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1. Was sind Ketzer?

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Als Offenbarungsreligion mit absolutem Wahrheitsanspruch hatte sich das Christentum gegen andere Religionsgemeinschaften und -vorstellungen zu behaupten. Muslime und Angehörige paganer Kulte galten im christlichen Mittelalter pauschal als „Ungläubige“, die zu bekehren oder unterdrücken waren. Die jüdischen Gemeinden wurden marginalisiert und diskriminiert. Doch auch innerhalb des Christentums rief der Wahrheitsanspruch, der sich auf das geoffenbarte Gotteswort stützte, Spannungen hervor. Die strikte Bindung des Glaubens und der Kirche „an die Person Jesu Christi als Weg, Wahrheit und Leben“ (W. Beinert) machte logisch die Einheit von Glaube und Kirche notwendig. Paulus hatte betont: „Es gibt kein anderes Evangelium“ (Gal. 1,8); der erste große Theologe der lateinischen Christenheit, Tertullian (†nach 220), bezeichnet das Christentum als „Wahrheit“ (veritas), nicht bloß als „Brauch“ (consuetudo). Demgegenüber stand die historische Erfahrung unterschiedlicher Auslegungen und Lebensformen, die sich je auf die christliche Tradition beriefen. Die Kirche verstand es seit ihrer Frühzeit als ihre Aufgabe, den doktrinären und kultischen Pluralismus im Christentum einzudämmen. In dem Maße, wie die Kirche religiös verbindliche Lehrsätze (Dogmen) aufstellte und autoritative Strukturen ausbildete, um die einheitliche Auslegung und Kultpraxis des Christentums zu kontrollieren, entstand das Phänomen der christlichen Häresie oder Ketzerei.

Ketzerei und Inquisition im Mittelalter

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