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1. Die abendländische Welt a) Der germanische Arianismus
ОглавлениеDie Verbreitung des Christentums hatte sich in den ersten Jahrhunderten im Wesentlichen innerhalb der Grenzen des Römischen Reiches vollzogen. Im römischen Heeresdienst und als Kriegsgefangene kamen erstmals auch Germanen mit dem neuen Glauben in Berührung. Mit der Christlichwerdung der Kaiser im 4. Jahrhundert waren Reichsverwaltung und Kirche in vielen Bereichen zusammengewachsen. Als das Christentum unter Kaiser Theodosius I. schließlich zur römischen Staatsreligion erhoben wurde, befand sich das Römische Reich an vielen Grenzen bereits in der Defensive. Germanische Heeres- und Siedlungsverbände drängten seit der Mitte des 3. Jahrhunderts in die römische Welt. Im Osten des kulturell und administrativ geteilten Reichs traten vor allem Goten, Wandalen und Heruler in Erscheinung. In den germanischen und gallischen Westprovinzen kam es um 255 zu einem ersten großen Frankeneinfall, dessen Ausläufer bis nach Spanien reichten. Durch Föderatenverträge versuchten die Kaiser zwar, ihre germanischen Gegner einzubinden, doch leistete diese zeitweise Anerkennung auf Dauer der Bildung eigenständiger Germanenreiche auf römischem Boden eher Vorschub. Insbesondere im Westen zeigte sich die römische Militäradministration dem anhaltenden Invasionsdruck nicht gewachsen. Im Jahre 410 musste sich die Reichshauptstadt Rom dem Westgotenkönig Alarich (397–410) unterwerfen, 45 Jahre später wiederholte sich diese Demütigung gegenüber den Wandalen. Endgültig brach die westliche Kaiserherrschaft im Jahre 476 mit der Absetzung des Romulus durch den germanischen Heerführer Odoaker zusammen. Um das weströmische Erbe konkurrierten um 500 die Königtümer der Ostgoten (Italien und Provence), Westgoten (Südwestgallien, Aquitanien, Spanien), Franken (Nord- und Mittelgallien), Burgunder (Südostgallien) und Wandalen (Nordafrika).
Bei ihrem Eintritt in die römische Welt haben – in unterschiedlichen Fristen – alle germanischen Eroberer die vorherrschende christliche Religion und Kultur übernommen. Da aber die christliche Welt seit der konstantinischen Epoche zwischen Katholiken und Arianern geteilt war, wirkte diese Spaltung bei den Germanen weiter. Als erster großer Siedlungsverband kamen im 4. Jahrhundert die Goten in Kontakt mit dem arianischen Christentum. Auf einer von Arianern beherrschten Bischofssynode in Antiochia im Jahre 341 erhielt der gotische Adlige Wulfila die Bischofsweihe und den Auftrag zur Gotenmission.