Читать книгу Der Dreißigjährige Krieg Band 1-3: Der Winterkönig / Der tolle Halberstädter / Der Hexenbrenner - Jörg Olbrich - Страница 33

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Prag, 21. Mai 1619

»Kann es von Thurn und dem Direktorium gelingen, diesen Krieg zu gewinnen?«, fragte Magdalena besorgt.

»Nein, meine Liebe. Der Graf hat Mähren fast ohne Gegenwehr eingenommen. Ich denke aber, dass er sich jetzt überschätzt und es ein Fehler ist, gegen Wien zu ziehen. Die Habsburger sind mächtig und haben Verbündete, die ihnen beistehen werden.«

»Das müsste von Thurn aber auch wissen.«

»Das wird er auch. Bisher hatte er mit allem, was er unternommen hat, Erfolg. Das wird nicht immer so bleiben.«

»Was bedeutet das für uns?«

»Ich weiß es nicht …« Philipp nahm seine Gattin in den Arm und küsste sie auf die Stirn. Er war sicher, dass die Habsburger die Rebellion auf lange Sicht niederschlagen würden.

»Habe aber keine Sorge. Uns wird nichts geschehen.«

»Wenn die Protestanten König Ferdinand besiegen, wird es für den katholischen Teil des Volkes nicht besser werden.« Magdalena schien wenig überzeugt von Philipps beruhigenden Worten.

»Das werden sie nicht. Von Thurn macht einen großen Fehler. Er verlässt sich darauf, dass von Mansfeld die Kaiserlichen unter von Buquoy schlagen wird. Gelingt das aber nicht, gerät Prag in Gefahr. Der Graf wird teuer für seinen Feldzug bezahlen. Und das böhmische Volk ebenso.« Philipp legte seine volle Überzeugungskraft in seine Stimme.

»Die Niederländer werden helfen, die Kaiserlichen aus Böhmen zu vertreiben«, entgegnete Magdalena.

»Auch von Buquoy wird Unterstützung erhalten. Anton hat mir geschrieben, dass Soldaten aus Spanien kommen werden.«

»Hoffentlich findet die Schlacht nicht hier in Prag statt!«

Philipp versuchte nicht, seine Gattin davon zu überzeugen, dass dies nicht passieren würde. Er selbst hatte große Angst davor, zwischen die Mahlsteine zu geraten, wenn die beiden Heere aufeinandertrafen.

Gemeinsam mit Magdalena wollte er am Morgen auf dem Markt Besorgungen für Polyxena machen. Auf ihrem Weg dorthin wurden sie Zeugen eines endlos erscheinenden Zugs niederländischer Reiter, der durch die Tore in die Stadt einzog.

Die Ankunft der Söldner schien sich in Windeseile in Prag herumgesprochen zu haben. Die Menschen kamen aus ihren Häusern gelaufen, um die Männer zu begrüßen, die für die Freiheit der Bürger kämpfen sollten. An der Hauptstraße versammelte sich das Volk und jubelte den Söldnern auf ihrem Weg zur Steinbrücke zu.

»Gehen wir weiter«, sagte Philipp nach einer Weile. Er konnte nicht verstehen, dass sich so viele über den bevorstehenden Krieg freuten. »Sicher wartet Polyxena bereits auf uns.«

Die beiden gingen die Straße entlang in Richtung Markplatz, als sie plötzlich von vier Landsknechten der Prager Burg aufgehalten wurden.

»Philipp Fabricius?«, fragte einer der Männer, während zwei weitere an den beiden vorbeischritten, um ihnen den Fluchtweg abzuschneiden.

»Der bin ich«, antwortete Philipp selbstsicher.

»Ihr seid verhaftet.«

»Was hat das zu bedeuten?« Philipp sah den Offizier überrascht an.

»Ihr werdet mit uns kommen. Das Weib kann verschwinden.«

»Das muss ein Irrtum sein!«

»Das ist es nicht. Wir haben den Befehl, Euch unverzüglich in die Prager Burg zu bringen. Auch gegen Euren Willen, wenn es denn nötig ist.«

»Was wirft man mir vor?«

»Das werdet Ihr noch früh genug erfahren. Folgt Ihr uns freiwillig, oder müssen wir Euch in Ketten legen?«

»Er hat nichts getan«, schrie Magdalena und stellte sich vor ihren Gemahl.

»Geh mir aus dem Weg.«

»Das werde ich nicht. Mein Mann ist unschuldig. Ihr habt kein Recht, ihn zu verhaften.«

Der Hauptmann holte aus und schlug Magdalena gegen die Schläfe, sodass sie zur Seite taumelte. Philipp schrie entsetzt auf und wollte ihr zur Hilfe eilen. Die beiden Soldaten in seinem Rücken hatten damit aber wohl gerechnet. Sie reagierten blitzschnell und hielten ihn an den Armen fest. Verzweifelt wehrte er sich gegen den Griff und trat nach hinten aus. Der Offizier fackelte nicht lange, zog sein Schwert und hielt es Philipp an die Kehle. Augenblicklich stand er still. Wenn er nicht hier auf dem Markt den Tod finden wollte, blieb ihm nichts anderes übrig, als den Soldaten in die Burg zu folgen, die ihn jetzt einfach mit sich zogen. Um Magdalena kümmerten sich die Männer nicht. Philipp starrte besorgt auf den reglos auf dem Boden liegenden Körper.

»Ihr könnt sie doch nicht einfach im Dreck liegen lassen!«

»Sie ist selbst schuld«, entgegnete der Offizier schulterzuckend. »Sie hätte sich nicht einmischen dürfen.«

Die Gedanken in Philipps Kopf überschlugen sich. Er hatte nicht die geringste Vorstellung davon, warum er von den Soldaten festgenommen worden war. In den letzten Monaten hatte er das Anwesen der von Lobkowitzes nur selten verlassen. Sein eigenes Haus war nach wie vor von den böhmischen Soldaten besetzt. Die Sorge um seine Gemahlin ließ ihn schwer atmen. Der Offizier hatte sie auf brutale Weise niedergeschlagen! Was würde mit ihr geschehen? Bekam sie Hilfe von den Bürgern der Stadt, oder hatten diese Angst, selbst von den Soldaten des Direktoriums gefangen genommen zu werden, wenn sie sich um die junge Frau kümmerten?

»Lasst mich kurz nach meinem Weib sehen. Dann werde ich euch ohne Gegenwehr folgen«, unternahm Philipp einen letzten Versuch, seinen Widersacher zu überzeugen, doch der schüttelte nur den Kopf.

In der Prager Burg wurde Philipp direkt zu den Verliesen geführt. Die Soldaten warfen ihn in eine Zelle und schlossen die Tür.

Philipp schrie und tobte, fluchte und trommelte mit beiden Fäusten gegen die Tür, aber keiner der Wärter nahm Notiz von ihm. Irgendwann verließen ihn seine Kräfte. Philipp legte sich auf einen Haufen Stroh in der Ecke des Kerkerraumes und schaute zur Decke.

Sie hatten ihm noch nicht einmal gesagt, warum er verhaftet worden war.

***

Sie lag im Dreck, spürte den Staub in ihrem Mund und nahm das Geschehen um sich herum nur wie durch Nebel wahr. Magdalena wusste nicht, wie lange sie ohne Bewusstsein gewesen war. Mühsam hob sie den Kopf und sah, wie die Soldaten Philipp am Ende der Straße um eine Hausecke zogen. Es konnte also nicht lange gewesen sein.

Magdalena versuchte aufzustehen, schaffte es aber noch nicht einmal, sich zur Seite zu drehen. Plötzlich spürte sie einen entsetzlich stechenden Schmerz im unteren Bereich ihres Bauches und schrie auf. Krämpfe schüttelten ihren Körper. Wieder schrie sie vor Schmerzen und hatte das Gefühl, man würde ihr ein Schwert in den Unterleib rammen. Magdalena spürte, wie sie zwischen ihren Beinen feucht wurde. Dann verlor sie erneut das Bewusstsein.

***

»Wie geht es Magdalena?«, fragte Philipp besorgt und als erstes, als Diepold von Lobkowitz drei Tage später in seine Zelle kam. Bis dahin hatte kein Mensch mit ihm gesprochen. Jeden Morgen hatte er einen Krug Wasser und ein Stück trockenes Brot bekommen. Auf seine Fragen reagierten die Wärter jedoch nicht.

Er hatte weiter getobt und verlangt, dass man ihn zu Graf von Thurn bringe, doch niemand hatte ihm Beachtung geschenkt. Die Sorge um sein Weib drohte Philipp innerlich zu zerreißen. Die Frage, wie es ihr nach dem Überfall ergangen war, hatte sich in seinem Kopf festgebrannt. Auch wenn er selbst nicht die geringste Ahnung hatte, warum er verhaftet worden war, machte er sich weniger Gedanken um sich selbst. Alles, was zählte, war Magdalena.

»Sie hat eine Platzwunde am Kopf, aber ansonsten geht es ihr gut. Polyxena kümmert sich um dein Weib.« Die Lüge stand Diepold ins Gesicht geschrieben. Irgendetwas verschwieg er Philipp. Die Miene des ehemaligen Statthalters verriet ihm, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste.

»Was ist mit ihr?« Das Sprechen fiel Philipp schwer. Er spürte, wie sich sein Hals zuzog.

»Magdalena geht es den Umständen entsprechend gut. Du musst dir keine Sorgen um sie machen.«

»Was soll das heißen?«, ächzte Philipp. »Welchen Umständen?«

»Sie hat das Kind verloren …« Diepold von Lobkowitz vermied es, Philipp bei diesen Worten in die Augen zu sehen.

Philipp wollte schreien, brachte aber nicht mehr als ein Krächzen zu Stande. Er ballte die Hände zu Fäusten und starrte Diepold fassungslos an. Dabei merkte er nicht, wie sich seine Fingernägel in seine Haut bohrten.

»Es tut mir wahnsinnig leid.«

»Sie hat mir nichts davon gesagt …« Philipp spürte den Schwindel. Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und ließ sich auf den Boden sinken. Dann kamen die Tränen.

Diepold ließ Philipp einige Minuten in Ruhe. Dann legte er seine Hand auf die Schulter des Gefangenen. »Dein Weib lebt. Polyxena kümmert sich um sie. Magdalena wird es an nichts fehlen. Jetzt ist es wichtig, dich aus dieser Zelle herauszubekommen.«

»Warum?«, fragte Philipp, hob den Kopf und sah den ehemaligen Statthalter an. Tränen verschleierten seinen Blick. »Was hat das alles zu bedeuten?«

»Ich habe mit von Ruppau persönlich gesprochen. Offenbar haben die Soldaten in deinem Haus einen Beweis gefunden, dass du einer von Ferdinands Kundschaftern bist. Sie wollen vermeiden, dass du Nachrichten an den Kaiserhof schickst. Deshalb bist du hier.«

»Ich habe nichts dergleichen getan!« Wut und Empörung kochten in Philipp hoch. Was erzählte Diepold da?

»Das weiß ich. Davon wird sich von Ruppau aber so einfach nicht überzeugen lassen. Würden wir uns nicht schon so lange kennen, hätte ich noch nicht einmal mit dir sprechen dürfen.«

»Also könnt Ihr mir nicht helfen.« Philipps Wut wich der Hoffnungslosigkeit.

»Nein. Im Moment kann das niemand. Ich verspreche dir aber, dass wir alles dafür tun werden, dich aus dieser Zelle herauszubekommen!«

»Kümmert Euch gut um meine Gemahlin!«

»Magdalena ist in Sicherheit.«

Als Philipp wieder alleine war, kamen die Tränen zurück. »Warum hast du mir nichts davon gesagt?« Seine Stimme war so leise, dass er sie selbst kaum hörte. Hatte Magdalena von dem Kind gewusst? Sie hätte es ihm sagen müssen.

Philipp stand kurz vor dem Durchdrehen. Er musste aus diesem Kerker heraus. Er wollte zu Magdalena, um sie zu trösten. Er wollte bei ihr sein, sie in den Arm nehmen und sie beschützen. In diesem Moment schwor er sich, Prag mit seinem Weib zu verlassen, sobald er aus dem Kerker entkommen war.

Philipp ließ sich das Wenige, das er von Diepold erfahren hatte, durch den Kopf gehen. Was hatten die Soldaten in seinem Haus gefunden? Er konnte sich nicht vorstellen, was ihn mit dem Kaiserhof in Verbindung bringen sollte. Dann fielen ihm mit einem Mal Antons Briefe ein. Waren sie der Grund dafür, dass er jetzt im Kerker der Prager Burg saß? Hatte sein Kind deshalb sterben müssen? Wegen eines harmlosen Briefes von einem Freund?

Der Dreißigjährige Krieg Band 1-3: Der Winterkönig / Der tolle Halberstädter / Der Hexenbrenner

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