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Vesuvius

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Die private Seite dieser Biographie zeigt Paul Johann Anselm Feuerbach als äußerst impulsiven, reizbaren, oft jähzornigen Menschen – „wunderlich rabbiat“, wie ihn ein junger Praktikant in Bamberg erlebte, ein „Vesuvius“, wie ihn Elisa von der Recke und August Tiedge scherzhaft nannten (er selbst gab sich gelegentlich diesen Beinamen), eine „dramatische Persönlichkeit, mit allen Tugenden, aber auch Fehlern einer solchen behaftet“, wie sein Sohn Ludwig sich zurückhaltend ausdrückte.51 Über das, was ihn persönlich bewegte, unterrichten uns ein in jungen Jahren geführtes Tagebuch und zahlreiche Briefe, vor allem an den Vater und an Elisa von der Recke. Über sein Familienleben erhalten wir dabei seltsam wenig Auskunft. In den Briefen an den Vater aus der Zeit in Kiel und Landshut werden die Söhne (die Töchter sind noch nicht geboren) noch gelegentlich erwähnt, und Ehefrau Wilhelmine ist noch „meine liebe Frau“, doch ab der Münchner Zeit tauchen die Kinder in seinen Korrespondenzen fast nur noch im Zusammenhang mit Gehaltsfragen und Gratifikationsforderungen auf: Mit dem Argument, er habe eine große Familie zu versorgen, begründet er seine Ansprüche. In der Tat war seine Familie auf stattliche Größe angewachsen: fünf Söhne und drei Töchter. Die beiden ältesten, Anselm (1798–1851) und Karl (1800–1834) waren noch in der Jenaer Zeit geboren; in Kiel kam Eduard (1803–1843) zur Welt, in Landshut Ludwig (1804–1872), in München schließlich Friedrich (1806–1880) sowie die drei Töchter: Helene (1808–1891), Leonore (1809–1885) und Elise (1813–1883).52 Am empfänglichsten für dieses „Argument“ zeigte sich König Max Joseph, der selbst eine große Familie hatte: Als Feuerbach 1815 nach Bamberg abgeschoben wurde, sicherte ihm der König nach der Abschiedsaudienz für jeden seiner Söhne ein Stipendium von 800 Gulden jährlich zu, sobald sie die Universität bezögen.53

Wie die Söhne und Töchter in ihrer Kindheit den Vater erlebten, wissen wir nicht. Wahrscheinlich sahen sie ihn wenig. Nur am Anfang der Münchner Zeit, im Sommer 1807, durften die Gattin und die beiden ältesten Söhne mit zum Kuraufenthalt nach Bad Gastein.54 Die Jahre danach, in denen Feuerbach mit dem Strafgesetzbuch und den beiden Entwürfen zu einem Zivilgesetzbuch beschäftigt war, saß er nach seinen eigenen Worten von sechs Uhr morgens bis zehn Uhr abends am Schreibtisch,55 und als man ihn kaltstellte und ihm keine Arbeit mehr gab, ging er auf Reisen und betrieb Forschungen. Friedrich Thiersch, der 1809 als Fünfundzwanzigjähriger in die Familie kam, mag mit seiner Begeisterungsfähigkeit und Sportlichkeit – er bestieg den fast 3800 Meter hohen Großglockner – den Vater ein Stück weit ersetzt haben.

Paul Johann Anselm Feuerbach verliebte sich obendrein 1813 in die Frau eines Freundes und kannte offenbar nur noch seine Verliebtheit: In Bamberg nahm er seine Nanette Brunner sogar in den eigenen Haushalt auf, im naiv anmutenden Glauben, seine Frau lebe mit ihr „wie mit ihrer besten Freundin“. Einige Monate später notierte er freilich: „Im Juni [1816] auf meiner Durchreise durch Bamberg nach Frankfurt entlief mir heimlich mein böses Weib und gab Veranlassung zu einer außergerichtlichen Trennung.“56 Die Familie wurde fünfeinhalb Jahre lang auseinandergerissen: Die Mutter blieb mit den Töchtern in Bamberg, der Vater zog mit den Söhnen nach München,57 um dort seine Berufung nach Preußen zu betreiben, und als er im Frühjahr 1817 als Präsident des Appellationsgerichts nach Ansbach ging, nahm er Eduard, Ludwig und Friedrich mit (die beiden Ältesten begannen im selben Frühjahr ihr Studium in Erlangen). In Ansbach lebten die drei Jungen unter der Obhut einer älteren Dienerin in einem eigenen Hausstand; der Vater lebte mit der Geliebten und deren beiden Söhnen zusammen.58

Nach Nanettes Tod – Ludwig war siebzehn und schloss eben das Gymnasium ab – fanden die Eltern Anfang 1822 wieder zusammen; mit der Mutter kamen auch die Töchter nach Ansbach. Zumindest eine Zeitlang stellte sich so etwas wie familiäre Harmonie ein: „Keine einzige ähnliche Szene“, schrieb Sohn Anselm am 17. März 1822, „wie wir sonst wohl fast von Tag zu Tag zu erwarten und zu befürchten hatten. Eine versalzene Suppenschüssel ist nicht mehr mit einem Himmeldonnerwetter begleitet.“ Ein Element der Zwietracht blieben Nanettes Söhne, die „ungezognen Schlingel“ (Ludwig an die Mutter), die weiterhin im Feuerbachschen Hause wohnten.59

Ludwig Feuerbach

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