Читать книгу Der Dreißigjährige Krieg Band 1-3: Der Winterkönig / Der tolle Halberstädter / Der Hexenbrenner - Jörg Olbrich - Страница 23
ОглавлениеHeidelberg, 17. September 1618
»Wir werden einen Krieg nicht mehr verhindern können«, sagte Christian von Anhalt, der persönlich zurück nach Heidelberg gereist war, um seinem Kurfürsten über die neuesten Entwicklungen zu berichten.
Die beiden Männer saßen allein in Friedrichs kleinem Besprechungsraum. Es waren weder Berater noch Schreiber dabei, sodass sich die beiden Männer ungestört unterhalten konnten. Nicht einmal die Bediensteten waren anwesend, damit nichts von den heiklen Gesprächen nach außen dringen konnte.
»Was macht Euch da so sicher?«
»Von Thurn und das Prager Direktorium haben angekündigt, König Ferdinand abzusetzen und einen eigenen Thronfolger zu wählen. Darauf kann es aus Wien nur eine Antwort geben: Von dort aus haben sich die Heere bereits Richtung Böhmen in Marsch gesetzt.«
»Also hatten unsere Vermittlungsversuche keinen Erfolg«, stellte Friedrich nüchtern fest.
»Mir wurde berichtet, dass die kaiserlichen Truppen auf ihrem Feldzug durch Böhmen große Verwüstungen angerichtet haben. Sie plündern das Land und rauben die Menschen aus. Das Direktorium hat einen Brief an den Kaiser verfasst, in dem es sich offiziell beschwert.«
»Was ist mit Graf von Solms? Hält er sich noch in Prag auf?«
»Er hat sich von Mansfeld angeschlossen und ist nun einer seiner Heerführer. Es wird nicht mehr lange dauern, bis es zur ersten Schlacht kommt. Es ist an der Zeit, dass wir die Protestantische Union dazu aufrufen, Partei für Böhmen zu ergreifen und Mittel zur Verfügung zu stellen!« Von Anhalt klang entschlossen.
»Wenn wir das tun, wird sich der Krieg nicht auf Böhmen begrenzen lassen.«
»Das wird er ohnehin nicht. Graf von Thurn ist so von seiner Stärke überzeugt, dass er sogar bereit ist, gegen Wien zu ziehen.«
»Davon müssen wir ihn abhalten!«, entfuhr es dem Kurfürsten erschrocken.
»Das wird nicht gelingen. Auch die Ungarn stehen kurz vor einem Aufstand. Wenn sie sich mit Böhmen und Mähren zusammenschließen, werden sie ein Heer aufstellen können, das Wien durchaus gefährlich werden kann.«
»Wenn das passiert, wird sich die katholische Liga einschalten«, sagte Friedrich nachdenklich. »Dann weitet sich der Krieg auf das gesamte Römische Reich aus.«
»So ist es. Auch die Kurpfalz wird betroffen sein.«
»Das ist zu befürchten. Wenn wir die Union aber bereits jetzt in den Kampf einbeziehen, wird das Ergebnis ebenso sein.«
»Da habt Ihr Recht, mein Fürst. Dennoch sind wir dann von Anfang an in einer besseren Position.«
»Ich hatte meine große Hoffnung auf Kaiser Matthias gesetzt«, sagte Friedrich nach einem kurzen Moment des Schweigens. »Offenbar hat er aber nicht mehr die Kraft, sich gegen den Willen von Ferdinand durchzusetzen.«
»Der Kaiser ist krank und wird das Ende dieses Konfliktes wohl nicht mehr erleben. Seitdem sich Ferdinand Kardinal Klesl vom Hals geschafft hat, ist er der wahre Regent des Heiligen Römischen Reiches. Spätestens, wenn er offiziell Kaiser ist, wird er mit aller Entschlossenheit gegen die böhmischen Stände vorgehen!«
»Und gegen alle anderen, die sich auf deren Seite geschlagen haben …«
»Dennoch rate ich dringend, für die böhmische Sache Partei zu ergreifen. Wenn es Ferdinand doch noch gelingt, den Aufstand zu beenden, wird er nicht damit aufhören, gegen alle Protestanten im Reich vorzugehen. Der Kaiserbrief ist dann nichts mehr wert – nicht in Böhmen und auch nicht im restlichen Reich.«
»Das muss nicht passieren. Auch Ferdinand wird seine Regentschaft nicht mit einem Krieg gegen die Menschen seines Reiches beginnen wollen.« So misslich die Lage auch zu sein schien, noch wollte Friedrich die Hoffnung nicht aufgeben.
»Ich fürchte, dass er nur darauf wartet, dass es endlich soweit ist.
Friedrich sah nicht so schwarz in die Zukunft wie sein Statthalter Christian von Anhalt. Dennoch musste er zugeben, dass der Mann mit Vielem recht hatte. Es war in der Tat nicht leicht, die richtige Entscheidung zu treffen. Friedrich dachte vor allem an die Kurpfalz und natürlich an seine eigene Familie, deren Sicherheit er nicht riskieren wollte.
In diesem Moment stürzte eine der Mägde in den Raum.
»Wie kannst du es wagen, uns in unserem Gespräch zu stören«, brauste Friedrich auf.
»Es geht um Elisabeth«, brachte die Magd atemlos hervor.
»Was ist passiert?«
»Das Kind«, sagte die junge Frau aufgeregt. »Es wird jeden Moment soweit sein.«
***
Friedrich stürmte aus dem Raum und rannte die Treppe hinauf zu Elisabeths Gemächern. Christian von Anhalt zögerte einen Moment, folgte seinem Fürsten dann aber. Aus dem Raum, in dem die Fürstin gerade ihr Kind zur Welt brachte, waren die Schreie der werdenden Mutter zu hören. Friedrich wollte das Zimmer betreten, wurde aber von einer der drei Hebammen zurückgehalten.
»Ihr könnt jetzt nicht zu Eurer Frau!«
»Wie geht es ihr? Was ist mit dem Kind?«
»Beruhigt Euch. Die Fürstin hat bereits zwei gesunde Jungen zur Welt gebracht. Sie wird auch diese Niederkunft überstehen.«
»Wann kann ich zu ihr?«
»Sobald sie entbunden hat. Das kann nicht mehr lange dauern. Und jetzt wartet ab und lasst uns unsere Arbeit machen.« Die Hebamme verschwand wieder in dem Zimmer und ließ einen hilflosen Kurfürsten zurück. Friedrich hasste es, wenn er warten musste. Er war es gewohnt, zu handeln und Entscheidungen zu treffen. Jetzt stand er wie ein Knabe vor der Tür und wusste nicht, was er tun sollte. Auch wenn es bereits das dritte Mal war, dass ihm Elisabeth ein Kind schenkte, an die Anspannung direkt vor der Niederkunft würde er sich wohl nie gewöhnen.
Wieder hörten die Männer auf dem Flur Elisabeths Schreie. Friedrich wollte die Tür öffnen, wurde aber von Christian von Anhalt zurückgehalten.
»Ihr habt doch gehört, was die Amme gesagt hat. Ihr könnt jetzt nichts tun, mein Fürst.«
»Es ist zum aus der Haut fahren! Die Warterei macht mich wahnsinnig!« Aufgeregt lief der Kurfürst im Flur auf und ab. Jedes Mal, wenn er einen der Schreie hörte, lief ihm ein eisiger Schauer über den Rücken. Er gäbe alles darum, seiner Frau jetzt helfen zu können, wusste aber selbst genau, dass er das nicht konnte.
Endlich hörten die beiden Männer den Schrei eines Säuglings.
»Es ist soweit«, sagte Friedrich voller Freude und ging auf die Zimmertür zu, die in diesem Moment geöffnet wurde.
»Ich darf Euch gratulieren«, sagte die Hebamme. »Ihr habt eine Tochter bekommen. Mutter und Kind sind wohlauf. Ihr dürft jetzt zu ihnen.«
Friedrich nickte der Amme dankbar zu und ging auf das Bett zu, in dem Elisabeth sich ausruhte. Sie strahlte über das ganze Gesicht und hielt ihr Kind vor der Brust fest.
»Dieses Mal ist es ein Mädchen«, begrüßte sie ihn gleichermaßen freudig als auch erschöpft.
»Sie ist wunderschön!« Friedrich neigte sich zu seiner Frau herunter und küsste sie zärtlich auf die Stirn, dann streichelte er sanft über die schwarzen Haare des kleinen Mädchens. »Genau wie ihre Mutter.«
»Willst du unseren Söhnen nicht sagen, dass sie eine Schwester bekommen haben?«
»Das mache ich später. Ich möchte noch einen Moment bei euch bleiben. Dann kannst du dich ausruhen.«
Friedrich drehte sich kurz zu Christian von Anhalt um, der lächelnd in der offenen Zimmertür stand. »Sagt der Dienerschaft, dass sie reichlich Wein aus dem großen Fass abfüllen sollen. Wir haben etwas zu feiern!«
»Ich gratuliere Euch. Bleibt noch bei Eurer Gemahlin und Eurer Tochter. Ich werde mich um alles kümmern«, antwortete der Statthalter noch immer lächelnd.
Friedrich sah zwischen Elisabeth und der Kleinen hin und her. »Hast du dir schon einen Namen überlegt?«
»Nein, das wollte ich dir überlassen.«
»Dann soll sie Elisabeth heißen.« Wieder küsste Friedrich seine Frau auf die Stirn. »Ruh dich jetzt aus. Ich gehe zu Heinrich Friedrich und Karl Ludwig.«