Читать книгу Der Löwe aus Mitternacht. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Band 5 - Jörg Olbrich - Страница 15

Preußen, 11. Juli 1631

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»Nicht das Königreich Böhmen ist es, dem mein Interesse gilt«, sagte Friedrich V. und starrte niedergeschlagen auf die Platte des Tisches, an dem er gemeinsam mit Axel Oxenstierna im Rathaus von Elbing saß. »Ich will lediglich die Pfalz zurück.«

»Ich verstehe Euren Wunsch«, sagte der schwedische Reichskanzler ruhig. »Dennoch bin nicht ich es, der Euch diesen auch erfüllen kann.«

»Der König kann es«, entgegnete Friedrich V. und schaute sein Gegenüber fordernd an.

Oxenstierna hielt dem Blick des inzwischen fünfunddreißigjährigen Monarchen stand, der für den Reichskanzler überraschend aus dem niederländischen Den Haag gekommen war, um mit ihm über ein mögliches Bündnis zu verhandeln. Der lange Leidensweg des ehemaligen Kurfürsten der Pfalz fand so in Preußen eine weitere Station. Er hatte den Fehler begangen, sich von den böhmischen Ständen in Prag vor den Karren spannen zu lassen und war daraufhin im ganzen Reich als Winterkönig verspottet worden. Jetzt lebte er mit seiner Gemahlin im Exil und war auf die Almosen ihrer Familie angewiesen.

Großes Mitleid hatte Oxenstierna mit dem Pfälzer nicht. Mit der Aussicht auf Reichtum und Ruhm hatte er sich zum König eines Landes machen lassen, das er kaum kannte. Anstatt sich dann hinter sein Volk zu stellen und für es zu kämpfen, hatte er lieber stattliche Empfänge gegeben und sich mit dem Adel vergnügt. Sicher musste man dem Kurfürsten zugutehalten, dass er damals noch recht jung gewesen war. Auf der anderen Seite waren sein Alter und seine Unerfahrenheit weitere gewichtige Gründe gewesen, warum er das Amt des böhmischen Königs hätte ablehnen müssen.

»Das von Gustav Adolf besetzte Gebiet ist noch weit von der Pfalz entfernt«, sagte Oxenstierna bedächtig. »Er wird nicht den Fehler von Christian IV. aus Dänemark wiederholen und sein Heer an mehreren Fronten aufreiben lassen. So leid es mir tut, ich kann Euch keine Hoffnung auf eine schnelle Besetzung der Pfalz machen.«

»Das erwarte ich auch nicht«, sagte Friedrich sichtlich um Beherrschung bemüht. »Ich bitte Euch lediglich, Euch meiner zu erinnern, wenn es so weit ist. Es ist mir bekannt, wie schwierig und langwierig die Verhandlungen mit den protestantischen Fürsten sind. Auch wenn sie den Kaiser hassen, sind sie nur dann bereit, Bündnisse zu schließen, wenn sie sich sicher glauben, daraus auch Vorteile zu erlangen.«

»Da sprecht Ihr wahre Worte«, antwortete Oxenstierna, der die Aussage des Pfälzers aus eigenen Erfahrungen bestätigen konnte, gleichzeitig aber auch den Eindruck gewann, dass der »Winterkönig« ihm nach dem Mund redete, um einen Vorteil für sich herauszuschlagen.

Der Leipziger Konvent, bei dem mehr als einhundertsechzig protestantische Fürsten zusammengekommen waren, hatte gezeigt, dass die Hoffnungen, die man auf eine friedliche Einigung mit dem Kaiser setzte, noch immer viel zu groß waren. Hinzu kam die Angst, sich tatsächlich offen gegen Ferdinand II. zu stellen. An den Höfen sorgte man sich mehr um die eigene Stellung im Reich als darum, ob das Volk unter den Machenschaften des Habsburgers zu leiden hatte.

Als Ergebnis der protestantischen Verhandlungen hatte Kurfürst Johann Georg von Sachsen im April ein Manifest an den Kaiser gesandt, in dem das Restitutionsedikt zur Wurzel ständiger Unruhen im Reich erklärt worden war. Die protestantischen Fürsten verlangten, dass diese Missachtung des Augsburger Religionsfriedens endlich zurückgenommen wurde. Darüber hinaus forderten sie die katholischen Reichsstände zu gemeinsamen Friedensverhandlungen auf.

Kaiser Ferdinand II. scherte das allerdings wenig. Seinem Feldherrn Graf Johann von Tilly hatte vor dem Eintreffen der Schweden im Reich kaum noch ein nennenswerter Gegner gegenübergestanden. Er würde sein Recht mit Gewalt durchsetzen und dabei nicht einen Gedanken daran verschwenden, was dies für das Landvolk bedeuten konnte.

»Kaiser Ferdinand II. muss aufgehalten werden«, sagte Friedrich V. entschlossen. »Er muss gezwungen werden, das Restitutionsedikt endlich zurückzunehmen. Es hat bereits zu viel Leid über die protestantische Bevölkerung des Reiches gebracht.«

Oxenstierna sah den Pfälzer überrascht an. Fast schien es ihm, als hätte Friedrich V. in seinen Gedanken gelesen. »Der Habsburger wird seine Pläne nicht fallen lassen«, sagte der Reichskanzler. »Mit dem Grafen von Tilly hat er einen starken Feldherrn, der es versteht, die kaiserlichen Interessen zu wahren.«

»Und gerade deshalb muss dem Wahnsinn ein Ende gesetzt werden. Denkt nur an das entsetzliche Massaker in Magdeburg.«

»Ich denke nicht, dass Tilly die Stadt tatsächlich dem Erdboden gleichmachen wollte«, sagte Oxenstierna, der nur ungern an die schrecklichen Geschehnisse erinnert wurde. Er und Gustav Adolf hatten die Katastrophe nicht verhindern können und sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, ihren Bündnispartner im Stich gelassen zu haben. Dabei war es die Schuld der Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen, die mit ihrem Zögern verhindert hatten, dass dem Grafen von Tilly ein ebenbürtiges Heer entgegengestellt worden war.

Oxenstiernas Zorn richtete sich vor allem gegen Johann Georg, der seine Versprechen, Soldaten zum Schutz abzustellen und Gustav Adolfs Mannen durch Sachsen ziehen zu lassen, nicht eingehalten hatte. Der Reichskanzler hatte den Kurfürsten bisher einmal getroffen und erinnerte sich noch sehr gut an seinen rundlichen Leib, der den Lebenswandel des Mannes signalisierte.

Natürlich billigte Johann Georg die Politik Ferdinands II. nicht. In Leipzig fühlte er sich allerdings sicher vor dem langen Arm des Kaisers, feierte rauschende Feste und frönte der Jagd. Weil er selbst keine Gelegenheit ausließ, sich seiner Trunkenheit hinzugeben, wurde er im Volk auch als »Bierjörge« bezeichnet, störte sich daran aber nicht.

»Tilly hätte das Morden früher beenden müssen«, widersprach Friedrich V. »Er hat zugelassen, dass Zigtausende den Tod fanden und sich später dafür feiern lassen.«

Tatsächlich war das Massaker von Ferdinand II. als Magdeburger Bluthochzeit in den Flugblättern im Reich als großer Sieg gefeiert worden. Die Truppen des Kaisers hatten die Vermählung mit der Jungfrau Magdeburg, die auf dem Wappen der Stadt abgebildet war, mit Waffengewalt erzwungen. Gleichzeitig war eine klare Warnung ausgesprochen worden, wie es enden konnte, wenn sich eine Stadt nicht dem Willen des Kaisers beugte.

»Wir können die Geschehnisse nicht rückgängig machen«, sagte Oxenstierna, der nicht länger über die Zerstörung der Stadt sprechen wollte. »Was geschehen ist, ist geschehen.«

»Es darf sich aber nicht wiederholen«, sagte Friedrich V. bestimmt.

»Natürlich darf es das nicht.«

»Haben die Herren noch einen Wunsch?«

Friedrich V. und Oxenstierna erschraken gleichermaßen. Keiner von ihnen hatte Gustav, der nach Agnetas Tod in die Dienste des Reichskanzlers getreten war, gehört, als er den Raum betreten hatte.

»Nein«, sagte Oxenstierna und machte eine schroffe Handbewegung. »Ziehe dich zurück und trage Sorge dafür, dass wir nicht noch einmal gestört werden.«

Der Diener ignorierte den Vorwurf in der Stimme des Reichskanzlers. Er nickte kurz und verließ den Raum genauso leise, wie er ihn betreten hatte.

Oxenstierna sah dem Mann ungehalten nach. Es bereitete ihm Probleme, sich an Gustav zu gewöhnen, der bei seinen Bewegungen so gut wie keine Geräusche verursachte und oft wie ein Geist aus dem Nichts auftauchte. Er dachte kurz an Agneta. Nach ihrem Tod hatte er sich immer wieder die Frage gestellt, ob er früher hätte bemerken müssen, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Vielleicht hätte er ihren Selbstmord dann verhindern können.

Oxenstierna atmete tief durch, bevor er sich wieder seinem Gast zuwendete. »Wir können nur hoffen, dass Magdeburg die protestantischen Fürsten wachgerüttelt hat und sie endlich einsehen, dass der Pakt mit Schweden die sicherere Entscheidung für die Zukunft des Reiches ist.«

»Was wird Seine Majestät nun tun?«

»Er wird seinen Feldzug im Reich fortsetzen und das von ihm besetzte Gebiet ausdehnen.« Es lag nicht in der Absicht des Reichskanzlers, den Pfälzer vollständig in die Pläne Gustav Adolfs einzuweihen. Deswegen verzichtete er darauf, Einzelheiten preiszugeben.

Nachdem der schwedische König mit seinen Truppen bis nach Berlin gezogen war und damit gedroht hatte, ganz Brandenburg im Kampf zu erobern, konnte er seinen Schwager Kurfürst Georg Wilhelm von Brandenburg endlich zu einem Pakt mit den Schweden zwingen, dem sich danach weitere protestantische Fürsten anschlossen. Leider galt das noch immer nicht für den »Bierjörge« aus Sachsen.

Gustav Adolf konnte sich der Freundschaft der Fürsten erst sicher sein, nachdem er deren Feinde bezwungen hatte. Als es dem schwedischen König gelungen war, den Feind aus Pommern, Mecklenburg und Teilen Brandenburgs zu vertreiben, lenkten diese ein.

»Ich kann Euch nur raten, nach Den Haag zurückzukehren«, sagte Oxenstierna schließlich und sah seinen Gast ernst an. »Ich versichere Euch, dass Gustav Adolf weiterhin entschlossen gegen den Kaiser vorgehen wird. Ich werde ihn von Eurem Besuch in Kenntnis setzen. Wenn sich die Lage für die Pfalz verändert, werde ich Euch das wissen lassen.«

»Um mehr bitte ich Euch auch nicht«, sagte Friedrich V., der nun endlich einzusehen schien, dass er an diesem Tag nicht näher an die Erfüllung seiner Wünsche herankommen würde.

»Betrachtet Euch als meinen Gast, solange Ihr es wünscht«, sagte Oxenstierna erleichtert darüber, dass die Unterredung mit dem Pfälzer für diesen Tag beendet war.

»Das ist ein sehr großzügiges Angebot, das ich aber leider ablehnen muss«, antwortete Friedrich V. »Ich werde Elbing bereits morgen mit meinem Gefolge verlassen.«

Der Löwe aus Mitternacht. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Band 5

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