Читать книгу Der Löwe aus Mitternacht. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Band 5 - Jörg Olbrich - Страница 9

Frankfurt an der Oder, 13. April 1631

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»Der König befiehlt alle Führungsoffiziere zu sich«, berichtete Willow, der gerade ins Zelt seines Oberstleutnants gestürmt kam, atemlos. »Der Angriff steht kurz bevor.«

Mehr Worte brauchte es nicht, um Robert Monros uneingeschränkte Aufmerksamkeit zu bekommen. Der schottische Offizier sprang auf und griff, ohne eine Antwort zu geben, zu seinem Waffenrock. Seine Aufzeichnungen, an denen er gerade gearbeitet hatte, ließ er einfach auf dem Tisch liegen. Hierum würde sich Willow später kümmern, der auf ausdrücklichen Wunsch des Majors nicht am Angriff auf Frankfurt an der Oder teilnehmen sollte. Er wollte den Burschen schützen. Er hatte andere Qualitäten als den Kampf, und der Schotte wollte vermeiden, dass er von einer verirrten Kugel niedergestreckt wurde.

Nachdem sie den Jahreswechsel in Stettin verbracht hatten, war Monros Regiment nach Neu-Brandenburg gezogen und hatte die Stadt eingenommen. Allerdings konnten sie nicht verhindern, dass die Kaiserlichen die Stadt zurückeroberten und dabei Hunderte ihrer Kameraden erschlugen.

Weil Oberst Mackay nach Schottland gereist war, um weitere Söldner anzuwerben, hatte Monro das Kommando über dessen Regiment übernommen. Er selbst befand sich während der Kämpfe um Neu-Brandenburg in Schwedt, einer Stadt in der Uckermark. Die schändlichen Taten der Kaiserlichen gegen seine Landsleute hatten sich aber fest in die Gedächtnisse des Majors und seiner Männer eingebrannt. Sie waren entschlossen, dem Feind diese Verbrechen bei der nächsten Gelegenheit mit gleicher Münze zu vergelten.

König Gustav Adolf von Schweden hatte sich in Schwedt mit einem Großteil seiner Einheiten vereinigt. Dort ließ Seine Majestät alle verfügbaren Regimenter auf einem großen Feld aufmarschieren und teilte sie in Brigaden ein.

Sir John Hepburn wurde das Kommando über die grüne Brigade erteilt, in der sein eigenes Regiment, die von Monro angeführten Highlander Mackays, die Musketiere von Oberst Sir James Lumsden und das Regiment von Oberst Stargate zusammengefasst worden waren. Daneben wurden die blaue Brigade von Oberst Hans Georg aus dem Winkel, die gelbe unter dem Kommando von Baron Teufel und die weiße von Melchior von Dargitz gebildet.

Robert Monro wurde zum Oberstleutnant befördert. Es erfüllte ihn mit Stolz, unter dem Kommando seines Freundes Sir Hepburn dienen zu dürfen, dessen Einheit aufgrund ihrer Kampfeskraft zur Vorhut des schwedischen Königs bestimmt wurde. Angeführt vom Löwen aus Mitternacht, dem König von Schweden, waren sie von Schwedt aus am Ufer der Oder entlang in Richtung Frankfurt marschiert. Im Hauptheer wurden eine Pontonbrücke und zweihundert Geschütze mitgeführt.

Das ungemütliche, nasskalte Wetter tat der Stimmung im Heer keinen Abbruch. Die rund achtzehntausend Söldner liefen in polierten Rüstungen und mit glitzernden Waffen durch den vom Schmelzwasser erzeugten Morast auf ihr Ziel zu. Fest entschlossen, den Feind zu besiegen und aus der Stadt zu vertreiben.

Während der kaiserliche Oberbefehlshaber Johann von Tilly mit seiner Hauptstreitmacht im brandenburgischen Ruppin lag, hatte er in Frankfurt an der Oder etwa neuntausend Männer zusammengezogen. Inzwischen war die Zahl der Verteidiger dort allerdings fast so groß wie die der anrückenden Schweden.

***

Oberstleutnant Monro schritt entschlossen vor seinen Männern auf die Mauern von Frankfurt zu, von denen das schwedische Heer jetzt noch etwa einen Kilometer entfernt war. Es erfüllte den Schotten mit Stolz, dass er seine Landsleute in einer so kampfstarken Einheit anführen durfte. Er freute sich auf die kommenden Aufgaben und war überzeugt davon, dass sie ihrem König zum Sieg über den Kaiser verhelfen würden.

In den letzten Tagen hatte er oft daran gedacht, wie unterschiedlich die beiden Könige waren, für die er im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation gekämpft hatte. Während Christian IV. von Dänemark oft die Entschlossenheit gefehlt hatte, eine schnelle Entscheidung zu suchen, schien Gustav Adolf von Schweden nichts und niemand aufhalten zu können.

Der König ließ sein Heer in kompletter Schlachtaufstellung marschieren, um dem Feind so seine Entschlossenheit zu zeigen. Zusammen mit dem Regiment von Oberst Lumsden stand Oberstleutnant Monro im Zentrum der Brigade. Sir John Hepburn bildete den rechten Flügel, Oberst Starget den linken.

Als sie nur noch einen halben Kilometer von den Stadtmauern entfernt waren, wurde Monro klar, dass der Plan Gustav Adolfs, die Kaiserlichen aus Frankfurt herauszulocken und auf dem Feld davor zur Schlacht zu zwingen, fehlgeschlagen war. Offensichtlich fühlten sich die Kaiserlichen hinter ihren Mauern sicher und schienen abwarten zu wollen, was die Schweden weiter unternahmen.

Gustav Adolf, der selbst die Funktion des Generalmajors ausübte, stoppte sein Heer und ließ kleinere Gruppen von Musketieren einen Vormarsch machen. Die kaiserlichen Soldaten, die durch die in der Sonne glitzernden Helme auf der Stadtmauer zu erkennen waren, ließen sich aber auch hiervon nicht beeindrucken und verhielten sich ruhig.

Um den Feind zu täuschen, ließ Gustav Adolf den Großteil der Kavallerie hinter dem Heer über das Feld galoppieren. Die Kaiserlichen sollten denken, dass ihnen Tillys Hauptstreitmacht zu Hilfe kam und so aus der Stadt gelockt werden. Als auch dieses Manöver nicht den gewünschten Erfolg brachte, rief der König seine Brigadeführer zu sich, um ihnen die Befehle für den weiteren Angriff zu erteilen.

»Der König hat sich entschlossen, den Angriff mit aller Härte durchzuführen«, erklärte Sir John Hepburn, als er zu seinen Regimentsführern zurückkehrte. »Er ist fest entschlossen, den Kaiserlichen diese Bastion zu nehmen. Die gelbe und die blaue Brigade werden auf den Weinbergen vor der Stadt Stellung beziehen und den Feind unter Beschuss nehmen. Gleichzeitig wird Oberst Dargitz mit seiner weißen Brigade über die Vorstadt gegen das Haupttor ziehen und versuchen, es mit seinen Musketieren einzunehmen.«

»Welche Aufgabe haben wir?«, fragte Monro, der erwartet hatte, dass die Schotten wie gewohnt in vorderster Linie angreifen sollten.

»Wir gehen zum anderen Tor und versuchen, den Feind zu einem Ausfall zu zwingen. Gleichzeitig soll die Artillerie auf dem Friedhof davor in Stellung gebracht werden. Sollte es nicht gelingen, die Stadt einzunehmen, werden wir sie in Stücke schießen.«

Noch während Oberst Hepburn sich mit seinen Offizieren besprach, kam Bewegung in die schwedischen Streitkräfte, welche die Befehle des Königs sofort umsetzten und damit begannen, Schanzkörbe für die Kanonen auszuheben.

Monro führte seine Musketiere gegen das Stadttor, wo sie sofort vom Feind unter Beschuss genommen wurden. Ein Schrei direkt neben ihm ließ ihn herumfahren. Die blutige Wunde im Bein seines Leutnants, der direkt vor ihm getroffen zu Boden ging, stachelte den Zorn des Obersts an.

»Weicht nicht zurück«, rief er seinen Landsleuten zu. »Zeigt diesen Feiglingen, zu was ein schottischer Söldner imstande ist.«

Hinter dem Wall erklang schallendes Gelächter, und die Kaiserlichen verspotteten die Angreifer, indem sie eine Gans an einem Seil über die Brüstung der Mauer herabhängen ließen.

Von den Worten ihres Oberstleutnants und dem Hohn des Feindes angespornt, schossen die Musketiere Monros nun auf jede Bewegung, die sie auf dem Wall ausmachen konnten.

Nachdem die erste Salve abgefeuert war, machte der Feind plötzlich einen Ausbruch und fiel mit mehr als zweihundert Wachen über die schottischen Musketiere her. Monro sah, dass sich seine Männer nicht gegen die Übermacht verteidigen konnten und schickte ihnen eine weitere Kompanie aus dem Regiment zur Hilfe. In einem erbitterten Gefecht gelang es schließlich, den Widerstand zu brechen und die feindlichen Soldaten niederzumachen.

Unterdessen feuerten die Geschütze von Gustav Adolf aus verschiedenen Richtungen gegen die Stadtmauern und hüllten das Gelände in schwefligen Rauch. Die meisten der abgeschossenen Kanonenkugeln blieben aber in den hohen Erdwällen der gut befestigten Stadt stecken.

Die Gefechte dauerten bis zum Einbruch der Dunkelheit. Die Angreifer verschanzten sich vor der Stadt, während die Verteidiger sie daraus aus sicherer Deckung beobachteten.

***

»Männer, ich wünschte, ich könnte die schlechten Tage, die Ihr augenblicklich mit großer Geduld ertragt, von Euch nehmen und ich hoffe, dass bald bessere Tage kommen mögen«, rief Gustav Adolf am nächsten Morgen nach einem Gottesdienst, der anlässlich des Palmsonntags im Heerlager abgehalten wurde. Alle, die nicht in den Gräben vor der Stadt lagen und die Stellung gegen die Kaiserlichen hielten, waren gekommen, um an den Gebeten teilzunehmen. Nun befahl der schwedische König seinen Männern wieder, vor die Stadt zu ziehen und dort weitere Befehle abzuwarten.

Am Nachmittag kam Gustav Adolf zur grünen Brigade an das Gubener Tor und rief den deutschen Hauptmann Guntier, John Hepburn und Robert Monro zu sich. »Wir müssen über den Erdwall zum Hauptverteidigungsring der Stadt gelangen«, sagte Seine Majestät entschlossen und wandte sich an Guntier. »Legt Euren leichten Harnisch an, nehmt zwölf gute Burschen mit Euch und erklimmt den Wall. Schaut nach, ob wir unsere Männer zwischen dem äußeren Befestigungswall und der inneren Stadtmauer in Stellung bringen können. Unsere Geschütze werden Euch Deckung geben.«

»Ist es nicht ratsam, wenn auch wir unsere sichere Rüstung ablegen, um beweglicher zu werden?«, fragte Oberst Hepburn.

»Nein«, entgegnete der König entschieden. »Was nutzt es mir, die fähigsten Offiziere in meinem Regiment zu haben, die das Reich je gesehen hat, wenn sie ihr Leben aufs Spiel setzen und sich vom Feind erschießen lassen.«

Kaum hatte der König die Schotten verlassen, um weitere Befehle an seine Truppen zu verteilen, krachten die Geschütze los und schleuderten eine Wolke aus Blei, Eisen und Messing gegen den Wall, der von dichtem Rauch und Staub eingehüllt wurde. Hauptmann Guntier nutzte die Deckung und zog los, um seinen Auftrag zu erfüllen.

Sir Hepburn und Robert Monro beobachteten die kleine Truppe, bis sie aus ihrem Sichtfeld verschwunden war und warteten gespannt auf ihre Rückkehr.

»Wir werden diese Stadt für Gustav Adolf einnehmen«, sagte der Oberst der grünen Brigade entschlossen zu seinem langjährigen Freund Monro. Die beiden kannten sich bereits aus Schottland. In den vergangenen Jahren hatten sich ihre Wege immer wieder gekreuzt.

»Das werden wir. Und es wird nicht die letzte Stadt sein, die wir erfolgreich erobern.«

»Wir dürfen diesen Graf von Tilly allerdings niemals unterschätzen«, sagte Hepburn. »Äußerlich mag er wirken wie ein gebrechlicher Greis. Sein Verstand ist aber noch immer scharf wie unsere Klingen.«

»Das mag sein«, stimmte Monro seinem Freund zu. »Aber auch Tilly sollte sich vorsehen. Er wird die Entschlossenheit Gustav Adolfs unterschätzen und deshalb selbst zu Fall kommen.«

»Du scheinst dir da sehr sicher.«

»Ich habe bereits unter Christian IV. von Dänemark gegen seine Truppen gekämpft. Mit dem schwedischen König an der Spitze hätten wir ihn bereits damals besiegt.«

»Guntier kehrt zurück«, sagte Sir Hepburn und deutete auf den Offizier, der mit hastigen Schritten zu ihnen geeilt kam.

»Die Verteidiger haben sich zum Großteil hinter die innere Stadtmauer zurückgezogen«, meldete der Hauptmann stolz, den gefährlichen Auftrag erfolgreich ausgeführt zu haben.

»Dann werden wir jetzt angreifen«, entschied Oberst Hepburn entschlossen. Er schickte einen Boten zu Gustav Adolf, um eine weitere Geschützsalve auf die Palisaden an der Ausfallpforte zwischen den beiden Wällen zu erbitten. Als diese kam, führte er seine Männer auf das Tor zu, um es zu stürmen.

Oberst Hepburn und Oberst Lumsden führten Petarden mit sich und zündeten das Schwarzpulver darin kurz vor den Toren an, um das Eisen aufzusprengen. Die Musketiere standen bereit und würden das Feuer eröffnen, sobald sich der Feind hinter dem Tor zeigte. Sofort, als diese Barriere explodiert war, erwiderten die eingeschlossenen Österreicher und Iren den Beschuss und empfingen die Schotten mit einer Wolke aus Kugeln.

»Ich bin getroffen«, schrie Sir Hepburn auf. Einer seiner Majore wollte ihm zu Hilfe eilen, wurde aber durch einen Schuss in den Bauch gestoppt.

»Wie schlimm ist es?«, fragte Monro und schaute seinen Oberst besorgt an.

»Es wird gehen. Kümmere du dich nicht um mich und führe unsere Männer zum Sieg.«

Gemeinsam mit Oberst Lumsden rückte Robert Monro nun weiter mit Pike und Muskete auf das Tor zu. So gelang es der grünen Brigade, den Feind von der Ausfallpforte weg und hinter den inneren Wall zu treiben. Der Oberstleutnant konnte später nicht mehr sagen, warum die Verteidiger die schweren Eisengitter vor den Toren nicht heruntergelassen hatten. Aus irgendeinem Grund taten sie es nicht und ließen den nachrückenden Schotten den Weg offen. Dies nutzten die Angreifer eiskalt aus und drangen weiter vor.

Wie ein Schwarm Ameisen strömten die Söldner im Dienst des schwedischen Königs nun in die Stadt Frankfurt. Sie stellten sich in Formation auf und griffen ihre Feinde mit Piken an, während sie seitlich von den Musketieren geschützt wurden. Damit zerbrachen sie die Ordnung der Kaiserlichen völlig, die nun nicht mehr in der Lage waren, sich gegen die Übermacht zu wehren. Die Schotten erschlugen die Soldaten an den Kanonen, drehten die Geschütze der Kaiserlichen um und richteten diese nun gegen sie selbst.

»Quartier! Quartier!«, schrien die Österreicher und signalisierten damit, dass sie sich dem Feind ergeben wollten.

Davon wollte Robert Monro aber nichts wissen. Zu stark war sein Hass auf den Feind in den vergangenen Tagen und Wochen angewachsen. »Neu-Brandenburg«, hielt er den Österreichern entgegen und stachelte gleichzeitig seine Männer weiter an. »Erinnert Euch an Neu-Brandenburg.«

Jetzt war die schottische Brigade durch nichts mehr aufzuhalten. Die Männer stürmten in die Straßen der Stadt und schlugen alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte. Die Bürger Frankfurts waren schlau genug, den Kämpfen aus dem Weg zu gehen und sich in ihren Häusern zu verstecken.

Die Schreie, die von der anderen Seite der Stadt zu Monro herüberschallten, zeigten ihm, dass die Angriffe des Schwedenkönigs auch an weiteren Stellen Erfolg gehabt haben mussten. Damit war die Stadt fest in Gustav Adolfs Hand.

Er hörte, wie die Verteidiger die Trommeln schlugen und zu Verhandlungen aufforderten, ignorierte dieses aber genauso wie alle anderen Offiziere im Dienste der Schweden. Die Offiziere Ferdinands II. führten ihre verbliebenen Regimenter nun über eine Brücke über die Oder, die Frankfurt in zwei Hälften teilte, und ergriffen die Flucht.

Mittlerweile richtete sich der Zorn der Söldner gegen die wenigen überlebenden Bürger der Stadt. Monro befahl den Männern Einhalt, konnte die nachfolgenden Plünderungen aber nicht vermeiden. Nur die Söldner seines eigenen Regimentes blieben bei ihm, um die erbeuteten Waffen und Geschütze zu bewachen.

***

Das Rauben und Plündern der siegreichen Angreifer hielt bis zum nächsten Tag an. Erst dann machte Gustav II. Adolf dem Grauen ein Ende und ordnete an, dass alle erbeuteten Waffen und Lebensmittel zusammengetragen wurden.

Oberst Sir John Hepburn ließ es sich trotz seiner Verwundung und einem dicken Verband über dem rechten Knie nicht nehmen, seine Brigade von einem Pferd aus zu befehligen und persönlich dafür Sorge zu tragen, dass den Anweisungen des Königs Folge geleistet wurde.

Eine Zählung ergab, dass sie fast fünfzig Fahnen des Feindes erbeutet hatten. Während sie selbst weniger als eintausend Männer verloren hatten, waren auf Seiten der Kaiserlichen über dreitausend gefallen. Überall in der Stadt lagen die Toten beider Lager auf der Straße.

Als Monro sich die Kaiserlichen näher betrachtete, stellte er fest, dass Graf Johann von Tilly hauptsächlich seine älteren Söldner in Frankfurt an der Oder postiert hatte. Ihre Rüstungen hatte schon lange Rost angesetzt, ihre Haare waren grau und die Gesichter vernarbt. Er verwehrte den Toten seine Achtung nicht. Sie hatten aufopferungsvoll gekämpft und waren als stolze Soldaten im Dienste von Kaiser Ferdinand II. gefallen.

Noch am selben Tag setzte Gustav Adolf den schottischen Generalmajor Leslie als Statthalter von Frankfurt ein und übertrug ihm eine starke Garnison, mit der er die Stadt säubern und die Festung instand setzen sollte. Die vielen Toten wurden zu jeweils einhundert in mehreren Gruben beigesetzt. Dennoch sollte es sechs Tage dauern, bis alle Leichen beerdigt waren.

Zu diesem Zeitpunkt waren Oberst Sir John Hepburn und sein Oberstleutnant Robert Monro aber bereits mit der grünen Brigade auf dem Weg nach Landsberg an der Warthe, der nächsten Stadt, die König Gustav Adolf von Schweden auf seinem Feldzug einzunehmen gedachte.

***

Trotz seiner Verletzung, die ihm große Mühe bereitete, auf dem Pferd zu sitzen, ließ es sich Hepburn auch jetzt nicht nehmen, seine Einheiten persönlich nach Landsberg zu führen. Dabei erklärte er Monro zu seinem Vertreter.

Die an der Warthe gelegene Stadt war ein strategisch wichtiges Ziel für den schwedischen König, der bereits zwei Mal versucht hatte, Landsberg einzunehmen. Mit der Besetzung wollte er Pommern sichern und die Mark überwachen. Außerdem stellte sie einen wichtigen Schlüssel nach Schlesien dar.

Die Kaiserlichen hatten die Stadt gut gesichert und das Landvolk gezwungen, bei den Arbeiten zu helfen. Es gab hier mehrere Werkstätten, in denen Waffen aus Eisen hergestellt wurden. Ein weiterer Grund, warum Gustav Adolf Landsberg unbedingt einnehmen wollte.

Die Stadt wurde bereits von Marschall Horn und seiner Kavallerie blockiert. Es waren rund fünftausend Kaiserliche darin eingeschlossen. Der schwedische König führte nun viertausend Söldner dorthin, um die Truppen seines Marschalls zu verstärken.

Oberst Hepburn trieb die Vorhut zur Eile und legte innerhalb von zwei Tagen mehr als siebzig Kilometer zurück. Sie waren nicht mehr weit von der Stadt entfernt, als sie plötzlich von einem kroatischen Regiment im Dienste der Kaiserlichen angegriffen wurden.

Die schottischen Offiziere brachten ihre Musketiere sofort in Stellung und ließen den Beschuss eröffnen, bevor die Kroaten sie erreicht hatten. Robert Monro kannte solche Einheiten noch aus seiner Zeit, als er unter König Christian von Dänemark auf deutschem Boden gekämpft hatte. Raubgut war ihre einzige Bezahlung und der alleinige Antrieb zum Krieg.

Dabei waren sie unberechenbar und unbarmherzig. Sie trugen kurze Wamse unter stählernen Harnischen, die den Oberkörper schützen sollten. Dazu weiße Reiterhosen und Pelzmützen. Leider musste Monro ihnen zugestehen, dass sie nicht umsonst als wahre Künstler der Reiterei bezeichnet wurden. Selten hatte er eine effektivere Kavallerie gesehen als die kroatischen Einheiten.

Die Kaiserlichen, die mit gestreckten Säbeln und gezogenen Pistolen auf die schottische grüne Brigade zustürmten, mussten die erste Salve voll nehmen. Dann schafften es aber auch die Angreifer, die Deckung des Geländes auszunutzen und erwiderten den Beschuss.

»Macht sie nieder bis zum letzten Mann«, rief Monro seinen Landsleuten zu und schoss auf einen der Feinde, der lebensmüde genug war, mit einem Dolch auf ihn vorzustürmen. Die Kugel erwischte den Mann über dem rechten Auge und brachte ihn kurz vor dem Oberstleutnant zu Fall.

Während er seine Muskete nachlud, beobachtete Monro, wie die Söldner auf beiden Seiten von den Kugeln niedergestreckt wurden. Durch das anhaltende Krachen konnte er seine eigenen Worte kaum verstehen und hatte so keine Möglichkeit, sich mit seinem Oberst zu verständigen.

Plötzlich ging lautes Triumphgeschrei durch die Reihen der schottischen Söldner. »Wir haben den Anführer dieser Schweinehunde erwischt«, rief Monros Leutnant.

Ihres Obersten beraubt, erlosch der Kampfeswille der Kroaten und sie zogen sich langsam in Richtung Stadt zurück. Dabei hielten sie das Feuer gegen die Schotten aufrecht, die ihnen deshalb nicht so schnell genug folgen konnten, um den Feind endgültig zu vernichten. Die verbliebenen Männer des kaiserlichen Regimentes schafften es, in den sicheren Schutz der Stadt zu gelangen und fanden dabei noch die Zeit, die Brücken über der Warthe in Brand zu stecken.

Die Schotten erreichten Landsberg und vereinigten sich mit den Truppen von Marschall Horn und der Streitmacht von Gustav Adolf. Dort wurden sie sofort von den Geschützen auf einer Schanze beschossen, die direkt vor der Stadt lag und von einem mit reißendem Wasser gefüllten Graben geschützt war.

»Oberstleutnant Monro«, befahl der schwedische König seinen Offizier zu sich. »Beginnt mit Euren Männern damit, unsere Batteriestellungen aufzuwerfen und Gräben gegen die Schanze zu ziehen. Ich verlange, dass diese Festung bis morgen Mittag eingenommen ist.«

»Selbstverständlich, Eure Majestät«, antwortete Monro und begann sofort damit, die Befehle Gustav Adolfs in die Tat umzusetzen, während der sich mit seinen Kompanien in ein nahegelegenes Dorf zurückzog. Der König ließ zwei Reiter bei seinem Oberstleutnant zurück, damit der ihn schnell über einen möglichen Ausbruch des Feindes unterrichten konnte.

Die ganze Nacht hindurch beaufsichtigte Monro die einzelnen Abteilungen seiner Männer beim Graben und spornte sie an, alles in ihrer Kraft Stehende zu tun. Allerdings musste er sich selbst gegenüber schnell eingestehen, dass seine Männer für diese Art von Arbeit bei Weitem nicht so geeignet waren wie die deutschen Kameraden, deren Fleiß beim Errichten von Schanzen und Gräben seinesgleichen suchte. Der Kampfesmut seiner Schotten dagegen war im ganzen Reich nicht zu überbieten. Das hatten sie bereits mehrfach hinreichend bewiesen.

Immer wieder wurden die Arbeiten durch Alarmmeldungen von Trompetern und Trommlern unterbrochen, die sich aber nicht ein einziges Mal bestätigten.

»Was haben Eure Männer die ganze Nacht getrieben?«, fauchte Gustav Adolf, als er den Fortgang der Arbeiten am nächsten Morgen kontrollierte. »Wie lange soll es noch dauern, ein paar Gräben auszuheben? Ich bin gekommen, um den Angriff auf die Stadt zu führen und muss nun erkennen, dass Eure Leute davon noch sehr weit entfernt sind.«

»Verzeiht, Eure Majestät«, erwiderte Monro und schluckte seinen Ärger hinunter. »Der Boden ist steinig, und mit den geringen Hilfsmitteln war es den Männern nicht möglich, schneller zu graben.«

»Erspart mir Eure Ausreden«, entgegnete der König zornig. »Ihr wisst, wie wichtig es für meine weiteren Pläne ist, dass wir Landsberg schnell einnehmen.«

»Und das wird auch geschehen«, versicherte Monro entschlossen. »In weniger als zwei Stunden werden die Geschütze bereit sein.«

»Ich vertraue darauf«, sagte der König nun wieder deutlich freundlicher. »Ich weiß ja, dass ich mich auf meine Schotten verlassen kann.«

Monro nickte nur. Er kannte die Stimmungsschwankungen Gustav Adolfs und wusste, wie ungeduldig er manchmal sein konnte, wenn es darum ging, seine Ziele zu erreichen. Dennoch hätte sich der Oberstleutnant keinen besseren Feldherrn vorstellen können als den schwedischen König. Er würde, ohne zu zögern, für ihn in den Tod gehen.

Dieses Mal gelang es Robert Monro, das Versprechen gegenüber dem König einzuhalten. Genau zur angegebenen Zeit donnerten die Kanonen los und nahmen die Schanze unter Beschuss. Seine Männer lagen eingegraben bereit, um einen Ausfall der Kaiserlichen mit ihren Musketen zu beenden. Marschall Horn und Sir John Hepburn lagen auf den sich gegenüberliegenden Seiten der Stadt links und rechts von der Schanze bereit, um dem Feind auch diesen Weg zu versperren.

Den ganzen Tag über feuerten die Geschütze nun, was die Rohre hergaben, ohne zu verglühen, gegen Schanze und Stadt. Die starken Befestigungen hielten dem Ansturm jedoch stand. Gegen Abend ließ Gustav Adolf das Feuer einstellen und zog sich zurück, um einen Schlachtplan zu erstellen, wie er am nächsten Tag in die Stadt vorrücken konnte.

***

»Seid leise und passt auf, dass ihr nicht auf den Planken ausrutscht«, wies Monro seine Männer an, während er selbst auf dem wackeligen Untergrund vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzte.

Ein Grobschmied aus dem Ort, in dem Gustav Adolf die Nacht verbrachte, hatte dem schwedischen König den Standort eines Zuganges in die Stadt verraten. Dieser wurde vom Fluss, dessen morastige Ufer auf beiden Seiten ein Durchdringen des Wassers unmöglich machte, geschützt. Die Söldner hatten deshalb den Tag genutzt, eine Pontonbrücke zu errichten und diese bei Einbruch der Nacht in Stellung gebracht.

Monro und Oberstleutnant Taupadel hatten nun den Auftrag, mit jeweils zweihundertfünfzig Musketieren in die Stadt einzudringen. Sollte dies gelingen, würde Sir John Hepburn mit weiteren eintausend Mann nachrücken.

Als es gelungen war, die Brücke zu überqueren, ohne dabei bemerkt zu werden und auch nur einen einzigen Mann zu verlieren, atmete Monro kurz auf. Sekunden später sahen sich die Schotten aber einer kaiserlichen Truppe von mehr als dreihundert Männern gegenüber.

Beide Seiten nutzten die Deckung der Häuser und richteten ihre Musketen gegen den Feind. Dabei gelang es den Schotten zunächst, den Überraschungsmoment zu nutzen und Dutzende ihrer Feinde niederzustrecken. Nachdem die Waffen leergeschossen waren, rückten die Truppen mit Piken gegeneinander vor.

Monro und Taupadel führten ihre Männer gegen die kaiserlichen Wachen und streckten sie in einem erbitterten Kampf nieder. Dann standen ihnen die Straßen der Stadt offen.

Hinter den Truppen der beiden Oberstleutnants führte Hepburn nun sein Regiment von der Stadt aus in Richtung Schanze. Die eingeschlossenen Kaiserlichen konnten ihre fest verankerten Geschütze nicht nutzen, weil der Feind aus ihrem Rücken kam. So dauerte es nur wenige Minuten, bis die Verteidiger überwältigt wurden.

Auch Marschall Holm gelang an der anderen Seite der Stadt, die nicht so stark befestigt war, nun der Durchbruch. Als Monro die Trommler der Kaiserlichen hörte, die um Verhandlungen baten, wusste er, dass Landsberg eingenommen worden war. Graf von Gratz, der Oberkommandeur der Kaiserlichen in der Stadt, ließ sich von Monro und Taupadel die Augen verbinden und zum König von Schweden führen.

»Wir werden Euch in Ehren aus der Stadt abziehen lassen, wenn Ihr versprecht, die von uns besetzten Gebiete zu meiden und nach Glogau zu gehen.«

»Wir übergeben Euch die Stadt und werden sie im Morgengrauen verlassen«, antwortete von Gratz und verbeugte sich vor dem schwedischen Monarchen.

Nachdem er den Raum verlassen hatte, wandte sich Gustav Adolf seinen Offizieren zu. »Wie so oft habt Ihr mir heute großartige Dienste erwiesen«, sagte der König. »Ich wusste, dass ich mich auf meine schottischen Freunde verlassen konnte, und werde nicht vergessen, dass es Euer Verdienst war, dass Landsberg so schnell an uns gefallen ist. Ehre und Anerkennung seien Euch gewiss.«

Nachdem Graf von Gratz am nächsten Morgen mit seinen verbliebenen Männern abgezogen war und König Gustav Adolf die Stadt mit einer Garnison besetzt hatte, brach er mit seinem Regiment und der grünen Brigade auf, um nach Frankfurt an der Oder zurückzukehren, wo sich die Soldaten ein paar Tage lang erholen sollten.

Der Löwe aus Mitternacht. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Band 5

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