Читать книгу Der Dreißigjährige Krieg Band 1-3: Der Winterkönig / Der tolle Halberstädter / Der Hexenbrenner - Jörg Olbrich - Страница 27
ОглавлениеPilsen, 17. November 1618
»Die Mansfelder werden die Stadt überrennen«, sagte Peter Haag, der sich genau wie Hermann den Truppen unter der Führung des spanischen Hauptmannes angeschlossen hatte. Die beiden standen an der inneren Stadtmauer und schauten auf die Truppen der protestantischen Stände, die sich zu Tausenden vor Pilsen versammelten.
»Die Ringe werden uns schützen«, entgegnete Hermann und verstärkte den Griff um die Hellebarde, mit der er sich gegen die Angreifer verteidigen wollte, sobald er die Munition für seine beiden Musketen aufgebraucht hatte. Dank des Erbes von seinem Vater war er in der Lage gewesen, sich besser zu bewaffnen als die meisten anderen. Peter hatte lediglich einen Degen und würde Hermann die Muskete nachladen, der eindeutig der bessere Schütze von beiden war.
»Glaubst du wirklich, wir sind hier lange sicher?«, fragte er fast weinerlich. Von der Selbstsicherheit, die er sonst zur Schau trug, war nichts mehr übrig geblieben. »Schau dir die Geschütze an. Damit werden die Kerle die Mauern in Stücke schießen.«
Hermann musste seinem Kamerad recht geben. Die Übermacht der Angreifer schien tatsächlich gewaltig. Sie hatten zwei Geschütze in Stellung gebracht, die auf die äußere Befestigungsmauer zielten. Leider waren sie so weit entfernt, dass sie die Männer, die sie bedienten, mit den Kugeln ihrer Musketen nicht erreichen konnten. Wenn es den Angreifern gelang, ein Loch in den Wall zu schießen, war der Weg in die Vorstädte frei, die zwischen den beiden Ringen lagen. Dennoch glaubte Hermann nicht, dass die Feinde in den inneren Bereich von Pilsen vorstoßen konnten. Er vertraute darauf, dass er und seine Kameraden es schafften, die Angreifer zurückzuschlagen.
»Die Stadt hätte den Akkord bezahlen sollen.«
»Meinst du das wirklich?«, fragte Hermann und schaute Peter verwundert an. »Die Protestanten verlangen sechzigtausend rheinische Taler. Was wäre den Bürgern in Pilsen dann noch geblieben?«
»Ihr Leben.«
»Noch ist niemand gestorben.«
»Es wird ein Blutbad geben, wenn sich der Stadtrat weiterhin weigert, zu zahlen«, erklärte Peter und zog seine Schafsmütze tiefer in die Stirn. Es war kalt geworden und auf der Mauer hatten die Soldaten wenig Schutz vor dem Wind. Auch Hermann fror, verzichtete aber auf eine Kopfbedeckung, damit die ihn später nicht behinderte.
Ein Kamerad der beiden hatte Peter und Hermann von der Forderung der protestantischen Stände berichtet. Weil er als Wache im Rathaus eingeteilt gewesen war, als ein Bote den Räten das Schreiben überbrachte, war er einer der Ersten gewesen, die davon erfahren hatten.
»Du musst auf unsere Stärke vertrauen!«, sagte Hermann entschieden. »Wir werden die Rebellen zurückschlagen. Gott ist auf unserer Seite.«
In diesem Moment krachten die Kanonen los. Der Krach, den die Geschütze dabei erzeugten, war ohrenbetäubend. Peter rief Hermann etwas zu, doch der konnte seinen Kameraden nicht verstehen. Wieder entluden sich die Kanonen. Die Kugeln schlugen gegen den Befestigungsring. Hermann spürte, wie die Mauer unter seinen Füßen bebte und sah entsetzt, wie mehrere Steine aus ihr herausbrachen.
»Schießt sie ab!«, schrie Hermann und richtete seine Muskete auf die heranstürmenden Angreifer.
»Es sind zu viele«, antwortete Peter, der sich beeilte, die Waffe nachzuladen. »Wir sollten machen, dass wir hier wegkommen!«
»Nein. Wir werden uns den Rebellen entgegenstellen. Noch sind sie nicht in der Stadt!« Hermann richtete seine zweite Waffe auf die Horde und drückte ab. Auch die anderen Soldaten auf dem Verteidigungsring schossen nun mit den Musketen auf die Angreifer.
»Sind die von Sinnen?«, schrie Peter und deutete auf eine Gruppe kaiserlicher Soldaten, welche die Häuser in den Vorstädten in Brand setzten.
»Sie halten die Rebellen auf«, antwortete Hermann, der den Plan des Hauptmannes durchschaute. Die ersten Angreifer schafften es durch die Bresche in der Mauer zu gelangen, mussten aber vor den Flammen zurückweichen.
»Wir schlagen sie zurück«, spornte Hermann seinen Kameraden grimmig an. Die kaiserlichen Soldaten hatten sich auf dem Ring verteilt und schossen eine Salve nach der anderen auf die Angreifer ab. Immer mehr Mansfelder lagen tot oder verletzt auf dem Boden. Selbst aus der Entfernung konnte Hermann die Blutlachen am Boden erkennen. Wind und Kälte waren vergessen. Jetzt zählte es nur noch, so viele Gegner wie möglich auszuschalten.
Den Mansfeldern gelang es nicht, die brennenden Häuser zwischen den beiden Stadtringen zu überwinden. Der Ansturm ebbte ab. Die Angreifer zogen sich so weit zurück, dass sie außer Schussweite waren. Die Schreie der Sterbenden und Flüchtenden übertönten das Prasseln des Feuers.
In sicherer Entfernung bildeten die Mansfelder nun einen Belagerungsring, der so dicht war, dass ein Versuch ihn zu durchbrechen aussichtslos erschien. Den Pilsenern war es für den Moment gelungen, ihre Stadt zu verteidigen. Sie kamen aber auch nicht mehr aus ihr heraus. Die Kaiserlichen mussten nun hoffen, dass Graf von Buquoy Hilfe aus Budweis schickte und diese Pilsen erreichte, bevor die Protestanten die Stadt einnehmen konnten.
***
»Verschließt die Lücke!«, brüllte der Hauptmann seinen Männern zu, die sich zwischen den beiden Ringen und den noch immer brennenden Häusern verschanzt hatten, um dort einen weiteren Angriff abzuwehren. Mittlerweile war es Nacht. Die Flammen gaben genug Licht ab, damit die Ausbesserungsarbeiten an der Stadtmauer verrichtet werden konnten. Im hellen Schein gaben die Männer allerdings auch ein gutes Ziel für die Rebellen ab, die kontinuierlich vereinzelte Schüsse auf Pilsen abgaben. Für die Wärme, die von den brennenden Häusern ausging, war der Schmied allerdings dankbar. Den ganzen Tag über hatte er trotz seiner dicken Kleidung frierend auf der Mauer gesessen. Vor allem die Hände schmerzten noch immer von der Kälte des Tages.
Hermann war so müde, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Der erste Angriff der Protestanten hatte mehrere Stunden gedauert. Immer wieder hatte er mit seinen Musketen auf die Feinde geschossen und jeden Treffer mit einem Jubelschrei begleitet. Jetzt, als er das grausame Bild der Verwüstung sah, war seine Begeisterung wie weggeblasen. Überall lagen Tote und es stank nach verbranntem Fleisch und dem verkohlten Holz der abgebrannten Häuser. So hatte sich der junge Schmied seinen Dienst im Heer nicht vorgestellt.
Nachdem die Soldaten durch die feindlichen Geschütze und Musketen ebenfalls einen Teil ihrer Kameraden verloren hatten, machte sich nun die Angst unter ihnen breit. Auf dem Verteidigungsring waren sie dem ständigen Beschuss der Protestanten ausgesetzt. Nicht allen war es gelungen, sich beim Einschlag einer Kanonenkugel rechtzeitig in Sicherheit zu bringen.
Jeder der Männer wusste, dass von Mansfeld spätestens am nächsten Tag einen nächsten Angriff beginnen würde. Keiner konnte wissen, ob es ihnen ein weiteres Mal gelang, ihre Stadt vor den Eindringlingen zu schützen.
In dieser Nacht schien ganz Pilsen auf den Beinen zu sein. Alle Bürger halfen bei den Arbeiten mit. Sie klemmten eiserne Haken in die Löcher der Mauer und füllten die Zwischenräume mit Mist, dessen Gestank sich unter den Brandgeruch mischte. Hermann kämpfte gegen den Brechreiz an und Tränen brannten ihm in den Augen.
Als sich die Pilsener endlich in den inneren Stadtring zurückziehen konnten, wurde Hermann gemeinsam mit Peter eingeteilt, auf der Mauer Wache zu halten. An Schlaf war somit nicht zu denken, obwohl beide bereits den ganzen Tag auf den Beinen gewesen waren. Die Glücklichen, die in die Unterkünfte geschickt wurden, um sich ein paar Stunden auszuruhen, warfen den Männern auf der Mauer mitleidige Blicke zu. Auch sie würden aber in wenigen Stunden wieder ihren Mann stehen müssen.
Der zweite Angriff kam in den frühen Morgenstunden. Lange saßen Hermann und Peter noch nicht auf ihrem Posten. Einer ihrer Kameraden schlug Alarm und es kam augenblicklich Bewegung in die Stadt. Während die Soldaten sich beeilten, an der Mauer Stellung zu beziehen, flohen die Bürger von Pilsen in die Kirche.
Die Rebellen rannten in breiter Front auf die Stadtmauer zu. Ein Teil der Angreifer watete dabei durch ein seichtes Gewässer und versuchte so, die Verteidiger auseinanderzuziehen, die sich nun an mehreren Stellen gegen die Mansfelder wehren mussten. Sobald die Angreifer in Schussweite waren, krachten die Musketen der Verteidiger los. Auch Hermann und Peter nahmen die Protestanten wieder unter Beschuss. Viele von ihnen wurden getroffen, bevor sie die Stadtmauer erreichten. Dort wartete eine bittere Enttäuschung auf die Angreifer. Sie strömten zu der Stelle, an der die Pilsener in der Nacht ihre Mauer ausgebessert hatten. Ein Durchkommen gab es nicht. So blieb ihnen nichts Anderes übrig, als sich auf ein Neues in Sicherheit zu bringen.
Zeit zum Verschnaufen bekamen Hermann und seine Kameraden dennoch nicht. Von Mansfeld ließ die Kanonen vorrücken und nahm die Stadt erneut unter Beschuss. Gleichzeitig versuchten die Soldaten nun mit Leitern, die Mauer zu überwinden. Wieder fielen viele Angreifer unter dem Beschuss der Kaiserlichen. Schreie des Schmerzes und der Wut hallten über das Schlachtfeld.
Auch das Heer der Verteidiger musste jetzt schwere Verluste hinnehmen, weil die Geschütze immer größere Löcher in den äußeren Stadtring schossen. Die Rebellen nutzten diese Öffnungen und drangen in die Vorstädte ein, wo sie alles niedermetzelten und die sie schließlich überrannten.
Hermann und Peter hielten auf dem inneren Ring aus und wehrten sich mit Degen und Hellebarde verzweifelt gegen die Angreifer.
Die Munition für Hermanns Musketen war verbraucht, sodass sie ihre Gegner näher an sich herankommen lassen mussten, als es ihnen lieb war. Ihr einziger Vorteil bestand darin, dass sie von oben auf die Mansfelder einstechen konnten. Den ganzen Tag über versuchten die Angreifer vergeblich, sich dem inneren Ring zu nähern, mussten aber schließlich aufgeben und sich in ihr Lager zurückziehen. Der Beschuss durch die Kanonen ging jedoch weiter. Die Kugeln richteten eine Schneise der Zerstörung an, die sich bis zum inneren Ring erstreckte. Dieses Mal bekamen die Verteidiger der Stadt keine Gelegenheit, die Schäden wenigstens notdürftig auszubessern.
***
»Ich habe dir doch gesagt, dass die Stadt nicht so leicht einzunehmen ist«, sagte Hermann siegessicher am fünften Tag der Belagerung. Einen zweiten Sturm der protestantischen Kräfte auf die innere Mauer hatte es nicht gegeben. Es war ruhig. Über der Stadt lag eine gespenstische Stille. Die Bürger hatten Angst und es wären sicherlich viele von ihnen geflohen, wenn es einen Weg aus Pilsen heraus gegeben hätte.
»Die Rebellen werden nicht aufgeben«, erwiderte Peter. »Ich habe so ein Gefühl, dass es heute zu den entscheidenden Kämpfen kommen wird, und ich glaube nicht, dass wir die Sieger sein werden.« Aus Peters Stimme klang nicht einmal mehr Angst. Er wirkte vollkommen resigniert und schien die Hoffnung, heil aus dieser Belagerung herauszukommen, aufgegeben zu haben.
»Vielleicht kommt doch noch Hilfe aus Budweis.«
»Wenn Graf von Buquoy vorhätte, Männer nach Pilsen zu schicken, wären die längst hier.«
Hermann verzichtete auf eine Antwort. Bisher hatte er Recht behalten, und Peters Sorgen waren unbegründet geblieben.
»Ich habe das Gefühl, es wird jeden Tag kälter«, sagte Peter nach einer Weile. Offensichtlich wollte der Soldat, der vor wenigen Wochen noch ein einfacher Bauer gewesen war, das Gespräch mit seinem Kameraden in Gang halten. Die beiden kannten sich seit ihrer Kindheit, hatten aber nie viel miteinander zu tun gehabt.
»Das tut es«, stimmte Hermann zu. Er freute sich ebenfalls auf ihr Dienstende und darauf, eine warme Suppe zu bekommen. Längst hatten die beiden Männer das Gefühl, ihre Glieder seien eingefroren.
Plötzlich hörte Hermann Schreie neben sich und sah herüber zum Lager der Rebellen. Die rückten in diesem Moment mit ihren Geschützen auf die Stadt vor. Der Schmied hatte das Gefühl, als würde ihm das Herz in den Magen rutschen. Der Zeitpunkt war gekommen, an dem die Pilsener ihre Stadt erneut verteidigen mussten!
Diesmal wurden die Geschosse näher an die Stadt herangebracht. Die Kaiserlichen feuerten nun aus allen Rohren auf die Angreifer und brachten ihnen hohe Verluste bei. Dennoch kamen die Protestanten unaufhaltsam näher. Immer wenn die Verteidiger eine Lücke in deren Formation schossen, wurde diese sofort wieder durch nachrückende Soldaten geschlossen. Dann donnerten die Kanonen los und rissen Löcher in den inneren Stadtring.
Hermann sah, wie seine Kameraden neben ihm aus lauter Verzweiflung von der Mauer sprangen und dabei keine Rücksicht darauf nahmen, dass sie sich bei der Landung ihre Knochen brechen könnten. Einige waren dabei zu langsam und wurden noch in der Luft von den Kanonenkugeln selbst oder Trümmerteilen getroffen. Ein Körper landete direkt vor Hermanns Füßen auf der Mauer. Er blickte in das völlig zerfetzte Gesicht seines Kameraden, spürte den Würgreiz und übergab sich, bis nichts mehr in seinem Magen übrig war.
»Wir müssen hier weg!«, schrie ihm Peter panisch zu und riss ihn so aus seiner Schreckstarre. Beide sprangen von der Mauer, um hinter dem Stadtring Schutz zu suchen. Hermann kam mit den Füßen auf und ging in die Knie. Der harte Schlag trieb ihm stechende Schmerzen durch die Beine, die er in seiner Panik aber nicht richtig wahrnahm. Sekunden später schlug eine Kanonenkugel genau an der Stelle ein, wo die beiden gerade noch gestanden hatten.
»Das war knapp«, sagte Hermann und sah Peter dankbar an.
»Wir brauchen Deckung!«
Die beiden rannten in Richtung Stadtzentrum und verschanzten sich dann in einem der Häuser. Von dort aus sahen sie, wie die Rebellen versuchten, mit Leitern über die Stadtmauern zu gelangen. Die Ersten, die es schafften, wurden von den Verteidigern, die weiterhin auf der Mauer standhielten, mit Piken aufgespießt. Schließlich wurden es aber zu viele. Die Kaiserlichen mussten sich zurückziehen und die Angreifer strömten in die Stadt wie ein unbändiger Fluss.
Bei ihrem Rückzug zum Markplatz entzündeten die Pilsener die eigenen Häuser in der Hoffnung, die Eindringlinge so aufzuhalten. Die Kaiserlichen beschossen die Rebellen vom Marktplatz aus mit ihren Geschützen und stoppten deren Vorwärtsdrang. Die Straßen der Stadt waren mit Leichen übersäht und übergossen mit Blut.
Hört das denn nie auf?, dachte Hermann und rannte gemeinsam mit Peter zu seinen eigenen Leuten. Er schalt sich selbst einen Narren, weil er unbedingt in das Heer hatte eintreten wollen. Es wäre besser gewesen, wenn er mit dem Geld seines Vaters Pilsen direkt nach dem Tod seiner Mutter verlassen hätte und nie wieder zurückgekehrt wäre.
Aus sicherer Deckung schaute Hermann in Richtung Mauer. Kaum ein Stein stand noch auf dem anderen. Die Häuser am Stadtrand brannten allesamt lichterloh. Angreifer entdeckte er nicht. Sie hielten sich aus dem Schussfeld der Geschütze fern.
Eine Bewegung neben sich zog Hermanns Aufmerksamkeit auf sich. Er traute seinen Augen kaum, als er sah, wie eine Gruppe von Mansfeldern mit Äxten, Beilen und Steinpiken bewaffnet unter einem der brennenden Häuser zum Vorschein kam. Kaum dass sie ihren Tunnel, den sie unter dem Gebäude hindurch gegraben haben mussten, verlassen hatten, stürmten die Männer zum Markplatz und überwältigten die Verteidiger an den Geschützen. Damit war der Weg für das protestantische Heer frei: Mit lautem Geschrei stürmten sie durch die Straßen von Pilsen und stürzten sich auf ihre Feinde.
Den Kaiserlichen gelang es nicht länger, gegen die Übermacht der Angreifer zu bestehen. Hermann hatte sich mit Peter und zwei weiteren Kameraden in einem Haus verschanzt. Schnell mussten sie einsehen, dass es einfach zu viele Feinde waren, die sich nun auf dem Marktplatz versammelten. Pilsen war gefallen. Dies mussten nun auch die Stadträte und die spanischen Hauptmänner anerkennen. Sie kapitulierten vor Graf von Mansfeld.
Hermann und die anderen Söldner der kaiserlichen Truppen wurden vor die Wahl gestellt, Pilsen zu verlassen, oder sich auf die Seite der Mansfelder zu stellen.
»Wenn wir für die Protestanten kämpfen, können wir in der Stadt bleiben«, versuchte Peter Hermann zu überzeugen. Die beiden saßen auf dem Marktplatz und aßen eine warme Suppe mit einem trockenen Stück Brot. Nach der Kapitulation hatten Angreifer und Verteidiger, die gezwungen worden waren, ihre Waffen abzugeben, zusammengearbeitet und gemeinsam mit den Bürgern der Stadt die Brände gelöscht.
»Pilsen wird unter der Besatzung zu leiden haben.«
»Das hatten sie unter den Kaiserlichen auch. Die Soldaten müssen versorgt werden, egal, aus welchem Heer sie kommen.«
Hermann musste zugeben, dass der Bauer damit recht hatte. Die Pilsener würden alles verlieren. Mehr als die Hälfte der Stadt war bereits jetzt zerstört. Wenn er jetzt nicht fortginge, würde er es niemals tun.
»Nein, Peter. Ich gehe mit den Kaiserlichen nach Budweis. Sie werden sich dort dem Heer unter Graf von Buquoy anschließen. Komm mit mir. Ich möchte nicht irgendwann gegen dich kämpfen müssen!«
»Ich werde hierbleiben, Hermann. Pilsen ist meine Heimat. Ich möchte sie nicht verlassen!«
»Irgendwann wirst du das müssen. Auch das Heer von Graf von Mansfeld wird nicht ewig in der Stadt bleiben.«
»Dennoch gehe ich nicht mit nach Budweis.«
Hermann sah ein, dass er Peter nicht überzeugen konnte. In den schwierigen Zeiten musste jeder auf seine Weise versuchen, sein Glück zu finden oder zumindest sein Unglück zu vermeiden. Er verabschiedete sich von dem Bauern und schloss sich den Söldnern an, die sich auf den Weg nach Budweis machten. Hermann drehte sich nicht einmal um, als er die Stadt endlich hinter sich gelassen hatte. Unter seinem Wams spürte er den Druck des Beutels, den er von seinem Vater geerbt hatte. Die Hälfte des Geldes hatte er für die Waffen ausgegeben, die sich nun nicht mehr in seinem Besitz befanden. Der Rest würde ihm jedoch noch eine ganze Weile reichen. Das Haus und die Schmiede hatte er nicht verkaufen können. Jetzt war beides zerstört. Sollten die Pilsener neue Gebäude auf dem Gelände errichten. Hermann interessierte das nicht mehr.