Читать книгу Der Dreißigjährige Krieg Band 1-3: Der Winterkönig / Der tolle Halberstädter / Der Hexenbrenner - Jörg Olbrich - Страница 17

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Pressburg, 04. Juli 1618

»Wo hast du denn die ganzen letzten Tage gesteckt?«, hörte Anton die verärgerte Stimme hinter sich und spürte einen eiskalten Schauer über seinen Rücken jagen. Was will die denn jetzt noch?

»Wolltest du etwa gehen, ohne mir auf Wiedersehen zu sagen?«

Um ehrlich zu sein, ja. »Natürlich nicht. Ich wollte dich schon die ganze Zeit über besuchen, hatte aber zu viel zu tun. Ich musste für den König mehrere Schreiben aufsetzten. Du weißt ja selbst, wie viel seit dem Brand im Schlossturm geschehen ist.« Um zu vermeiden, dass jemand hörte, was er mit Vroni zu bereden hatte, war Anton notgedrungen nah an sie herangetreten. Er hatte leise gesprochen und hoffte, dass das Weibsbild nun ebenfalls ihre Stimme drosseln würde.

In den vergangenen Tagen hatte er wenig Zeit mit König Ferdinand verbracht, der sich oft mit Erzherzog Maximilian zurückgezogen hatte. Das musste Vroni allerdings nicht wissen. Anton war ihr bewusst aus dem Weg gegangen, um nicht an die Nacht mit ihr und seine Versprechungen erinnert zu werden. Jetzt hatte sie ihn aber doch noch erwischt. Und das kurz bevor er mit König Ferdinand, dem Erzherzog von Bayern und deren Gefolge die Rückreise nach Wien antreten würde. Er konnte es kaum abwarten, diese Stadt endlich zu verlassen.

»Ich dachte wirklich, du würdest einfach so abreisen.«

Genau das hatte ich vor. »Kannst du bitte etwas leiser sprechen?«

»Warum? Hast du etwa Angst, dass jemand uns zusammen sieht? Schließlich sind wir praktisch verlobt.«

Gott bewahre, bloß das nicht! »Es muss ja nicht jeder gleich hören, was wir miteinander reden. Ich wäre, bevor wir abreisen schon noch zu dir gekommen, um dir auf Wiedersehen zu sagen.«

»Das musst du ja jetzt nicht mehr. Ich werde für immer bei dir bleiben.«

»Was soll das nun wieder bedeuten?«

»Ich komme mit dir nach Wien.«

Nein, das wirst du nicht! Anton sah Vroni beschwörend an und versuchte, sich dabei nicht von ihrer üppigen Oberweite ablenken zu lassen. »Ich habe dir doch gesagt, dass du mich nicht begleiten kannst und ich dich nachholen werde, sobald ich die Anstellung als kaiserlicher Schreiber sicher habe.«

»Das musst du nicht mehr. Ich habe bereits alles geregelt. Wir können sofort aufbrechen.«

»Hast du nicht verstanden, was ich dir gesagt habe?« Gott hilf mir, dieses Weibsbild endlich loszuwerden.

»Du verstehst nicht. Es ist bereits alles geregelt. Ich werde mit euch nach Wien kommen.«

»Und wie stellst du dir das vor?«

»Zwei Küchenmägde des Königs sind spurlos verschwunden. Sie haben wohl beschlossen, in Ungarn zu bleiben. Euer Koch hat bei uns in der Burg nachgefragt, ob jemand von uns bereit wäre, mit nach Wien zu reisen und eine Anstellung im Kaiserhof anzutreten. Da ich ungebunden bin, habe ich mich dafür gemeldet.«

Lieber Gott, sag, dass das nicht wahr ist.

»Du freust dich ja gar nicht.« Vroni sah den Schreiber beleidigt an.

»Doch«, entgegnete Anton schnell, obwohl er Vroni am liebsten eigenhändig in die Küche zurückgebracht und dort festgebunden hätte. »Das kommt nur sehr überraschend.«

»Ich freue mich so sehr auf Wien. Wir können uns jeden Tag sehen und noch in diesem Jahr heiraten!«

Ganz sicher nicht. »Nicht so eilig. Du weißt doch, dass mir mein Lehrmeister kaum eine freie Minute lässt. Ich werde mich nicht jeden Tag mit dir treffen können. Und heiraten werde ich erst, wenn meine Zukunft am Kaiserhof gesichert ist.« Du wirst niemals mein Weib werden. Vorher ertränke ich dich eigenhändig in dem tiefsten Brunnen, den ich finden kann. Es kostete Anton große Mühe, die Beherrschung zu behalten und sich nicht auf der Stelle auf das Weib zu stürzen, das so hartnäckig an ihm klebte wie eine Honigwabe.

»Es wird schon alles gut werden«, sagte Vroni unbeschwert und strahlte über das ganze Gesicht. »Ich muss jetzt zum Koch. Wir sehen uns spätestens, wenn wir unser Nachtlager aufgeschlagen haben.«

Vronis Blick versprach Anton, dass sie ihm angenehme Abendstunden bereiten würde. Genau darauf wollte er aber lieber verzichten. Er musste einen Weg finden, sich unterwegs von ihr fernzuhalten. Wenn sie erst einmal am Kaiserhof waren, würde er seine Ruhe haben.

***

Anton stellte sich auf einen langweiligen Tag ein. Er ritt wieder hinter König Ferdinand und Erzherzog Maximilian, die sich wie bereits auf dem Hinweg angeregt unterhielten. In den Straßen der Stadt hatten sich ein paar wenige Bürger versammelt, um ihren König zu verabschieden. Diesen winkte Ferdinand freundlich zu.

Vroni war am Ende des Zuges bei den anderen Mägden. Wenigstens tagsüber würde Anton also vor ihr Ruhe haben. Er musste eine Möglichkeit finden, das Weib in Wien schnell loszuwerden. Er hatte hart für die Anstellung am Kaiserhof gearbeitet und wollte seine Zukunft nicht durch eine Liebschaft gefährden, an deren Beginn er sich nicht einmal erinnern konnte.

Sie waren gerade einmal eine Viertelstunde unterwegs und hatten Pressburg eben erst verlassen, als zwei Kundschafter zurückkehrten, die vorausgeritten waren, um sicherzustellen, dass unterwegs keine bösen Überraschungen auf den König und sein Gefolge warteten.

»Wir haben zwei tote Frauen gefunden«, meldete einer der beiden Männer.

»Wo das?«, fragte der König, der über die Störung sichtlich verärgert war.

Der Mann deutete auf ein kleines Wäldchen vor ihnen. »Sie liegen da zwischen den Bäumen.«

»Darum sollen sich die Soldaten aus Pressburg kümmern. Wir können uns nicht durch jeden Bauernstreit aufhalten lassen. Sonst kommen wir nie in Wien an.«

Damit hatte der König ausgesprochen, was auch Anton dachte. So tragisch der Tod der Frauen auch sein mochte, es war nicht die Aufgabe des Königs, sich mit der Aufklärung eines gewöhnlichen Mordes zu befassen.

»Ich kenne die Frauen«, sagte der Kundschafter. »Sie gehören zu unseren Küchenmägden.«

»Bist du sicher?«

»Ja, Eure Majestät.«

»Führt den Koch zu den Toten. Wenn er deinen Verdacht bestätigt, begrabt sie dort. Wir werden eine kurze Rast einlegen. Ich erwarte, dass ihr die Sache schnell zu einem Ende bringt, damit wir weiterreisen können.«

Jetzt wird es spannend. Wenn die beiden Toten tatsächlich aus ihrer Gruppe kamen, konnte ihr Tod eine größere Bedeutung haben. Die ungarischen Adeligen hatten ihren König alles andere als freundlich empfangen. War dies der Grund für den Mord an den Mägden? Oder steckte am Ende etwas ganz anderes dahinter? Anton versuchte, Vroni in der Menge ausfindig zu machen, konnte sie aber nicht sehen. Hatte sie etwas mit dem Verschwinden der beiden Frauen zu tun? Für sie selbst hatte sich damit die Möglichkeit ergeben, eine Anstellung am Kaiserhof zu finden. Würde sie aber tatsächlich so weit gehen, um dieses Ziel zu erreichen?

Anton wollte nicht glauben, dass Vroni zu einer derartigen Tat fähig war. Zum ersten Mal wünschte er sich, mit dem Weib zu sprechen. Die Gelegenheit, sie zu den beiden Mägden zu befragen, würde sich aber sicher noch ergeben. Anton fragte sich auch, warum man die Frauen so abgelegt hatte, dass die Soldaten von König Ferdinand sie überhaupt hatten finden können. Das sprach dafür, dass jemand aus dem ungarischen Reich ein Zeichen setzen wollte. Vroni hätte die Toten sicher besser versteckt, wenn sie in den Mord verwickelt war.

Der ungarische Adel musste allerdings auch wissen, dass zwei tote Mägde König Ferdinand nicht sonderlich beeindrucken würden. Sicher hätten sie ein anderes Ziel ausgewählt, um dem König ihren Unmut zu zeigen. Es war natürlich auch möglich, dass die beiden Küchenmägde einer normalen Räuberbande zum Opfer gefallen waren.

Während Anton all diesen Überlegungen nachhing, kehrten die Soldaten mit dem Koch zu der Gruppe zurück.

»Gehörten die Frauen zu deinen Mägden?«, fragte der König, der ziemlich ungehalten war, weil die Unterbrechung ihrer Reise so lange dauerte.

»Ja, Eure Majestät. Beiden wurde mit einem Messer die Kehle durchgeschnitten. Ich kann nicht verstehen, wie so etwas geschehen konnte! Das waren anständige Mädchen, die keinerlei Ärger gemacht haben.«

Dem Koch war anzusehen, wie sehr er mit der Fassung rang. Kardinal Klesl, der nach dem Vorfall bei der Parade sehr schweigsam geworden war, und Erzbischof Maximilian taten so, als ginge sie die ganze Sache nichts an und auch der König schien nicht gewillt zu sein, noch länger vor der Stadt zu verweilen. Er gab den Befehl zum Aufbruch und ritt hinter einer Gruppe von sechs Soldaten an der Spitze des Zuges.

Der restliche Tag verlief so, wie es Anton erwartet hatte. Der königliche Tross setzte seine Reise ohne weitere Zwischenfälle fort. Ferdinand und Maximilian blickten schweigend nach vorne und schienen es eilig zu haben, das ungarische Reich zu verlassen. Auch Klesl sprach Anton nicht an, so dass der in Ruhe seinen Gedanken nachhängen konnte, die sich darum drehten, ob Vroni etwas mit dem Mord an den beiden Mägden zu tun haben konnte. Auch die Frage, wie es sein konnte, dass der Kardinal beinah von einer Kugel getroffen worden war, wollte ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen.

Während Anton zerstreut dabei half, die Zelte aufzubauen, sah er immer wieder zum Koch und seinen Mägden. Vroni sah er aber erst, als er sich am Abend sein Essen abholte. In ihrem Blick lag ein Versprechen für die Nacht, welches Anton aber auf keinen Fall einfordern würde. So gerne er das Weib zur Rede gestellt hätte, er durfte nicht in Verdacht geraten, dass er mit der Magd anbändelte.

Es würde seiner Karriere nicht guttun, wenn er gleich an ihrem Beginn beim König in Verruf geriet.

Anton verbrachte den restlichen Abend in dem geräumigen Zelt von König Ferdinand, wo er die Ereignisse ihrer bisherigen Reise protokollierte. Als er kurz nach Einbruch der Dunkelheit für diesen Tag aus dem Dienst entlassen wurde, ging er zu einem Wäldchen, um sich zu erleichtern. Vroni stand ganz plötzlich hinter ihm.

»Musst du dich so an mich heranschleichen?«, fragte Anton ärgerlich.

»Du hast selbst gesagt, dass keiner merken soll, wenn wir uns treffen.«

»Deshalb sollten wir auch warten, bis wir in Wien sind.«

»Gerade ist aber niemand hier!« Vronis Stimme war nicht mehr als ein Hauchen und sie kam so nahe an Anton heran, dass der ihre Brust an seinem Oberkörper spüren konnte. Dann küsste sie ihn auf den Hals.

»Hör sofort auf damit. Was wenn uns jemand sieht? Wir dürften gar nicht zusammen sprechen.«

»Was ist so schlimm? Wir reden doch nur.«

»Es ist mitten in der Nacht. Was willst du denn überhaupt?«

»Ich wollte dich sehen. Freust du dich denn nicht?«

»Doch, natürlich tue ich das …« Anton wusste, dass er Vroni jetzt nicht so schnell wieder loswerden würde. »Komm, wir gehen ein Stück von hier weg«, sagte er deshalb.

Die beiden schlichen sich durch den Wald weg vom Lager und gingen so weit, bis sie außer Hörweite waren. Sofort fiel Vroni Anton wieder um den Hals.

»Hör auf. Deswegen sind wir nicht hier«, zischte er, während er Vroni auf Abstand drängte.

»Weswegen dann?«

»Wir müssen reden. Sicher hast du mitbekommen, dass man die beiden Küchenmägde gefunden hat.«

»Ja. Sie wurden ermordet.«

»Weißt du etwas darüber?«

»Wie meinst du das? Denkst du etwa, dass ich etwas damit zu tun habe.« Vroni sah Anton entrüstet an.

»Nein, natürlich nicht«, antwortete der schnell. »Es könnte ja sein, dass du etwas gehört hast.« Anton hatte das Gefühl, dass die schöne Ungarin ihm etwas verschwieg. Auch wenn sie so tat, als könnte sie kein Wässerchen trüben, ahnte er, dass sie ihm noch einige böse Überraschungen bescheren würde.

»Das habe ich nicht.« Vroni zog ihr Kleid über die Schultern nach unten, so dass Anton auf ihren nackten Busen schauen konnte.

»Du musst mir zuhören«, sagte er und zwang sich dem Weib ins Gesicht zu sehen. »Wir dürfen uns so lange nicht mehr treffen, bis wir in Wien sind. Wenn wir erwischt werden, verlieren wir beide unsere Anstellung. Du landest dann als Hure in den Gossen der Stadt. Das willst du doch sicher nicht riskieren.« Innerlich atmete er tief durch. Er hatte der Ungarin gute Gründe genannt, die sie nicht so einfach beiseite wischen konnte.

»Natürlich nicht.« Vroni schien zu begreifen, dass Anton in dieser Nacht nicht auf ihre eindeutigen Angebote eingehen würde, und richtete ihr Kleid. »Werden wir zusammen sein, wenn wir in Wien sind?«

»Wir werden uns dort oft sehen können.«

»Also wirst du mich heiraten?«

Nein, das werde ich nicht. »Wir kennen uns noch viel zu wenig.«

»Du hast es mir versprochen.«

»Ich habe dir gesagt, dass ich zunächst meine Arbeit machen muss. Ein Weib kann ich mir nehmen, wenn ich zum ersten Schreiber des Kaisers bestimmt worden bin. Vielleicht dauert das aber noch Jahre.«

»Und wenn das nicht geschieht?«, jammerte Vroni.

»Das wird es. Verlasse dich darauf.«

»Gut. Ich werde auf dich warten. In Wien entkommst du mir nicht. Sicher wirst du nicht wollen, dass ich dem König erzähle, dass du dich an den beiden Küchenmägden vergangen hast und das Gleiche auch bei mir versuchtest.«

»Bist du von Sinnen?«, fuhr Anton die junge Frau an und packte sie mit beiden Händen an den Schultern. »Kein Wort davon ist wahr!«

»Wird der König dir das aber glauben?« Ein hinterhältiges Lächeln umspielte ihre Lippen.

Du gottlose Hexe. Das werde ich dir irgendwann heimzahlen. Der Tag wird kommen, an dem du es bereuen wirst, mir gedroht zu haben! Anton konnte es nicht fassen, dass Vroni tatsächlich zu derartigen Mitteln greifen wollte, um ihn zu zwingen, sie zur Frau zu nehmen. Wenn es ihr um Reichtum ging, gab es in Wien viele Männer, die ihr mehr zu bieten hatten als Anton. Auch dann, wenn er tatsächlich der erste kaiserliche Schreiber war. Widerwillig musste er sich aber auch eingestehen, dass er im Moment auf das falsche Spiel des Weibes eingehen musste.

»Lass uns zurück zum Lager gehen«, sagte Anton schließlich besänftigend. »In den nächsten Tagen müssen wir vorsichtig sein. Wenn wir in Wien sind, werde ich dir ein paar schöne Plätze zeigen.«

Vroni schien besänftigt und warf Anton ein honigsüßes Lächeln zu. »Ich freue mich sehr auf die Stadt.«

Wenn es nach mir geht, wirst du sie nicht mehr lebend verlassen.

Der Dreißigjährige Krieg Band 1-3: Der Winterkönig / Der tolle Halberstädter / Der Hexenbrenner

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