Читать книгу Der Dreißigjährige Krieg Band 1-3: Der Winterkönig / Der tolle Halberstädter / Der Hexenbrenner - Jörg Olbrich - Страница 19

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Wien, 21. Juli 1618

Eintrag in die kaiserliche Chronik des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation:

In Unwissenheit von Kaiser Matthias wurde Kardinal Klesl am Abend des gestrigen Tages von König Ferdinand an den Hof gerufen und von seiner Hoheit und Erzherzog Maximilian von Bayern mit Zustimmung des spanischen Botschafters seines Amtes enthoben. Gemeinsam mit den Obristen Grafen Dampierre und von Collalto hat Freiherr von Preiner den Kardinal verhaftet und in aller Heimlichkeit aus dem Schloss geschafft.

Im Anwesen des Kardinals Klesl, welches zur gleichen Zeit gesperrt und mit Soldaten besetzt wurde, fand man am heutigen Tag Dokumente, die Schriftwechsel mit den Türken und den protestantischen Ständen in Böhmen beinhalteten, und legte sie dem Kaiser vor. Des Weiteren wurden unter Kardinal Klesls Besitztümern vierhunderttausend Gulden sichergestellt und in die Schatzkammer des Kaiserhofs überführt.

Unterdessen nehmen die böhmischen Unruhen zu. Weitere Jesuiten wurden angegriffen und flohen aus dem Reich.

»Du solltest noch erwähnen, wie ungehalten der Kaiser über die Verhaftung des Kardinals hinter seinem Rücken war«, sagte Zeidler, nachdem Anton ihm seinen ersten Chronikeintrag, den er eigenständig hatte verfassen dürfen, vorgetragen hatte.

»Dagegen unternommen hat er aber nichts.«

»Weil es zu spät dafür war. König Ferdinand und Erzherzog Maximilian haben die Sache gut vorbereitet und sich einen ihrer ärgsten Widersacher vom Hals geschafft.«

»Immerhin hat man in seinem Haus Beweise für seine Schuld gefunden«, gab Anton zu bedenken.

»Es gab einen Schriftwechsel mit den böhmischen Protestanten. Das bedeutet noch lange nicht, dass der Kardinal auf Seiten der Aufständischen war.«

»König Ferdinand legte es so aus.«

»Weil Klesl ihm im Wege war.«

»Ich werde die Eintragung noch entsprechend ergänzen.« Eher gibst du ja sowieso keine Ruhe. Anton hatte nicht erwartet, dass sein Lehrmeister seinen Chronikeintrag unverändert akzeptieren würde, ärgerte sich aber dennoch darüber, dass er den Text nun noch einmal vorschreiben musste, bevor er ihn in die eigentliche Chronik übertragen durfte.

Außerdem machte er sich Sorgen um seinen Lehrmeister. Zeidler gab es zwar nicht offen zu, aber es war eine Tatsache, dass seine Augen von Tag zu Tag schlechter wurden. Auch merkte Anton, dass er sich immer öfter an den Wänden abstützen musste, wenn er sich außerhalb der Bibliothek bewegte. Immer häufiger passierten dem Alten kleine Missgeschicke wie das Umstoßen seines Weinkelches oder das Stolpern über einen Stuhl, der nicht dort stand, wo es Zeidler gewohnt war.

Anton wagte es jedoch nicht, seinen Lehrmeister auf dessen Problem anzusprechen. Dennoch waren die Anzeichen dafür, dass es Zeidler zunehmend schlechter ging, nicht zu übersehen.

Es klopfte an der Tür und eine Küchenmagd trat ein, um den beiden Schreibern das Essen zu bringen. Mit Schrecken erkannte Anton, dass es sich dabei um Vroni handelte.

Ich habe ihr doch gesagt, dass sie nicht hierherkommen soll! Will das Weib mich ruinieren?

»Ich bringe Euer Essen«, sagte Vroni in zuckersüßem Ton und sah Anton an, als würde sie nackt vor ihm auf dem Bett liegen. Der schüttelte kaum merklich den Kopf.

Nicht hier, wollte er schreien, sah die Magd aber nur böse an. Sie sollte es ja nicht wagen, vor Zeidler etwas Falsches zu sagen.

»Stell es dort auf den Tisch«, sagte Anton und versuchte dabei möglichst gleichgültig zu klingen. Sein Lehrmeister schien sich gar nicht für die Anwesenheit des Weibes zu interessieren und stand suchend an einer der Regalwände.

»Wie Ihr befehlt«, antwortete Vroni und streckte Anton trotzig die Zunge heraus. Dann trat sie näher an ihn heran und flüsterte in sein Ohr. »Komm heute zu unserem Treffpunkt.«

Am liebsten würde ich dich erwürgen. Anton sah sich besorgt zu Zeidler um, doch der schien nichts gehört zu haben. Wenn Vroni aber nicht bald verschwand, würde er sicher Verdacht schöpfen.

Als er sicher war, dass der Alte nicht zu ihnen schaute, nickte Anton und deutete zur Tür. Vroni war damit offensichtlich zufrieden und ging ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer. Anton atmete erleichtert auf, als sie die Tür nach einer gefühlten Ewigkeit endlich schloss.

»Die Kleine scheint ein Auge auf dich geworfen zu haben«, bemerkte Zeidler zu Antons Entsetzen.

»Wie kommt Ihr darauf?«

»Es mag sein, dass ich nicht mehr gut sehen kann, aber blind bin ich noch lange nicht.« Zeidler sah seinen Schüler vorwurfsvoll an. »Wenn du längere Zeit am Kaiserhof beschäftigt sein willst, solltest du dich nicht mit der Dienerschaft einlassen. Du wärst nicht der Erste, der seine Zukunft wegen eines Weibsbilds aufs Spiel setzt.«

Gerissener, alter Hund. Ich dachte, du seist tatsächlich kurz davor, blind zu werden. Ich werde noch besser aufpassen müssen.

»Es ist nicht meine Absicht, mich an ein Weib zu binden. Zumindest jetzt noch nicht, wo ich gerade erst mein Studium beendet habe.«

»Lass dir Zeit damit.«

»Wenn ich einmal heirate, will ich meinem Weib auch etwas bieten können.« Vroni bringe ich eher um, als dass ich sie zu meiner Frau mache.

»Die Versuchung, die ein schönes Weib auf einen jungen Mann ausüben kann, ist groß«, warnte Zeidler. »Hüte dich davor.«

»Warum habt Ihr nie geheiratet?«

»Meine Liebe gehört den Büchern. Sie lügen nicht und sind immer da, wenn man zu ihnen zurückkehrt. Ich habe ein langes und glückliches Leben hinter mir und es nie bedauert, es ohne ein Weib an meiner Seite verbracht zu haben.«

Deswegen bist du auch so ein alter Griesgram geworden. Anton war sich durchaus bewusst, dass es für ihn sehr gefährlich werden konnte, wenn er sich weiter mit Vroni einließ. Er hatte aber auch ihre Warnung nicht vergessen. Wenn er sich jetzt von ihr abwand, konnte ihm das Weib großen Schaden zufügen.

Seit seiner Rückkehr aus Pressburg hatte er sich bisher zwei Mal mit Vroni getroffen. Sie hatten einen Platz in einem Teil der Stallungen gefunden, der schon lange nicht mehr genutzt wurde. Dorthin verirrte sich sehr selten ein Mensch. Schon gar nicht in der Nacht. Anton musste zugeben, dass Vroni sich gut darauf verstand, ihm alle Wünsche zu erfüllen. Wenn nicht die Angst, erwischt zu werden, ein ständiger Begleiter bei ihrem Liebesspiel gewesen wäre, hätte er sicher mehr Gefallen daran gefunden.

Trotzdem – auch wenn er es nicht wahrhaben wollte – genoss er die gemeinsamen Stunden und konnte nicht genug davon bekommen, mit seinen Fingern die samtweiche Haut ihres Körpers zu streicheln. Er spürte, wie sich etwas bei ihm regte, wenn er an die üppigen, wohlgeformten Brüste dachte. Dennoch liebte er Vroni nicht und würde es auch niemals tun. Sie war zweifellos nicht die Frau, mit der gemeinsam er sein Leben verbringen wollte.

Nachdem Anton und sein Lehrmeister ihre Mahlzeit beendet hatten, widmeten sie sich wieder ihren Büchern. Die Menge an Schriften, die Zeidler seinem Schüler vorlegte, schien endlos zu sein, und er war sich sicher, niemals alles in der Bibliothek lesen zu können. Zeidler behauptete immer, dass er jede Schriftrolle kannte. So recht daran glauben konnte Anton aber nicht.

Endlich wurde es Abend, und Zeidler erlaubte seinem Schützling sich zurückzuziehen. Er selbst wollte noch in der Bibliothek bleiben. Anton vermutete, dass der Alte dort die ganze Nacht verbringen würde, wie es in den letzten Wochen immer häufiger vorkam.

Mittlerweile hatte Anton den alten Mann, der es ihm nicht immer leichtmachte und selten mit seiner Arbeit zufrieden war, fast ein bisschen ins Herz geschlossen. Er wünschte ihm auf keinen Fall etwas Schlechtes und hoffte, dass er noch ein paar Jahre lang sein Leben am Kaiserhof genießen konnte. Anton würde ihm, so gut er es vermochte, dabei helfen.

***

»Ich dachte schon, du würdest mich hier bis zum Morgen warten lassen«, sagte Vroni vorwurfsvoll, als Anton die alten Stallungen betrat.

»Wenn ich sage, dass ich da sein werde, komme ich auch. Du musst mir nicht jedes Mal Vorwürfe machen. Wir müssen vorsichtig sein. Das weißt du.«

»Wir treffen uns viel zu selten. Da ist es doch kein Wunder, dass ich ungeduldig bin.« Vroni schmiegte sich eng an Anton und er konnte ihre Brüste spüren. Alle Zweifel, ob es eine gute Idee war, sich mit ihr in den alten Stallungen zu treffen, waren vergessen. Hier würde sie schon niemand finden. Entkommen würde er dem Weib ohnehin nicht, so lange sie hier in Wien blieb. Dann konnte er es auch genießen, mit ihr zusammen zu sein.

Anton löste sich von Vroni und zog sie in den hinteren Teil der Stallungen. Dort breiteten sie eine alte Decke auf den Strohresten aus.

»Es ist kalt hier«, stellte Vroni naserümpfend fest. »Außerdem stinkt es.«

»Wir können gerne an einem anderen Abend wiederkommen.«

»Nein, du wirst mich einfach warmhalten müssen.« Vroni lächelte verführerisch und ließ ihr Kleid zu Boden sinken.

Anton ließ sich auch nicht lange bitten. Eilig entledigte er sich ebenfalls seiner Kleidung. Dabei hing sein Blick wie gebannt an den vollen Brüsten des Weibes und er spürte die Erregung zwischen seinen Beinen. Dann nahm er Vroni in den Arm und sie küssten sich innig. Sie ließen sich langsam zu Boden sinken und Anton merkte, dass Vroni mehr als bereit für ihn war.

Er bedeckte ihre Brüste mit Küssen und das Zittern ihres Körpers stachelte ihn weiter an. Den zufriedenen Seufzer, den Vroni ausstieß, als er in sie eindrang, hörte er kaum. In den nächsten Minuten war alles um die beiden herum vergessen. Sie versanken in ihrem Liebesspiel und gaben sich einander völlig hin.

»Wann wirst du mich endlich zu deinem Weib machen?«, fragte Vroni, als sie etwa eine halbe Stunde später völlig verschwitzt nebeneinanderlagen.

»Das fragst du mich immer, wenn wir uns sehen. Ich habe dir doch jetzt oft genug gesagt, dass ich zunächst an meine Anstellung am Kaiserhof denken muss. Warum kannst du das nicht verstehen?«

»Weil ich immer mit dir zusammen sein will. In einem eigenen Bett in unserem Haus und nicht in diesem verrotteten Stall.«

»Du wirst dich noch eine Weile gedulden müssen.«

»Und wenn ich das nicht will?«

Dann geh eben zurück nach Pressburg. Anton verzichtete auf eine Antwort. Er wusste, dass Vroni niemals Ruhe geben würde – egal, welche Argumente er auch vorbrachte. Fast täglich bereute er die eine unchristliche Nacht vor Ferdinands Krönung. Warum musste er ausgerechnet an ein Weibsbild geraten, das sich so an ihn klammerte? Pressburg war weit entfernt. Warum hatte sie nicht einfach dortbleiben können? Wie er Vroni jemals wieder loswerden sollte, wusste Anton nicht. Er musste aber eine Lösung finden. Und das bald.

»Dein Meister sieht krank aus«, sagte Vroni nach einer Weile. »Und er ist bereits sehr alt.«

»Was soll das jetzt bedeuten?«

»Falls er stirbt, wird dich der Kaiser zu seinem ersten Schreiber machen, und wir sind alle Sorgen los.«

Um Gottes Willen. »Bist du von Sinnen? An so etwas darfst du nicht einmal denken!«

»Ich habe aber recht, oder nicht?« In Vronis Stimme schwang ein bedeutungsschwerer Ton mit.

»Nein! Und ich will davon nie wieder etwas hören. Was du da andeutest, kommt für mich nicht in Frage. Und du wirst dich ebenfalls zurückhalten!« Anton, der schon lange davon überzeugt war, dass Vroni zumindest eine Teilschuld am Tod der beiden Küchenmägde in Pressburg trug, traute dem Weib durchaus einen Mord zu. Er selbst würde dabei allerdings nicht mitmachen. So schwierig Zeidler auch an manchen Tagen war, ihm durfte nichts geschehen!

»Du musst versprechen, dass du meinen Lehrmeister in Ruhe lässt!«

»Es war ja nur so ein Gedanke …«

»Nein, Vroni, du musst es mir versprechen. Auf diese Art will ich Zeidlers Stellung nicht übernehmen!«

»Ich verspreche es. Wenn du so an dem Alten hängst, lassen wir ihn in Ruhe. Ewig warten werde ich aber auch nicht. Es gibt auch noch andere Männer in Wien.«

Du könntest mir keinen größeren Gefallen erweisen, als dir einen davon zu suchen.

Der Dreißigjährige Krieg Band 1-3: Der Winterkönig / Der tolle Halberstädter / Der Hexenbrenner

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