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Dem Herrn Bürgermeister von Bozen und zur Kenntnis an S. Exz. den Präfekten von Bozen.

Es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, daß das Koordinierungskomitee für Volkswohnbau (CEP) eine schnelle Realisierung des zweiten Wohnbauprogramms beschlossen hat, in welchem die Errichtung eines neuen Stadtteiles in Bozen einbegriffen ist, und zwar für den Betrag von 2,5 Milliarden Lire für die Errichtung von 5000 Wohnräumen, zusätzlich Kirchen und die Gebäude für soziale und öffentliche Dienste.

Ich bin sicher, auf Ihre Mitarbeit bei der Verwirklichung dieser Initiative der Regierung rechnen zu können, und bezweifle nicht, daß dieser wesentliche Beitrag zur Durchführung des sozialen Wohnbauprogramms in dieser Stadt gewürdigt wird.

Togni, Minister für Öffentliche Arbeiten.

„Der Togni-Plan“, schreibt Franz Widmann, der diese Zeit als aufmerksamer Beobachter miterlebt hat, „ging wie ein elektrischer Schlag durch die Südtiroler Bevölkerung; er löste Entrüstung und Zorn aus über eine derart dreist und offenkundig fortgesetzte Zuwanderungspolitik, mit der die Südtiroler praktisch an die Wand gedrückt werden sollten.“45 Eine SVP-Delegation sprach schon am 24. Oktober 1957 beim Minister vor, um gegen dieses Großprojekt Einspruch zu erheben. Ihr Erfolg war gleich null. Togni erklärte ihr, dass das Vorhaben Teil eines für ganz Italien geplanten Volkswohnbauprogramms sei. Es habe lediglich sozialen und keinen politischen Charakter.46 Wer’s glaubte, konnte selig werden. Aber danach hatte zu der Zeit niemand ein Verlangen.

Wie sich diese Art von Sozialpolitik auswirke, konnten sich die Südtiroler an den Fingern ausrechnen. Der Parteiausschuss der Südtiroler Volkspartei beschloss in seiner außerordentlichen Sitzung vom 27. Oktober 1957, gegen den Togni-Plan eine Protestkundgebung abzuhalten. Die Demonstration sollte am 17. November vor dem Landhaus in Bozen stattfinden. Doch da legten sich die Neufaschisten quer, die drohten, am gleichen Tag zu gleicher Zeit und am gleichen Ort eine Gegendemonstration zu veranstalten.47 Der Querschuss zeigte Wirkung. Unter Berufung auf Artikel 18 des Polizeigesetzes verbot der Quästor Renato Mazzoni der SVP, die Landsleute, die die römische Volkswohnbaupolitik ablehnten, vor dem Landhaus zu sammeln. Als Ausweichplatz wies er ihr den Sportplatz zu. Magnago wäre der Grieser Platz lieber gewesen. Der aber schien wiederum Mazzoni zu gefährlich. In Wirklichkeit wollten die Behörden die Kundgebung überhaupt verbieten. Kurz nach dem Gespräch, das Magnago mit Mazzoni geführt hatte, nahm der Regierungskommissar Luigi Sandrelli die Genehmigung für die Abhaltung der Kundgebung auf dem Sportplatz zurück. Spätestens jetzt aber mussten die Behörden zur Kenntnis nehmen, dass sie es bei der SVP mit neuen Leuten zu tun hatten, mit Leuten, die Verbote nicht einfach hinnahmen. Die SVP hatte am 30. Oktober 1956 zum 10. Jahrestag des Pariser Vertrags in Bozen eine Großkundgebung veranstalten wollen. Doch der Regierungskommissar hatte ihr die Genehmigung verweigert. Und die SVP hatte sich in das Njet gefügt.48 Doch 1957 war nicht mehr 1956. Magnago und seine Leute gaben das Vorhaben nicht auf. In der SVP kam man auf den Gedanken, die Kundgebung auf Schloss Sigmundskron zu verlegen. Verkehrsmäßig lag der Standplatz ungünstig, aber er hatte eine starke Symbolkraft. Magnago musste sich dem Regierungskommissar gegenüber verbürgen, dass die Kundgebung geordnet verlaufen werde. Unter dieser Voraussetzung erhielt er die Genehmigung, die Demonstration auf Schloss Sigmundskron abzuhalten.

Hatten die Behörden mit ihrem Hin und Her auch die Nerven der Veranstalter arg strapaziert, so lieferten sie ihnen doch auch die Werbung frei Haus. Hätte es ihre Widerstände nicht gegeben, so wären 10.000, maximal 15.000 Südtiroler gekommen, nach Sigmundskron aber begaben sich 35.000. Von der Menge stürmisch begrüßt, trat Magnago ans Rednerpult. In einer der Wortwahl nach sehr zurückhaltenden Ansprache rief er das „Los von Trient!“ aus, „das den künftigen Kurs der Politik in Südtirol bestimmte“.49 Es bereitete ihm keine Schwierigkeiten, den Resolutionsentwurf durchzubringen, wohl aber musste er seine ganze Überzeugungskraft aufbieten, um die Massen von einem Marsch auf Bozen abzuhalten. Er habe als Verantwortlicher für diese Kundgebung und als Obmann der SVP sein Wort gegeben, „daß kein Marsch und kein Sonderprogramm“ nach dieser Kundgebung stattfinden werde. Zwischenruf aus der Menge: „Die anderen haben schon viele Worte gegeben!“ Magnago: „Ich aber habe mein deutsches Wort gegeben, und ich bitte euch, dieses mein deutsches Wort einzuhalten, denn das deutsche Wort hat bei uns immer noch Gültigkeit.“50 Das schlug ein. Die Veranstaltung klang ohne Zwischenfall aus. Claus Gatterer spricht von einer „feierlich-disziplinierten und gerade hierin unitalienischen Demonstration“.51

Die bestimmende Persönlichkeit der Sigmundskroner Kundgebung war ohne Zweifel Magnago. Doch hat ihr auch Sepp Kerschbaumer seinen Stempel aufgedrückt. Er muss damals Tag und Nacht tätig gewesen sein. Es ist wahrscheinlich, dass er auch die Aktion vor der Battisti-Büste in die Wege geleitet oder zumindest unterstützt hat. Luis Amplatz und Otto Petermair legten zum Auftakt der Sigmundskroner Großkundgebung am Bozner Siegesdenkmal einen Kranz mit einer Schleife nieder, die es in sich hatte: Dem Verfechter der Grenze bei Salurn! stand da drauf, und: CESARE BATTISTI die Südtiroler. Die Wachposten, ohne Deutschkenntnisse und ohne Ahnung von der Landesgeschichte, erfassten nicht, dass hiermit ein Protest gegen die Brennergrenze deponiert wurde.


Eine Huldigung an Cesare Battisti als Verfechter der Salurner Grenze

Kerschbaumer dürfte auch dafür Sorge getragen haben, dass auf Sigmundskron die verbotene Tiroler Fahne gehisst wurde, zuerst am Bergfried, dann auch an anderen Stellen, jedes Mal von der Menge mit Jubel begrüßt.52 Den stärksten Akzent aber setzte er mit einem maschinegeschriebenen Flugblatt, das er in Sigmundskron unter die Leute brachte:53

LANDSLEUTE!

Noch nie in den fast 40 Jahren italienischer Herrschaft hat sich unser Volk in einer so gefährlichen Lage befunden wie heute! Was dem Faschismus in nahezu 20 Jahren mit gewaltsamsten Unterdrückungsmethoden nicht gelungen ist, hat das demokratische Italien in 10 Jahren beinahe erreicht. Trotz des Pariser Vertrages! Noch 10 Jahre „christlich-demokratische Herrschaft“ in Südtirol, und sie haben es erreicht, was sie sich vom Anfang an zum Ziele gesetzt haben: Die Südtiroler im eigenen Lande in die Minderheit zu drängen und sie dann auf „demokratische Weise“ auszurotten, sie zu verwelschen!

L A N D S L E U T E !Es ist fünf vor zwölf! Wir rufen daher alle echten Tiroler auf, sich endlich zu besinnen und zu handeln, ehe es zu spät ist! Es ist das letzte Aufgebot! Die Welt weiß es, der alte, echte Tiroler Geist, er ist noch nicht tot, er kann nicht tot sein! Er schläft, er glimmt im Verborgenen, in Dörfern und Städten.

Hört unsern Ruf: Südtirol erwache! Rüstet euch zum Kampf! Zum Kampf um unsere Existenz! Es geht um Sein oder Nichtsein unseres Volkes! Es geht um den Bestand unsrer Kinder, unserer Kindeskinder!

Frei wollen wir wieder werden in unserem Lande, frei wie unsere Vorväter es gewesen über 1000 Jahre im deutschen Südtirol! Deutsch wollen wir bleiben und keine Sklaven eines Volkes, welches durch Verrat und Betrug unser Land kampflos besetzt hat und seit 40 Jahren ein Ausbeutungs- und Kolonisationssystem betreibt, welches schlimmer ist als die einstigen Kolonialmethoden in Zentralafrika! In den ganzen 40 Jahren italienischer Herrschaft haben wir nicht eine Spur guten Willens auf italienischer Seite feststellen können. Mochte es sich um Faschismus oder mag es sich um Christlich-Demokraten, Sozialisten oder Kommunisten handeln! Sie alle sind sich darüber einig: Das Deutschtum in Südtirol muß ausgelöscht werden!

L A N D S L E U T E !„Ein Volk, das um nichts anderes kämpft als um sein angestammtes, verbrieftes Recht, wird den Herrgott zum Bundesgenossen haben!“ (Kanonikus Gamper). Aber kämpfen müssen wir um unser Recht, kämpfen, auf daß wir wieder freie Tiroler werden! In einemf r e i e nS Ü D T I R O L!

Das Blatt war ungezeichnet, die Aufmachung bescheiden. Doch die Diktion ließ schon erahnen, dass da eine neue politische Kraft im Untergrund tätig war.

Sepp Kerschbaumer

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