Читать книгу Der Löwe aus Mitternacht. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Band 5 - Jörg Olbrich - Страница 3

Usedom, 6. Juli 1630

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Stolz stand König Gustav Adolf von Schweden auf der Planke, die von seinem Beiboot zum Peenemünder Sandstrand ausgelegt war. Die Feder auf seinem Hut flatterte im Sommerwind. Er nahm sich einen kurzen Moment Zeit, beschattete die Augen mit der Hand und schaute ins Landesinnere. Dann schritt er weiter und ging auf die Knie, kaum dass er festen Boden unter den Füßen erreicht hatte.

»Lieber Herrgott im Himmel«, rief er so laut, dass es auch die Männer in den anderen Booten hören konnten. »Gib uns die Kraft, unsere Mission in deinem Namen zu erfüllen. Du bist mein Zeuge, dass ich diesen Zug nicht zu meiner, sondern einzig und allein zu deiner Ehre und zum Trost und Beistand deiner bedrängten Kirche unternommen habe.«

Sir John Hepburn saß in einem der vorderen Boote und brannte darauf, den Strand ebenfalls endlich betreten zu dürfen. Der Schotte beobachtete, wie der König etwa hundert Meter vom Wasser wegging, von einem Gehilfen einen Spaten entgegennahm und ihn fest in den sandigen Boden stach. Dann schaufelte Gustav Adolf eine kleine Grube und wandte sich um zu seinen Männern, die inzwischen an Land gekommen waren.

»Hier werden wir unser Lager aufschlagen.«

Mit einem Lächeln verließ jetzt auch Sir Hepburn das Boot. Er diente dem König von Schweden bereits seit vier Jahren und hatte Gustav Adolf schon auf seinem Feldzug in Polen begleitet. Gleiches würde der schottische Oberst nun auf deutschem Boden tun. Das Heer war gekommen, um der Schreckensherrschaft von Kaiser Ferdinand II. ein Ende zu bereiten.

Mit etwa zweihundert kleineren Schiffen war die Hauptstreitmacht des Königs von Elfsnaben in Schweden aufgebrochen und an die deutsche Küste gesegelt. An Bord waren rund tausend Offiziere und zwölftausend Söldner. Vor zwei Tagen waren sie an der Insel Usedom angekommen und hatten das Land nun endlich bei Peenemünde betreten.

»Ich hatte damit gerechnet, dass uns die Kaiserlichen hier mit einem Heer empfangen«, sagte Sir Hepburn später, als er mit Seiner Majestät alleine im Hauptzelt des Königs stand und die Karten betrachtete.

»Sie werden nicht weit entfernt sein«, antwortete der König. »Wir haben einen günstigen Zeitpunkt für die Landung im Heiligen Römischen Reich gewählt. Axel Oxenstierna hat mir berichtet, dass sich der Kaiser auf dem Kurfürstentag in Regensburg aufhält.«

»Befindet sich der Reichskanzler noch in Preußen?«, fragte Sir Hepburn.

»Er verweilt noch in Elbing, ja. Trotzdem ist er über die Geschehnisse im Reich bestens informiert. Er schrieb mir auch, dass die Stimmen gegen General Albrecht von Wallenstein immer lauter werden. Die Fürsten fürchten ihn und lehnen sich dagegen auf, dass der Feldherr mit zu viel Macht ausgestattet wurde. Es kann uns zum Vorteil gereichen, wenn das kaiserliche Heer gespalten wird.«

»Unterschätzt den Grafen von Tilly nicht, Eure Majestät«, warnte der Oberst. »Er mag alt geworden sein, ist aber immer noch ein ernst zu nehmender Gegner, der über große Erfahrungen verfügt.«

»Wir werden das Land überrennen«, entgegnete Gustav Adolf und wischte Sir Hepburns Einwand mit einer Handbewegung weg. Dann schlug er mit der Faust auf den Tisch. »Es wird nicht lange dauern, bis wir die protestantischen Kurfürsten für die gemeinsame Sache gewonnen haben. Dann werden wir das Volk befreien und den Kaiser vom Thron stoßen.«

Sir Hepburn konnte die Sorglosigkeit seines Dienstgebers nicht teilen, behielt die Einwände aber für sich. Es war nicht ratsam, dem König zu widersprechen, wenn er sich erst einmal in Rage geredet hatte.

»Wie gehen wir weiter vor?«, fragte der Oberst stattdessen.

»Ihr werdet dafür Sorge tragen, dass unsere Truppen schnell an Land gebracht werden«, befahl Gustav Adolf. »In der Zwischenzeit werde ich den Ausbau der Schanze überwachen. Wir brauchen den Stützpunkt an der Küste. Von hier aus werden wir unseren Siegeszug beginnen.«

Direkt an der Mündung der Ostsee in den Peenestrom hatte Albrecht von Wallenstein zwei Jahre zuvor eine Schanze auswerfen lassen, die inzwischen von den Kaiserlichen verlassen worden war. Nun plante Gustav Adolf, diese in eine Festung zu verwandeln.

Der schottische Oberst wusste, dass der König diesen Worten Taten folgen lassen würde. Zunächst galt es aber, das Heer zu sammeln. Es waren noch weitere Truppen auf dem Weg zur Küste. Sir Hepburn dachte an Oberst Mackay und seinen Freund Oberstleutnant Robert Monro, die mit ihrem Regiment ebenfalls vor Peenemünde ankommen sollten. Es würden vor allem die schottischen Truppen sein, die dem Schwedenkönig den Sieg brachten.

***

Es dauerte fast zwei Tage, bis die kompletten Streitmächte Gustav Adolfs an Land gegangen waren. Eines der Boote wurde von einer Welle getroffen, lief voller Wasser und schlug um. Zwei Soldaten ertranken. Die anderen schafften es mit letzter Kraft, an das rettende Ufer zu schwimmen.

In der Zwischenzeit wurden die Bauern aus Peenemünde herangezogen, um die Schanze auszubauen. Zunächst zeigten sie sich störrisch. Als sie aber merkten, dass sie von den Schweden nichts zu befürchten hatten und von ihnen gut behandelt wurden, legten sie sich ins Zeug, um die Arbeiten schnell abzuschließen. Der König wollte die Festung uneinnehmbar machen und ließ Kasematten und feste Ziegelsteinbauten errichten.

Während die Arbeiten noch in vollem Gange waren, kommandierte Gustav Adolf eine Kompanie ab, die den Feind in Wolgast beobachten sollte. Er selbst zog den Strand entlang nach Wollin und nahm die Stadt ohne größere Gegenwehr ein.

Die schwedischen Soldaten erweiterten das vom König gesicherte Gebiet ständig. Abgesehen von kleineren Scharmützeln ergab sich das Landvolk seinem Willen. Gustav Adolf zahlte den Bauern einen angemessenen Preis für die Verpflegung seiner Truppen, und es sprach sich schnell herum, dass der Eroberer aus dem Norden nichts Böses gegen die Bevölkerung im Schilde führte.

Gustav Adolf brauchte Bündnisse mit den protestantischen Fürsten des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation. Ohne diese hätte er das ganze Land gegen sich, und sein Heer wäre schnell aufgerieben. Als Erstes wollte er einen Vertrag mit Herzog Bogislaw XIV. von Pommern-Stettin schließen. Wenn es sein musste, auch gegen dessen Willen.

»Ihr habt nichts zu befürchten«, rief König Gustav Adolf den Bürgern zu, als er zwei Wochen nach seiner Landung auf Usedom, begleitet von Sir John Hepburn, durch die Tore Stettins ritt. »Ich bin als Freund, keineswegs als Feind in diese Länder gekommen, um zu helfen, die heilige reine Religion Augsburgischer Konfession zu erhalten.«

Die Menschen in Stettin jubelten dem Schwedenkönig zu. Erst verhalten, dann immer lautstärker. Sir Hepburn beobachtete den König und sah, wie sehr Gustav Adolf den Einmarsch in die Stadt genoss. Dabei half es, dass er die Bürger in ihrer Landessprache anredete, um das Vertrauen des Volkes zu gewinnen.

Bereits zu Beginn des Krieges vor zwölf Jahren war Gustav Adolf gemeinsam mit seinem Vertrauten Johann Casimir ins Heilige Römische Reich gekommen. Dort hatte er sich einen Überblick über die politische Lage im Reich nach dem Aufstand der böhmischen Stände verschafft. Der Hauptgrund seiner Reise aber war ein völlig anderer gewesen: Er hatte beim Kurfürsten von Brandenburg um die Hand von dessen Tochter Maria Eleonore angehalten und sie zwei Jahre später in Stockholm geheiratet.

Gustav Adolf führte seine Truppen auf das Stettiner Schloss zu, wo er Herzog Bogislaw XIV. seine Bündnisvorstellungen unterbreiten wollte. In der Vergangenheit hatte der Mann immer versucht, sich neutral zu verhalten, um weder bei seinen protestantischen Glaubensgenossen noch bei Kaiser Ferdinand II. in Ungnade zu fallen. Dabei nahm er in Kauf, dass der Habsburger sein Restitutionsedikt auch in seinem Herzogtum durchsetzte. Das schwedische Heer vor den Mauern seiner Stadt sollte ihn nun davon überzeugen, für die gemeinsame Sache Partei zu ergreifen.

Der Löwe aus Mitternacht. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Band 5

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