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Vorwort des Autors
Оглавление„Historisch über Häresie zu handeln könnte bedeuten, die im Laufe der Kirchengeschichte aufgetretenen Häresien und ihre Abwehr von rechtgläubiger Seite zu beschreiben. Ein solches Unternehmen wäre deshalb problematisch, weil es praktisch eine Darstellung der gesamten Kirchengeschichte erforderlich machen würde.“ Vor diesem, von Alfred Schindler in der TRE benannten methodischen Problem steht jede Darstellung der Ketzergeschichte, die sich in einem breiteren zeitlichen, thematischen und geografischen Rahmen bewegt. Zu jedem Zeitpunkt der Kirchengeschichte hat es unterschiedliche Auslegungen der christlichen Botschaft und unterschiedliche Vorstellungen vom kirchlichen Zusammenleben gegeben. Als Ketzer wurden diejenigen diffamiert und verfolgt, die gegen eine festgelegte Glaubenswahrheit auf ihrem abweichenden Standpunkt beharrten. Die Ketzergeschichte bildet mithin jenen historischen Prozess ab, in dem die allgemeine Kirche ihre unverwechselbare und verbindliche dogmatische, liturgische und hierarchische Gestalt annahm. Eine Fülle von theologischen und historischen Spezialuntersuchungen und Handbüchern erlaubt es, diesen Prozess bis in die Einzelheiten zu verfolgen.
Der vorliegende Band stellt die Geschichte der mittelalterlichen Ketzerei und ihrer Verfolgung durch die Kirche in der Form des einführenden Überblicks dar. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt dabei auf den Entwicklungen in der lateinisch-abendländischen Welt, die sich nicht erst seit dem Schisma von 1054 in theologischer und organisatorischer Hinsicht vom griechischen Osten absonderte. Der vergleichenden Einordnung dienen die Kapitel über „Ketzer und Ketzerverfolgung in der Alten Kirche“ (I.2) und über die Verhältnisse im Byzantinischen Reich (II.2). Systematisch durchzieht der Zusammenhang von religiöser Motivation, kirchlicher Hierarchie und politischer Ordnung die einzelnen Kapitel. Welche Menschen und Gruppen ließen sich aus welchen Motiven auf alternative Glaubenslehren ein? Wie wurde abweichendes Verhalten von Vertretern der Kirche wahrgenommen und sanktioniert? Wie beteiligten sich weltliche Herrschaftsträger an der Sanktionierung? Im Überblick werden somit die die mittelalterliche Ketzergeschichte prägenden Einzelbeispiele, Gruppen und Bewegungen sowie die Verdichtung und Anpassung institutioneller Strukturen im kirchlichen und politischen Bereich in einen erklärenden Zusammenhang gebracht.
Dieses schwierige Vorhaben wäre ohne den Rat und die Hilfe von verschiedener Seite nicht möglich gewesen. Besonders habe ich von den Fragen, Vorschlägen und Korrekturen von Arnold Angenendt (Münster) profitiert, der das gesamte Manuskript gelesen hat. Die früheren Diskussionen mit Jean Duvernoy (Toulouse), John Mundy (New York, gest. 2004), Giles Constable (Princeton), Gerd Schwerhoff (Dresden) und Kaspar Elm (Berlin) haben in dem Buch an verschiedenen Stellen ihre Spuren hinterlassen. Für weitere Hinweise und Hilfestellungen danke ich zudem sehr herzlich den Herausgebern der Reihe sowie Bertram Kaschek (Dresden), Anna Wipplinger, Solvejg Schlee, Andrea Hofmann und Sandra Lehner (Regensburg).
Dresden/Regensburg im November 2006 | Jörg Oberste |