte missachtet werden, fragte er sich immer wieder. Dass selbst christliche Demokraten nur Machtpolitik betrieben und nur die Interessen ihres Staates sahen, machte Sepp Kerschbaumer schier fassungslos.

Es scheint, dass sich Sepp Kerschbaumer in der ersten Nachkriegszeit primär lokalen Aufgaben widmete. Für ihn war es eine Selbstverständlichkeit, dass er der Südtiroler Volkspartei beitrat. Wie bei allen Dingen war auch hier sein Einsatz total. Halbheiten gab es keine. Schon 1946 wurde er zum Fraktionsvorsteher von Frangart bestellt. Diese Funktion übte er bis 1956 aus. Überzeugt, dass eine gute Schulbildung das größte Kapital ist, das man einem jungen Menschen auf den Lebensweg mitgeben könne, setzte er sich als Fraktionsvorsteher mit ganzer Kraft für den Bau eines Schulhauses in Frangart ein. Wenn er sich ein Projekt dieser Art vornahm, dann zog er es rasch durch. Für bürokratische (manchmal auch vom Gesetz vorgeschriebene) Umständlichkeiten hatte er kein Verständnis. Die Gemeindeverwaltung in Eppan hatte es da nicht immer leicht mit ihm. „Anfangen und fertig machen“, war seine Devise. Bereits 1948 wurde das neue Gebäude eingeweiht und bezogen.14 Ungefähr von 1946 bis 1958 – Anfang und Ende lassen sich nicht mehr genau ermitteln – war er auch Obmann der SVP-Ortsgruppe von Frangart. Auch diese Funktion nahm er ernst. Hermann Nicolussi-Leck berichtete 1957 dem Parteiausschuss, dass Kerschbaumer seine Ortsgruppe „ausgezeichnet beisammen“ hat; er genieße volles Vertrauen; ganz Frangart stehe hinter ihm.15 Es gibt Hinweise, die den Schluss nahelegen, dass er um 1958 diese Funktion niederlegte, weil er die SVP nicht gefährden wollte. Im Laufe dieses Jahres war er nämlich zu der Überzeugung gelangt, dass der italienischen Majorisierungspolitik nur mehr mit Dynamit Einhalt geboten werden könne. Und daraus zog er die ihm erforderlich scheinende Konsequenz. Mit seinem Rücktritt als Ortsobmann setzte er sich aber innerlich nicht von der Südtiroler Volkspartei ab. Sie war und blieb – allem Ärger und allen Enttäuschungen zum Trotz – seine politische Heimat.

Sepp Kerschbaumer

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