Читать книгу Der Dreißigjährige Krieg Band 1-3: Der Winterkönig / Der tolle Halberstädter / Der Hexenbrenner - Jörg Olbrich - Страница 34
ОглавлениеHeidelberg, 02. Juni 1619
»Es gibt drei logische Anwärter auf die Krone von Böhmen«, sagte Christian von Anhalt und sah Friedrich entschlossen an. »Herzog Karl Emanuel von Savoyen scheidet allerdings alleine dadurch aus, dass er katholisch ist. Die protestantischen Stände würden seine Wahl nicht zulassen. Kurfürst Johann Georg von Sachsen hat bereits mehrfach bekundet, dass er die Wahl nicht annehmen würde. Also bleibt nur noch Ihr.«
»Und wenn ich mich ebenfalls nicht zur Wahl stelle?«, gab der Kurfürst der Kurpfalz zurück. »Wer wird dann König von Böhmen?«
»Ich habe Kunde aus Prag, dass man Euch zum Führer des böhmischen Reichs machen will«, antwortete von Anhalt. »Ihr werdet zu einem der mächtigsten Männer Europas.«
»Zunächst einmal hätte ich einen Krieg zu bestreiten, wenn ich mich gegen den immer noch amtlichen König Ferdinand stelle, der zudem vermutlich bald der neue Kaiser des Heiligen Römischen Reiches ist.«
»Wir müssen die Kurpfalz aus diesem Krieg heraushalten!«, sagte einer der Berater.
»Das wird jetzt nicht mehr möglich sein«, gab von Anhalt energisch zurück. »Glaubt Ihr, Ferdinand weiß nicht, wer das Direktorium in Prag unterstützt? Denkt daran, wer den Vorsitz in der evangelischen Union hat.«
Friedrich hörte seinem Statthalter und seinen Beratern schweigend zu. Sie waren zusammengekommen, um über die Nachricht aus Prag zu sprechen, dass man Ferdinand nun endgültig als böhmischen König absetzen wolle.
»Graf von Thurn zieht gegen Wien«, sprach Christian von Anhalt weiter. »Dort wird er den Habsburgern zeigen, dass ihre Regentschaft in Europa bald ein Ende hat.«
»Glaubt ihr das wirklich?«, fragte der eine Berater und schüttelte den Kopf. »Von Thurn wird Wien niemals einnehmen können. Und selbst wenn ihm das gelänge, würden die Habsburger mit aller Macht zurückschlagen. Die Böhmen verlören einen Großteil ihrer Streitmacht. Womit wollen sie dann noch verhindern, dass sich die Kaiserlichen die Befehlsgewalt über Prag zurückholen?«
»Wir brauchen mehr Verbündete«, sagte von Anhalt. »Die Niederlande stehen auf unserer Seite. Jetzt müssen wir England und Frankreich für die evangelische Sache gewinnen! Vielleicht sogar Schweden. Mit dem ungarischen Reich sind wir so gut wie verbündet.«
»Ich glaube nicht, dass das reichen wird«, gab der zweite Berater zu bedenken.
»Was würdet Ihr unserem Kurfürst raten?«, fragte Christian von Anhalt ärgerlich. »Soll er hier in seiner Residenz sitzen und warten, bis wieder Frieden herrscht? Was glaubt Ihr wohl, wird passieren, wenn sich Erzherzog Ferdinand die Macht über Böhmen zurückholt? Die protestantischen Stände werden noch weniger Rechte haben als vor ihrem Aufstand.«
Friedrich hatte aufmerksam zugehört. Insgeheim stimmte er dem Statthalter zu. Die Kurpfalz konnte sich nicht mehr aus dem Konflikt heraushalten. Auf der anderen Seite verstand er aber auch die Bedenken seiner Berater.
»Wenn Ihr nach Böhmen geht, herrscht Ihr über ein Volk, welches Ihr nicht kennt!«, sagte ein Berater mit eindringlicher Stimme direkt an den Kurfürsten gewandt. »Ihr sprecht die Sprache nicht und Ihr teilt noch nicht einmal ihren Glauben. Auch wenn sich der Kalvinismus und die protestantischen Grundsätze ähneln. Es gibt Unterschiede. Hinzu kommt, dass nach wie vor ein Großteil der Menschen in Böhmen katholisch ist. Wollt Ihr sie alle bekehren?«
»Das ist gar nicht nötig«, herrschte von Anhalt den Berater an. »Es reicht, wenn unser Kurfürst das Volk regiert! Der Feind sitzt in Wien. Wenn wir uns jetzt nicht entschieden gegen Ferdinand wehren, wird der seine Macht weiter ausbauen!«
»Ich habe genug gehört«, meldete sich Friedrich zu Wort. »Ihr habt wohlüberlegte Argumente vorgetragen. Beide Meinungen ergeben Sinn und müssen bedacht werden. Dies werde ich nun tun und Euch meine Entscheidung, ob ich mich zur Wahl stelle oder nicht, morgen früh mitteilen.«
***
»Du hättest keine Königstochter heiraten sollen, wenn dir der Mut fehlt, selbst König zu werden«, sagte Elisabeth am Abend, nachdem Friedrich ihr von dem Gespräch mit von Anhalt und seinen Beratern erzählt hatte. »Lieber esse ich Sauerkraut an einer Königstafel, als mich am Luxus eines Kurfürstenhofs gütlich zu tun.«
»Habe ich nicht alles getan, um dir hier in Heidelberg eine schöne Heimat zu schaffen, in der du dich wohlfühlen kannst? Was fehlt dir hier? Sag mir deine Wünsche und ich werde alles daransetzen, sie dir zu erfüllen!«
»Darum geht es nicht«, sagte Elisabeth sanft. »Du bist zu Höherem geboren. Es ist Zeit, deinen Platz in der Geschichte einzunehmen. Als König von Böhmen hättest du die Macht, sehr viel Gutes für das Volk zu erreichen.«
»Dieser Schritt würde viele Gefahren mit sich bringen. Auch für dich und die Kinder.«
»Uns wird nichts geschehen. Du sagst selbst, dass der Krieg auch in die Kurpfalz kommen könnte, wenn wir uns nicht auf die böhmische Seite stellen. Dann sind wir auch in Heidelberg in Gefahr. In Prag haben wir ein Heer zu unserem Schutz. Wir werden dort sicher sein.«
»Christian rät mir ebenfalls, die Krone im Falle der Wahl anzunehmen.«
»Warum zweifelst du dann?«
»Weil wir alles verlieren könnten. Im Falle eines Krieges stünde nicht nur Böhmen auf dem Spiel. Auch in der Kurpfalz wären wir nicht mehr sicher!«
»Dennoch müssen wir das Wagnis eingehen.« Elisabeth küsste ihren Mann und zog ihn zu sich. »Zeig mir, wie sehr du mich liebst«, hauchte sie ihm ins Ohr.
Friedrich half seinem Weib aus ihrem Nachtgewand und streichelte ihren nackten Körper. Als seine Hand auf ihrem Bauch lag, hielt er inne und sah sein Weib mit leuchtenden Augen an. »Wie lange weißt du es schon?«
»Was meinst du?«
»Dass wir ein weiteres Kind bekommen.«
»Schon seit ein paar Tagen.«
»Und dennoch willst du nach Prag?« Friedrich sah seine Gemahlin besorgt an. Er war überglücklich darüber, dass er wieder Vater werden würde und wollte nicht zulassen, dass sich Elisabeth in Gefahr begab.
»Was hat das eine mit dem anderen zu tun?«
»Es ist eine lange und beschwerliche Reise. In deinem Zustand wird es sehr anstrengend für dich werden, den ganzen Tag in der Kutsche zu sitzen.«
»Das werde ich überstehen, mein König. Das Wichtigste ist, dass wir zusammen sind.«
»Du bist dir also sicher, dass wir gemeinsam nach Böhmen gehen sollen?«
»Das bin ich, Geliebter. Und jetzt hör auf zu reden.«
Friedrich küsste seine Gattin voller Liebe. In den nächsten Stunden dachten sie weder an Böhmen oder die Kurpfalz, noch an die mögliche Krone.