Читать книгу Der Löwe aus Mitternacht. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Band 5 - Jörg Olbrich - Страница 14

Halberstadt, 2. Juli 1631

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»Willst du wirklich schon wieder in die Schlacht ziehen?«, fragte Anna Hagendorf und sah ihren Gemahl besorgt an. »Es ist gerade einmal sieben Wochen her, dass man dich mehr tot als lebendig aus den Straßen Magdeburgs gezogen hat.«

»Es geht mir gut, meine Liebe«, antwortete Peter. »Ich habe mich in den vergangenen Tagen gut erholt. Das verdanke ich alleine dir.« Der Gefreite wollte nach Anna greifen und sie zu sich ziehen, doch die wich ihm geschickt aus. Damit machte sie ihm unmissverständlich klar, dass sie die Absicht hatte, dieses Gespräch zu Ende zu führen. Und das nicht irgendwann, sondern jetzt auf der Stelle.

»Du siehst aber noch immer sehr geschwächt aus«, sagte Anna. »Ich glaube dir nicht, dass du wieder in der Lage bist, dein Schwert genauso gut zu führen wie vor deiner Verwundung.«

»Mach dir keine Sorgen. Zunächst einmal wird sich das Heer in der Gegend um Tangermünde versammeln. Es dauert sicher noch einige Zeit, bis ich wieder Kontakt zum Feind haben werde. Bis dahin bin ich wieder ganz der Alte.«

»Ich hoffe es«, sagte Anna, blieb aber weiter skeptisch.

In den vergangenen Wochen hatte Peter sich zunächst nur sehr langsam von den schweren Verwundungen erholt, war inzwischen aber fast frei von Schmerzen. Lediglich wenn er mit seinen Armen größere Kraft aufwenden musste, spürte er noch ein Stechen in der Schulter. Das versuchte er, so gut es ging, vor seiner Frau zu verbergen.

Graf von Tilly hatte dafür gesorgt, dass seine verwundeten Soldaten ein gutes Quartier bekamen und es ihnen an nichts fehlte. Im Gegenzug erwartete er die Rückkehr seiner Männer, sobald es ihnen möglich war. Peter fühlte sich dem General gegenüber verpflichtet. Genau wie die anderen Soldaten, die nun darauf warteten, zum Heer zurückkehren zu können.

»Wir können es uns nicht leisten, länger in Halberstadt zu bleiben«, sagte Peter, der selbst nichts dagegen gehabt hätte, sich noch ein paar Wochen erholen zu können. »Unsere letzten Münzen sind so gut wie aufgebraucht. Hier verdienen wir kein Geld.«

»Das weiß ich.« Anna hatte keine große Hoffnung, dass ihr Mann schnell seinen ersten Sold bekam, wenn er wieder bei der Armee war. Auch vor Magdeburg hatten die Söldner auf ihre Bezahlung warten müssen. Darüber wollte sie jetzt aber nicht mit Peter streiten. Sie war froh, dass es ihm besser ging. Die Rückkehr zum normalen Söldnerleben würde seiner weiteren Genesung guttun.

Anna hoffte darauf, wieder eine Anstellung bei einem der Köche im Tross zu finden. Genau wie ihrem Mann war es ihr schwergefallen zu akzeptieren, dass auch Elisabeth gestorben war. Weil sie sich aber jetzt um niemanden würde kümmern müssen, konnte sie im Tross arbeiten und ihr gemeinsames Einkommen erhöhen. Peter brauchte bald neue Ausrüstung und auch ein Pferd. Beides war teuer und schien im Augenblick unerreichbar zu sein.

Gemeinsam mit einer Gruppe von rund drei Dutzend weiteren Soldaten und ihren Familien standen Anna und Peter vor dem Dorf, in dem sie die vergangenen Wochen verbracht hatten und warteten auf den Tross, mit dem sie zur Streitmacht des Grafen von Tilly ziehen sollten. Später hoffte Peter, dann wieder in die Regimenter von Gottfried Heinrich zu Pappenheim zurückkehren zu können.

»Sie kommen«, sagte er nach einer Weile und deutete auf eine Staubwolke, die sich dem Ort langsam näherte.

Anna merkte ihrem Gemahl seine Unruhe an. Er war es nicht gewohnt, längere Zeit am gleichen Ort zu sein und nichts zu tun zu haben. Selbst in den Winterquartieren hatte er immer eine Arbeit gefunden. Auch wenn sie befürchtete, dass sich Peter zu früh zu viel zumuten würde, sah sie ein, dass er wieder zurück in das Heerlager musste. Als Gefreiter konnte er dort die schwierigsten Arbeiten von seinen Männern erledigen lassen. Zumindest solange er nicht an einer Belagerung teilnahm und Laufgräben ausheben musste. Anna hoffte, dass sich ihr Mann bis dahin vollständig von seiner Verwundung erholt haben würde.

Schließlich war der Zug herangekommen, und die Soldaten bekamen vom Oberst den Befehl, sich im Regiment einzugliedern. Die Frauen und Kinder schlossen sich dem Tross an. Nachdem die Männer an einem Bach ihre Wasservorräte aufgefüllt hatten, wurde der Befehl zum Weitermarsch gegeben. Nun befanden sich Anna und Peter Hagendorf wieder im Krieg.

***

Es tat Peter gut, sich wieder bewegen zu können und mit dem Heer unterwegs zu sein. Er hatte in den vergangenen Wochen so viel gelegen, dass er jetzt das Gefühl hatte, seine Gelenke seien völlig eingerostet. Er musste allerdings auch zugeben, dass ihn der Marsch an seine körperlichen Grenzen brachte. Besonders an den ersten Tagen konnte er sich abends vor Schmerzen kaum rühren. Der Gefreite versuchte, sich seine Schwäche nicht anmerken zu lassen, was ihm aber zumindest Anna gegenüber nicht gelang.

Wenn sie sich zur Nacht auf ihr schnell eingerichtetes Lager zurückzogen, machte Anna es ihrem Gemahl so bequem, wie es unter freiem Himmel möglich war. Während Peter meistens so müde war, dass er sofort einschlief, lag sie noch lange wach und dachte über die ungewisse Zukunft nach. Wohin würde sie dieser Krieg noch führen?

Es schien jeden Tag wärmer zu werden, und bereits am Mittag lief den Soldaten der Schweiß aus den Poren. Trotzdem waren alle froh darüber, dass es zumindest trocken war. Regen hätte ihnen gerade in den Nächten deutlich mehr zugesetzt.

Viele der Soldaten, die nach der Einnahme Magdeburgs in die Nähe von Halberstadt gebracht worden waren, hatten sich noch nicht vollständig von ihren Verletzungen erholt. Peter hörte aber nie, dass sich einer von ihnen beklagte.

Einen Tagesmarsch von ihrem Ziel in der Altmark entfernt hörte Peter plötzlich Schreie an der Spitze des Zuges. Kurz darauf fielen Musketenschüsse.

»Wir werden angegriffen«, stellte einer der Männer hinter ihm fest.

»Die Frage ist nur, von wem?«, gab der Gefreite zurück. Obwohl sie in einem Gebiet unterwegs waren, das derzeit von den Kaiserlichen beherrscht wurde, mussten die Soldaten jederzeit mit einem Angriff rechnen und waren deshalb auf der Hut. Das schwedische Heer befand sich allerdings weit von ihrem Standpunkt entfernt. Peter glaubte nicht, dass sich eines ihrer Regimenter so weit in das von den Kaiserlichen besetzte Gebiet vorgewagt hatte. Er vermutete eher, dass es sich um eine Gruppe Bauern oder Räuber handelte, die auf leichte Beute hofften.

Seit der fast vollständigen Vernichtung Magdeburgs wurden die Kaiserlichen vom protestantischen Landvolk noch mehr gehasst als zuvor. Viele hatten fast ihr ganzes Hab und Gut verloren. Es war durchaus möglich, dass sie sich nun einen Teil davon von den Soldaten zurückholen wollten. Die Gruppe der Kaiserlichen, die sich auf dem Weg in die Altmark befand, bestand aus weniger als fünfhundert Söldnern. Peter war aber zuversichtlich, dass sie selbst einer doppelten Zahl von Angreifern gegenüber überlegen sein würden.

Genau wie die Soldaten um ihn herum hatte er inzwischen seine Muskete schussbereit und suchte das Gelände mit den Augen nach dem Feind ab. Zunächst konnte er nur an einer Staubwolke erkennen, woher der Angriff kam. Dann brach plötzlich eine Meute Reiter aus einem nahegelegenen Wald.

An ihren Fahnen erkannte Peter, dass es sich tatsächlich um ein Regiment der schwedischen Kavallerie handelte. Die Kaiserlichen richteten ihre Musketen auf die Reiter, die den Feind ihrerseits mit Pistolen beschossen. Nachdem die ersten Salven auf beiden Seiten ausgetauscht worden waren, schwenkten die Schweden um und galoppierten zurück in den Wald.

Grimmig schaute Peter auf die Kameraden, die bei dem kurzen Angriff gefallen waren. Er beeilte sich damit, seine Waffe nachzuladen. Er war gerade rechtzeitig fertig, als die Schweden ihren zweiten Angriff ritten. Drei weitere Male stürmten die feindlichen Reiter auf die Kaiserlichen zu und zogen sich sofort zurück, nachdem sie die Pistolen abgefeuert hatten. Aus dem dichten Rauchnebel heraus hörte der Gefreite die Schreie der Verwundeten.

Es dauerte über eine Stunde, bis sich die Reihen der Kaiserlichen wieder halbwegs geordnet hatten. Die Frauen aus dem Tross kümmerten sich um die Verwundeten. Die Söldner trugen die Leichen ihrer Kameraden zusammen und verbrannten die Toten, weil der Boden zu trocken war, um eine ausreichende Anzahl an Gräbern zu schaffen, bevor die Nacht hereinbrach.

Mit ihren schnell geführten Angriffen hatten die Schweden etwa einhundert kaiserliche Soldaten niedergestreckt, dabei allerdings auch selbst etwa halb so viele Reiter verloren.

Als sie weiterzogen, wurde der Tross am Anfang und Ende mit Musketieren geschützt, die ihre Waffen schussbereit hielten. Die entschlossenen Gesichter der Soldaten zeigten, dass sie darauf hofften, dass die Schweden zurückkehrten und sie die Reiter für ihren heimtückischen Angriff bestrafen konnten.

Der Löwe aus Mitternacht. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Band 5

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