Читать книгу Der Löwe aus Mitternacht. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Band 5 - Jörg Olbrich - Страница 13

Prag, 10. Juni 1631

Оглавление

»Ich bin dir wie so oft zu großem Dank verpflichtet«, sagte Albrecht von Wallenstein und sah seinen Verwalter Philipp Fabricius anerkennend an. »Du hast die Bücher wirklich tadellos geführt. Etwas anderes hatte ich allerdings auch nicht erwartet.«

»Ihr wisst, dass Ihr Euch auf mich verlassen könnt.«

»Natürlich.« Albrecht von Wallenstein legte die Aufzeichnungen seines Verwalters zufrieden zurück in die Schublade des Schreibtisches. »Gibt es sonst Erwähnenswertes, das sich während meiner Abwesenheit zugetragen hat?«

»Nur, wenn Ihr Euch für den Tratsch des Adels interessiert.«

»Das tue ich nicht. Ich kann mir auch so vorstellen, wie sie sich hinter meinem Rücken die Mäuler zerreißen.«

»Das tun sie tatsächlich. Vor allem Eure Neider machen keinen Hehl aus ihrer Meinung, es geschehe Euch recht, vom Kaiser aus dessen Dienst entlassen worden zu sein.«

Philipp wusste, wie wenig sein Herr auf das Geschwätz anderer Leute gab. Bereits als der Herzog von Friedland mit dem Bau seines Palastes in Prag begonnen hatte, war er von den Adeligen voller Neid beäugt worden. Viele waren der Meinung, dass er den schnellen Aufstieg nicht verdient habe. Das galt im Besonderen für diejenigen, die seit Kriegsbeginn einen Teil ihrer Güter verloren hatten.

Als von Wallenstein am Morgen in sein Anwesen in Prag gekommen war, hatte er für große Überraschung bei seinem Verwalter gesorgt. Der Herzog von Friedland hatte seinen Besuch nicht angekündigt und war eher kurz entschlossen in die Stadt gereist. Als er sah, wie gepflegt der Palast und das Grundstück waren, hatte er sich gegenüber Philipp und seiner Gemahlin Magdalena sehr lobend geäußert.

»Wichtige Neuigkeiten gibt es nicht?«

»Nein. Ich habe Euch alle Briefe nach Gitschin geschickt. In den letzten Wochen sind es immer weniger geworden.«

»Weil bekannt war, dass ich mich nicht in Prag aufgehalten habe«, sagte Wallenstein nickend. »Es gab Tage, da habe ich es nicht geschafft, alle Schreiben zu beantworten, die man mir nach Friedland schickte. Einige kaiserliche Offiziere, die mir noch immer treu ergeben sind, schicken ausführliche Berichte über das Kriegsgeschehen. Allen voran Feldmarschall Gottfried Heinrich zu Pappenheim und Hans Georg von Arnim.«

»Ist der nicht inzwischen Oberbefehlshaber des sächsischen Heeres?«, fragte Philipp erstaunt.

»Das ist er. Dennoch pflegen wir weiterhin einen freundschaftlichen Kontakt. Darüber hinaus konnte ich mich in Gitschin vor ungebetenen Besuchern nicht retten. Es kamen Abgesandte von Christian IV. von Dänemark und sogar vom polnischen König.«

»Seid Ihr deshalb nach Prag gekommen?«

»Auch«, gab von Wallenstein zu. »Ich muss ein paar Personen empfangen, die ich nicht unbedingt in meinem Schloss in Gitschin treffen will. Dazu gehören Vertreter der protestantischen Fürsten, die mich allzu gerne auf ihre Seite ziehen würden. Selbst Gustav Adolf von Schweden hat bereits Andeutungen in diese Richtung gemacht.«

»Ihr wollt Euch gegen Ferdinand II. stellen?«

»Mitnichten«, antwortete von Wallenstein lächelnd. »Es kann aber nicht schaden, sich den Standpunkt der Gegenseite anzuhören.«

»Ist es wahr, dass Euch der Kaiser gerne wieder in seinem Dienst sehen würde?«

»Woher wisst Ihr das?« Jetzt war es von Wallenstein, der seinen Verwalter überrascht ansah.

»Die Spatzen pfeifen es von den Dächern. Auch hier in Prag.«

»Ferdinand II. hat längst erkannt, dass er einen Fehler gemacht hat. Er würde mir jederzeit erneut den Oberbefehl über seine Truppen geben, wenn ich ihn darum bitten würde.«

»Wollt Ihr dies denn tun?«

»Nein, Philipp. Ich werde mich niemals dazu herablassen, dem Kaiser gegenüber als Bittsteller aufzutreten. Wenn seine Verzweiflung ihren Höhepunkt erreicht hat, wird er zu mir kommen.«

»Würdet Ihr seiner Bitte in diesem Fall nachkommen?«

»Ich weiß es noch nicht«, gab von Wallenstein zu. »Im Moment erscheint es mir klüger, abzuwarten, wie sich die Lage im Reich und in Europa weiterentwickelt.«

***

»Ist Prag in Gefahr?«

»Nein. Warum sollte das auch so sein?«

»Tue nicht so, als wüsstest du nicht, wovon ich spreche«, antwortete Magdalena und sah ihren Mann Philipp ärgerlich an. »Ich verlange von dir, dass du mir die Wahrheit sagst. Müssen wir uns Sorgen machen, dass der Krieg erneut in die Stadt kommt?«

»Das denke ich nicht.«

»Aber du weißt es auch nicht.«

»Niemand weiß das.« Philipp versuchte, Magdalena in den Arm zu nehmen, doch sie rückte ein Stück von ihm weg.

»Weich mir jetzt nicht aus, Philipp. Denkst du vielleicht, ich bekomme nicht mit, was in Mecklenburg und Brandenburg geschieht? Ich weiß, dass dieser sogenannte Wasserkönig dabei ist, das Reich zu erobern.«

»Jetzt übertreibst du«, entgegnete Philipp und versuchte, seine Gemahlin mit einem Lächeln zu beruhigen. »Gustav Adolfs Feldzug ist ins Stocken geraten. Er ist weit davon entfernt, Böhmen angreifen zu können. Und wenn er es tut, ist er noch lange nicht in Prag.«

»Aber es könnte irgendwann so weit sein.«

»Worauf willst du hinaus? Der Krieg ist weit entfernt. Böhmen ist fest in des Kaisers Hand. Worüber machst du dir Sorgen?«

»Ich habe einfach Angst«, antwortete Magdalena und begann leicht zu zittern. »Du weißt, was damals alles geschehen ist. Auch wenn es mehr als zehn Jahre her ist, ich werde diese furchtbare Zeit niemals vergessen.« Jetzt hatte sie nichts dagegen, dass ihr Gemahl sie in den Arm nahm.

Auch in Philipps Erinnerungen waren die Ereignisse seit Kriegsbeginn für immer fest eingebrannt. Alles hatte damit begonnen, dass rebellische Protestanten ihn und zwei Statthalter des Kaisers aus einem Fenster in der Prager Burg geworfen hatten. Auf seiner Flucht nach Wien hatte er dann Magdalena kennengelernt, die ihn zum Kaiserhof begleitet hatte. Bei der Rückkehr in ihre Heimat hatten sie die Eltern der jungen Frau tot aufgefunden. Das ganze Dorf war von Soldaten zerstört worden.

In Prag hatten sie zunächst in Sicherheit gelebt. Als sich die Lage aber zugespitzt hatte, war Philipp unschuldig in den Kerker geworfen worden und wäre dort fast gestorben. In der Zeit seiner Gefangenschaft hatte Magdalena dann ihr erstes Kind verloren.

Nach dem Prager Blutgericht, in dem die protestantischen Aufrührer bestraft worden waren, hatte Philipp eine Anstellung als Gutsverwalter von Albrecht von Wallenstein übernommen. Seitdem hatte sich das Leben der Eheleute deutlich verbessert. Mittlerweile hatten sie zwei Kinder und konnten bereits eine hohe Zahl an Silbermünzen beiseitelegen. Sollten sie wirklich irgendwann aus der Stadt fliehen müssen, würden sie davon eine ganze Weile zehren können.

»Unser Herr wird nicht zulassen, dass Friedland oder Böhmen in die Hand des Wasserkönigs fallen«, sagte Philipp schließlich.

»Mecklenburg konnte er nicht schützen.«

»Das mag sein. Es wäre aber die Aufgabe von General von Tilly gewesen, die Schweden aus dem Reich zu vertreiben. Das ist ihm nicht gelungen.«

»Wie soll es dann von Wallenstein schaffen?«

»Unser Herr ist sehr viel mächtiger, als es von Tilly jemals sein kann«, antwortete Philipp nachdenklich. »Du hast ihn heute gesehen. Als er im Winter nach Prag kam, war er ein gebrochener Mann. Jetzt ist das alte Funkeln in seine Augen zurückgekehrt. Wir wissen beide, wie gut seine Beziehungen sind. Er wird nicht zulassen, dass seine Güter von den Schweden besetzt oder zerstört werden.«

»Kann er denn überhaupt etwas tun?«

»Ja, Magdalena. Das kann er allerdings. Ferdinand II. hat ihn aufgefordert, erneut in seine Dienste zu treten und das kaiserliche Heer gegen den Feind zu führen.«

»Wird er diesem Ruf folgen?«

»Das denke ich schon. Auch wenn unser Herr das im Moment selbst noch nicht weiß.«

***

Am nächsten Morgen war Philipp gerade auf dem Weg zu seinem Herrn, als er einen Boten vor dem Palast stehen sah. »Was willst du hier?«, sprach der Verwalter den Mann an. »Hast du eine Nachricht für mich?«

»Nur, wenn du General Albrecht von Wallenstein bist.«

»Das bin ich nicht.«

»Dann bekommst du auch den Brief nicht.«

»Ich arbeite für Albrecht von Wallenstein.« Philipp spürte leichten Ärger in sich aufsteigen. »General ist er allerdings nicht mehr.«

»Das steht aber auf dem Umschlag«, sagte der Mann und sah Philipp stur an.

»Von wem ist das Schreiben?«

»Das darf ich nicht sagen. Ich soll den Brief persönlich abgeben.«

»Du kannst ihn mir geben.«

»Nur, wenn du General Albrecht von Wallenstein bist.«

»Ich dachte, das hätten wir bereits geklärt.« Philipp verspürte wenig Lust, sich weiter mit dem Boten herumzuärgern, konnte ihn aber auch nicht zwingen, ihm das Schreiben auszuhändigen. Bat er ihn in den Palast, würde er sich die Schelte seines Herrn anhören müssen. Der war es nicht gewohnt, sich mit einfachen Boten herumzuärgern und hasste es, wenn ihn die Umstände dazu zwangen.

»Wer sagt mir, dass du den Brief tatsächlich an den General weitergibst?«

»Ich sage dir das«, sagte Philipp, der sich jetzt zwingen musste, die Fassung zu wahren. »Gib mir den Brief und ich lasse dir von einem der Diener Essen und Trinken bringen.«

»Du wirst mich also nicht zum General vorlassen?«

»Nein. Das werde ich nicht. Wenn du den Brief behalten willst, tue das. Es ist mir gleich. Ich muss deinem Auftraggeber nicht erklären, warum von Wallenstein das Schreiben nicht bekommen hat.« Philipp wusste, dass er den Boten nicht so ohne Weiteres gehen lassen konnte. Sollte der Inhalt für seinen Herrn wichtig sein, würde der aus allen Wolken fallen, wenn er erfuhr, dass es an der Übergabe des Briefes gescheitert war.

Auch der Bote schien jetzt einzusehen, dass sie so nicht weiterkamen und sah Philipp nachdenklich an. »Bring mir einen großen Krug Wein, ein Laib Brot und ein Stück Schinken. Dann bekommst du den Brief.«

»Einverstanden«, sagte Philipp schnell, um einem weiteren Streit aus dem Weg zu gehen. Dieser Kerl hatte ihn inzwischen genug Zeit gekostet.

Etwa eine Stunde später war Philipp mit dem Brief endlich auf dem Weg zu Albrecht von Wallenstein, mit dem er sich für den Morgen verabredet hatte und der sicher bereits auf ihn wartete.

»Verzeiht, mein Herr«, sagte der Verwalter, bevor von Wallenstein ihn fragen konnte, warum er sich verspätet hatte. »Ich wurde von einem Boten aufgehalten, der ein angeblich wichtiges Schreiben an Euch persönlich zu übergeben hatte, aber schwer davon zu überzeugen war, dass er es mir aushändigen kann.«

Albrecht von Wallenstein hob eine Augenbraue und streckte Philipp die Hand entgegen, um den Umschlag in Empfang zu nehmen. »Von wem ist der Brief?«

»Das hat dieser Kerl nicht gesagt.«

»Ich verstehe.«

An der leicht verschärften Stimme und dem Runzeln auf der Stirn des Herzogs von Friedland erkannte Philipp, dass dessen Laune heute nicht die beste war. Es war tatsächlich besser gewesen, den Boten nicht in das Amtszimmer zu bringen, auch wenn er deswegen nun eine Verspätung entschuldigen musste. Geduldig sah der Verwalter nun zu, wie sein Herr den Umschlag öffnete, das Papier herausnahm und zu lesen begann.

»Dieser Narr!« Wallenstein ließ das Schreiben sinken, legte es auf dem Tisch ab und schlug mit der Faust auf die Platte.

Philipp sah seinen Herrn, dem die Zornesröte ins Gesicht gefahren war, neugierig an und wartete, bis er von sich aus weitersprach. Der ließ sich dazu auch nicht lange bitten.

»Das Schreiben ist von Gottfried Heinrich zu Pappenheim. Er berichtet voller Stolz, dass es den Truppen von General Graf Johann von Tilly gelungen ist, Magdeburg dem Erdboden gleichzumachen. Dabei war dies das Dümmste, was sie hätten tun können.«

»Warum regt Ihr Euch auf?«, fragte Philipp verwundert. »Es war doch abzusehen, dass die Stadt eingenommen wird.«

»Tilly hat Magdeburg nicht eingenommen«, gab von Wallenstein zornig zurück. »Er hat es vernichtet. Fast die komplette Stadt ist abgebrannt.«

»Ist es nicht dennoch ein herausragender Sieg?«

»Das ist Unsinn«, entgegnete von Wallenstein scharf. »Der General hat ein Massaker angerichtet, das ihm das Reich niemals verzeihen wird.«

»Es wurden doch schon andere Städte belagert und eingenommen«, entgegnete Philipp, dem nicht so recht klar war, auf was sein Herr hinauswollte. »Im Krieg ist das nun einmal so.«

»Ich schätze dich als Verwalter und bin dir für deine Dienste sehr dankbar. Von Politik hast du aber offensichtlich nicht die geringste Ahnung. Kaum zu glauben, dass du früher als Sekretär der Statthalter gearbeitet hast.«

»Habt Ihr nicht selbst gesagt, dass Magdeburg ein wichtiger Stützpunkt für den Kaiser werden kann?« Philipp versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn die Worte seines Herrn verletzt hatten. Offensichtlich hatte der heute einen rabenschwarzen Tag erwischt und schien gerade darauf gewartet zu haben, seine schlechte Stimmung an einem anderen auszulassen.

»Aber nicht, wenn es völlig zerstört ist«, regte sich von Wallenstein weiter auf. »Wenn Tilly die Stadt erobert hätte, wäre es ein großartiger Sieg für ihn und den Kaiser gewesen. Wenn es aber stimmt, was zu Pappenheim schreibt, gibt es kein Magdeburg mehr. Die Stadt ist zerstört. Damit könnte die Einnahme der Stadt zur größten Niederlage werden, die der Kaiser in den letzten Kriegsjahren erlebt hat.«

»Ist es nicht gut, wenn die Räte in den anderen protestantischen Städten sehen, was passiert, wenn man auf den Wasserkönig vertraut? Immerhin konnte Gustav Adolf den Magdeburgern nicht helfen.«

Wallenstein sah seinen Verwalter an, als hätte er einen kleinen Jungen vor sich, der ihn gerade gefragt hatte, warum Ochsen keine Milch gaben. »Nein, Philipp. Der schwedische König konnte Magdeburg nicht retten. Dazu hätte es eines Bündnisses mit den protestantischen Kurfürsten bedurft. Die haben bisher versucht, gegenüber dem Kaiser neutral zu bleiben. Jetzt bekommen sie es mit der Angst zu tun, weil sie fürchten müssen, dass Tilly mit ihnen ähnlich hart ins Gericht geht wie mit den Magdeburgern. Damit treibt der General den Kurfürsten aus Sachsen direkt in die Arme Gustav Adolfs. Es wird nicht mehr lange dauern, bis Johann Georg merkt, dass er sich mit Schweden verbünden muss.«

»Von dieser Seite habe ich die Sache noch nicht betrachtet«, gab Philipp zu.

»Offensichtlich haben das auch General von Tilly und sein Feldmarschall nicht getan.«

***

In den folgenden Tagen gaben sich die Fürsten oder deren Gesandten am Wallensteinschen Schloss in Prag die Klinke in die Hand. Für Philipp war damit die ruhige Zeit, die er den Winter über mit Magdalena und den Kindern verbracht hatte, endgültig vorbei.

Der Verwalter musste sich um die Besucher seines Herrn kümmern und sie vertrösten, wenn der Herzog von Friedland noch nicht bereit war, mit ihnen zu sprechen, wenn sie sein Domizil in Prag erreichten. Die Führung durch das Schloss und die Kunstwerke, die dort zusammengetragen worden waren, hätte Philipp mittlerweile im Schlaf abhalten können. Schwierig wurde es allerdings vor allem dann, wenn sich zwei Abgesandte in der Residenz Wallensteins aufhielten, die nichts voneinander wussten und sich schon gar nicht begegnen durften.

Magdalena beaufsichtigte die Bewirtschaftung des Anwesens und half überall dort, wo es erforderlich war. Sie hatte ihren Gemahl überredet, weiteres Personal einstellen zu dürfen, was ihr Philipp nach der Zustimmung des Herzogs auch erlauben konnte. Groß war ihre Freude gewesen, als ihre Herrin Isabella Katharina mit der kleinen Maria Elisabeth in Prag angekommen war. Die beiden Frauen hatten sich viel zu erzählen und trafen sich, so oft es Magdalenas Zeit zuließ, im Garten, wo sie den Kindern beim Spielen zusahen.

Trotz der vielen Arbeit genossen Philipp und Magdalena diese aufregende Zeit. Beiden entging aber nicht, dass die Unruhe unter den Adeligen in Prag weiter anwuchs. Spannungen lagen in der Luft, und niemand konnte voraussagen, auf welche Weise und in welche Richtung sie sich entladen würden. Sicher schien nur, dass Wallenstein dabei eine entscheidende Rolle einnehmen würde.

Magdalena verzichtete darauf, ihren Gemahl erneut mit der Bitte zu behelligen, die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen. Aber auch wenn sie dies nicht aussprach, wusste Philipp, dass sich an ihrem Wunsch nichts geändert hatte. Weil aber nicht nur der Herzog von Friedland, sondern auch dessen Frau im Palast verweilte, konnte Magdalena keine Begründung dafür vorbringen, warum es in Prag jetzt nicht mehr sicher sein sollte.

Am Abend des 18. Juni meldete sich schließlich ein Tscheche namens Jaroslaw Sesyma Raschin von Riesenburg bei Philipp und verlangte, den Herzog von Friedland zu sprechen. Der Verwalter war von seinem Herrn auf den Besuch vorbereitet worden. Er hatte ihm ausdrücklich befohlen, dass die Anwesenheit des Mannes im Palast geheim zu halten sei. Daher führte Philipp Raschin nicht durch das Hauptportal, sondern geleitete ihn durch einen Nebeneingang zum Amtszimmer seines Herrn. Wenn der Tscheche sich durch diese Behandlung brüskiert fühlte, ließ er es sich zumindest nicht anmerken.

Philipp fragte sich, was an dem Mann so besonders war, dass sein Herr so ein Aufhebens um ihn machte. Mit den kantigen Zügen und dem gekräuselten Bart unter seinem spitzen Kinn wirkten seine Gesichtszüge fast wie ein Dreieck. Wer den Tschechen einmal aus der Nähe gesehen hatte, würde sich gewiss an das auffällige Äußere erinnern. Warum aber wollte Wallenstein verhindern, dass der Prager Adel seinen Gast erkannte?

***

»Gerne werde ich alles tun, was Seiner Majestät genehm ist und mich persönlich mit ihm zu Verhandlungen treffen«, erklärte Wallenstein, nachdem ihm Raschin die Grüße Gustav Adolfs von Schweden übermittelt und ihm ausgerichtet hatte, dass der König den Herzog von Friedland gerne in seine Residenz einladen würde. »Ich gedenke aber zu warten, bis dafür der rechte Zeitpunkt gekommen ist.«

»Wie darf ich das verstehen?«

»Es ist nicht ratsam, in einer so wichtigen Angelegenheit unüberlegt zu handeln«, erklärte von Wallenstein. »Ich erachte es als notwendig, dass der König von Schweden zunächst sein Bündnis mit Johann Georg von Sachsen besiegelt. Wenn ich mich mit Gustav Adolf verbrüdern soll, muss ich sicher sein, dass er mir die zugesicherte Hilfe auch gewähren kann, sollte ich endgültig beim Kaiser in Ungnade gefallen sein.«

»Ist das denn nicht bereits der Fall?«, fragte Raschin.

»Noch lässt mich Ferdinand II. in Friedland gewähren. In Prag ebenso. Warum sollte ich meine Unversehrtheit ohne Not in die Waagschale werfen?«

»Aus Rache?«

»Nicht um jeden Preis.«

Der Herzog von Friedland sah seinen Gast hintergründig an. Er war sich der Tatsache bewusst, dass er ein hohes Risiko einging, mit dem Gesandten des schwedischen Königs zu sprechen. Sollte die Nachricht darüber an den Kaiserhof nach Wien gelangen, würde das seine Stellung bei Ferdinand II. schwächen. Dies galt es zu vermeiden.

Natürlich war er alles andere als bereit, sich jemals auf ein Bündnis mit den Schweden einzulassen. Es ging ihm lediglich darum, sich einen besseren Überblick über die politische Lage in Europa zu verschaffen. Er wollte erfahren, wie weit Gustav Adolf zu gehen bereit war. Das wiederum durfte aber Sesyma Raschin nicht wissen. Es waren also größtes Verhandlungsgeschick und absolute Vorsicht geboten.

»Seine Majestät ist überzeugt, dass Ihr Euch gegenseitig von großem Nutzen sein könnt«, sagte Raschin und schaute von Wallenstein verschwörerisch an.

Der musste innerlich lächeln. Sein Gegenüber nahm sich deutlich wichtiger, als er es in Wahrheit war. Er hatte nicht die Befugnisse, im Namen des schwedischen Königs zu verhandeln und war nicht viel mehr als ein Bote.

Wenn Sesyma Raschin innerhalb des protestantischen Widerstandes einen besonderen Status innegehabt hätte, wäre das von Wallenstein damals nicht entgangen. Ehrgeizig war der Gesandte des Wasserkönigs ganz sicher, große Macht hatte er aber nicht.

Es war Wallensteins Schwager Adam Trčka gewesen, der als Erster mit Graf von Thurn über ein mögliches Bündnis zwischen Gustav Adolf und Albrecht von Wallenstein gesprochen hatte. Alleine die Tatsache, dass von Thurn als Mittelsmann erschienen war, hatte den Herzog von Friedland zu höchster Wachsamkeit animiert.

Bereits vor dem protestantischen Aufstand hatte von Wallenstein im Dienst der Habsburger gestanden. Später waren er und von Thurn zu Feinden geworden. Auch wenn sie sich nie im Gefecht gegenübergestanden hatten, wusste der Herzog von Friedland, dass es zwischen ihnen niemals Freundschaft würde geben können.

»Ist es nicht eher so, dass die protestantischen Stände im Exil einen Weg suchen, ihre Besitztümer in Böhmen zurückzugewinnen? Wenn sie überhaupt eine Möglichkeit sehen, dieses Ziel zu erreichen, dann nur über Gustav Adolf.«

»Es mag sein, dass sie ihren Nutzen daraus ziehen würden«, gab Raschin zu.

»Ich müsste mich den Rest meines Lebens gegen sie erwehren, wenn ich mich jetzt auf ihre Seite schlage.«

»Ich verhandele nicht im Auftrag des Grafen von Thurn«, sagte Raschin ausweichend. »Es ist der König aus Schweden, der mich zu Euch geschickt hat. Wenn auch nicht in offizieller Mission.«

»Wenn das so ist, wundert es mich sehr, dass Ihr mir bisher kein Schreiben des Königs übergeben habt. Führt Ihr ein solches mit Euch?«

»Nein.«

»Dann solltet Ihr jetzt gehen und wiederkommen, wenn Ihr mir eine Botschaft Seiner Majestät zu übergeben habt.«

Der Löwe aus Mitternacht. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Band 5

Подняться наверх