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Frankfurt, 09. September 1619

Anton hatte das Gefühl, als hätte er die ganze Nacht kein Auge zugetan. Zu groß waren die Aufregung und die Vorfreude auf die am heutigen Tag anstehende Krönungszeremonie. Er kleidete sich an und verließ seine Kammer. Als er ins Freie trat, war es noch immer dunkel. Es konnte aber sicher nicht mehr lange dauern, bis am Himmel die ersten Sonnenstrahlen zu sehen waren.

Noch war es ruhig in der Stadt. Dies würde sich aber ebenfalls bald ändern. Anton ging in Richtung Küche, wo sicher bereits mit den Vorbereitungen für das köstliche Bankett zu Ehren des Kaisers begonnen worden war. Trotz seiner Aufregung verspürte er Hunger und wollte sehen, ob man dort nicht ein Stück Brot für ihn übrig hatte.

Nachdem er sich gestärkt hatte, zog es Anton wieder zurück ins Freie. Auch wenn es noch mehrere Stunden dauerte, bis die Krönungszeremonie begann, entschloss er sich, bereits jetzt zum Kaiserdom St. Bartholomäus zu gehen. Er wollte sich einen guten Platz sichern, damit er jede Einzelheit der feierlichen Messe mitbekam. Sicher würden einige andere ebenso denken. Daher war es ratsam, als einer der Ersten bei der Kirche zu sein.

Anton hielt sich an den Weg, auf dem die Stadträte und Adeligen später auch Ferdinand zum Kaiserdom führen sollten. Auf der hölzernen Brücke blieb er einen Moment über dem Main stehen. Noch immer war es ungewöhnlich still in Frankfurt. Die Räte hatten alle Tore fest verschließen lassen und Soldaten auf den Wällen postiert, damit niemand in die Stadt eindringen und die Feierlichkeiten stören konnte. Später sollten bewaffnete Bürger an den Wegen Spalier stehen.

Als Anton am Kaiserdom ankam, standen dort tatsächlich bereits zahlreiche Bürger und Menschen aus den Gefolgschaften der Kurfürsten und warteten darauf, eingelassen zu werden. Der Kreuzgang war weiträumig abgesperrt worden. Hier würde Ferdinand später von den geistlichen Kurfürsten, Friedrich von Bayern – dem Erzbischof von Köln –, Lothar von Metternich – dem Erzbischof von Trier – und Johann Schweikhard von Kronberg – dem Erzbischof von Mainz – mit Weihwasser empfangen und durch den Kreuzgang in den Dom geleitet werden.

Während Anton darauf wartete, dass die Tore des Kaiserdoms St. Bartholomäus geöffnet wurden, kamen immer mehr Menschen auf dem Vorplatz zusammen. Dennoch blieb es erstaunlich ruhig. Niemand drängelte sich vor und es gab keine Rangeleien. Voller Stolz schaute Anton in die freudigen Gesichter der Menschen, die auf ihren neuen Kaiser warteten. Auch für ihn selbst war dies ein großer Tag.

Als es hell wurde, begannen Zimmerleute damit, ein Podest vor dem Kaiserdom aufzuschlagen, auf dem sich der Kaiser später seinem Volk präsentieren konnte. Endlich verkündeten die Glocken, dass es nun nicht mehr lange dauerte, bis die Zeremonie beginnen würde.

Zwei Priester öffneten das Tor und ließen die Besucher unter ihren strengen Blicken eintreten. Voller Ehrfurcht schritt Anton durch das südliche Turmportal und die Vorhalle in den Hauptteil des Doms. Hier war bereits alles für die Krönungszeremonie vorbereitet. Marmorsäulen, Statuen und Reliefs glänzten frisch poliert, und auch auf dem Marmorboden spiegelte sich das Licht. Vor dem Altar war ein mit rotem Samt eingeschlagener Betstuhl aufgebaut.

Anton fand seinen Platz in einer der vorderen Reihen. Er spürte, wie sich sein Hals langsam zuzog. Heute war der bisher aufregendste Tag in seinem Leben. Selten war er so glücklich gewesen.

***

Das Orgelspiel begann, und Anton wusste, dass der Kaiser nun am St. Bartholomäusdom angekommen war. Die nächsten Minuten kamen ihm vor wie Stunden. Seine Spannung stieg weiter an, als sich das Tor zum Kreuzgang öffnete.

Als Leiter der Zeremonie betrat der Erzbischof von Mainz Johann Schweikhard von Kronberg den Dom als Erster. Ihm folgten die Erzbischöfe von Mainz und Trier mit Ferdinand in ihrer Mitte. Die Geistlichen führten den Kaiser zum Betstuhl. Als der niederkniete und ein leises Gebet sprach, war es so still, dass Anton noch nicht einmal die Menschen um sich herum atmen hörte. Auch er hielt die Luft an. Ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken. Endlich war die große Stunde seines Herrn gekommen!

Nach dem kaiserlichen Gebet sang ein Chor das Gloria in excelsis Deo. Erst dann wurde Ferdinand von den Erzbischöfen zum Altar geführt, wo Johann Schweikhard von Kronberg die Messe las.

Jetzt war der Moment gekommen, an dem der zukünftige Kaiser sich vor seinem Volk bekennen musste. Anton war so aufgeregt, dass er die einzelnen Fragen, die Ferdinand vor dem Altar kniend beantworten musste, kaum verstand. Er gelobte, seine ganze Schaffenskraft zum Wohl des Reiches einzusetzen und kein Unrecht wider sein Volk zuzulassen.

Danach mussten die Kurfürsten bestätigen, dass sie sich der kaiserlichen Majestät unterwerfen und ihm Gehorsam leisten wollten.

Johann Schweikhard von Kronberg salbte Ferdinand mit einer Mischung aus Balsam und Öl auf Scheitel, Brust, zwischen den Schulterblättern, am rechten Arm und am Ballen der rechten Hand. Danach führte er ihn in die Kurkapelle, wo er die alten Gewänder von Karl dem Großen angelegt bekam.

Ein erhabenes Raunen ging durch den Dom, als Ferdinand in dem Gewand aus blauem Samt, das mit goldenen Stickereien verziert war zurück an den Altar schritt. Dort reichte der Mainzer Erzbischof dem Kaiser das Schwert, steckte ihm den Kaiserring an den Finger und legte ihm seinen roten Mantel um. Dann traten die Kurfürsten aus Trier und Köln vor. Von ihnen bekam Ferdinand das Zepter in die rechte und den Apfel in die linke Hand gereicht. Schließlich setzten ihm die drei Geistlichen gemeinsam die Krone auf.

Jetzt ist er der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Anton hatte das Gefühl, als würde sein Herz für einige Schläge aussetzen. Freudentränen liefen ihm aus den Augen, als Ferdinand seinen Eid auf das Evangelium schwor und zum Kaiserthron geleitet wurde, wo er die weitere Messe verbringen würde.

Zum Abschluss des Gottesdienstes wurde der Kaiser von den Erzbischöfen durch das Nordtor ins Freie geführt. Anton hielt sich für einen Moment die Ohren zu, als von außen die Jubelschreie des Volkes in den Kaiserdom schallten.

***

Als Anton den Kaiserdom verließ, saß der Kaiser bereits auf seinem Thron auf dem Podest vor St. Bartholomäus. Unter dem Jubel der Massen gratulierten die nicht geistlichen Kurfürsten nun ihrem Kaiser. Danach kam der Adel, von denen einige Grafen von Ferdinand zum Ritter geschlagen wurden, und zum Schluss die Stadträte von Frankfurt.

»Nun führen wir den Kaiser ins Rathaus«, rief Johann Schweikhard von Kronberg.

Jeder auf dem Platz wusste, was er zu tun hatte. Alle wollten Ferdinand II. auf seinem Weg zum Römer begleiteten. Vorab schritt das Hofgesindel. Danach liefen die kurfürstlichen und nur fürstlichen Räte mit ihrem Gefolge vor den Adeligen der Stadt. Den Schluss bildeten die Kurfürsten und ganz am Ende schritten die Erzbischöfe mit dem Kaiser.

Anton wäre gerne näher bei Ferdinand gewesen und ärgerte sich darüber, dass er selbst bisher noch keine Gelegenheit gefunden hatte, seinen Herrn zu beglückwünschen. Dies wollte er später im Römer nachholen, wo das Kaisermahl gereicht werden sollte. Als erster Schreiber seiner Majestät gehörte Anton zu den Glücklichen, die daran teilnehmen durften.

Über die Holzbrücke, die man inzwischen mit rotem Tuch ausgelegt hatte, zog der Tross den Römerberg hinauf in Richtung Rathaus. Dort stand das Volk bereits zum Spalier bereit. Hunderte von Soldaten sorgten dafür, dass kein Unbefugter dem Kaiser zu nahe kam. Der zog nun unter viel Jubel und Geschrei in den Römer ein.

Hinter Ferdinand kam es zu großem Gedränge im Rathaus, weil jeder einer der Ersten im Festsaal sein wollte. Anton entschloss sich zu warten und ging zu einem der Fenster, um nach draußen zu sehen.

Drei Reiter aus dem Gefolge des Kaisers ritten auf den Platz und warfen Gold- und Silbermünzen in die Menge. Sofort stürzten sich die Menschen auf das Geld und kannten dabei keine Rücksicht mehr. Die wütenden Schreie waren durch die geschlossenen Fenster so gut zu hören, als stünde Anton inmitten der Massen.

Das Volk beruhigte sich erst, als die Soldaten eine Salve in die Luft abschossen. Plötzlich zog der Justitiabrunnen die Aufmerksamkeit der Leute auf sich. Anstelle von Wasser ergoss sich nun roter und weißer Wein in den Brunnen. Jeder wollte etwas von dem köstlichen Trunk abbekommen und die gierigsten ließen sich einfach über den Steinring in das köstliche Nass fallen.

Wie es bei der Krönung eines Kaisers üblich war, sollte auch das Volk nicht zu kurz kommen und seinen Anteil an den vielen Speisen bekommen, die an diesem Tag zubereitet worden waren. Unter dem Schutz der Soldaten, die verhindern sollten, dass es zu erneutem Gedränge kam, zerschnitten zwei Küchenhelfer einen gebratenen Ochsen, der auf einem Wagen auf den Platz vor dem Rathaus gebracht worden war.

Anton gönnte dem Volk seinen Spaß. Die Frankfurter Bürger hatten während der langen Zeit der Wahl auf Vieles verzichtet, weil über zweitausend Menschen zusätzlich hatten versorgt und untergebracht werden müssen. Jetzt sollten sie auch an den ausgelassenen Feierlichkeiten teilhaben können.

Anton knurrte bei dem Anblick der essenden Menschen der Magen und er entschloss sich, nun ebenfalls in den Kaisersaal zu gehen, wo sicherlich die erlesensten Speisen aufgetragen werden würden.

***

Einige Stunden später machte sich Anton müde und leicht betrunken auf den Weg in seine Kammer. Die Feierlichkeiten hatten sich bis tief in die Nacht hineingezogen. Es gab Wein und die köstlichsten Speisen im Überfluss. Musik wurde gespielt und dazwischen erfreuten Komödianten die Anwesenden mit ihren Darbietungen.

Als er in seiner Kammer ankam, lies sich Anton zufrieden auf sein Bett fallen. Er verspürte einen leichten Schwindel, drängte diesen aber zurück. Offensichtlich hatte er entgegen seines festen Vorsatzes doch mehr Wein zu sich genommen, als gut für ihn war. Er musste an seinen Lehrmeister denken, der ihn sicherlich gescholten hätte, wenn er ihn in diesem Zustand hätte sehen können. Dennoch war Antons Herz leicht. Mit der Wahl Ferdinands zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation hatten sich auch seine persönlichen Wünsche erfüllt. Es würde jetzt nicht mehr lange dauern, bis sie nach Wien zurückkehrten. Dann war er der erste Schreiber am Kaiserhof. Mit diesem Gedanken fiel Anton in einen tiefen Schlaf.

Der Dreißigjährige Krieg Band 1-3: Der Winterkönig / Der tolle Halberstädter / Der Hexenbrenner

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