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Polachewskis Begleitbrief
ОглавлениеMaa-do, im siebenten Monat d. J. 723 n. D.
An Zentralarchiv
Dokumentation Fremdrassen
Terra-City, VBW
In Erfüllung von § 5 meines Arbeitsvertrages mit der Explorerflotte, der mir das Sammeln von Dokumenten über Fremdrassen und deren Weitergabe an das Zentralarchiv zur Aufgabe macht, reiche ich in Anlage die Fragmente eines Berichtes ein, der auf dem Planeten Maa-do (d. i. »Welt der Maa«) entstanden ist.
Maa-do ist der fünfte Planet der Sonne Mi-ra (d. i. »Gott des Lichts«), etwa 860 Lichtjahre von unserem eigenen Sonnensystem entfernt. Vor rund zwei Jahrzehnten erkundete ein Scoutschiff der Explorerflotte zum ersten Mal das Mi-ra-System und katalogisierte in groben Zügen den fünften Planeten, der sich als einziger als bewohnbar und bewohnt erwies. Vor zwei Jahren wurde ich als Xenobiologe auf Maa-do abgesetzt, um mittels einer Feldstudie das Verhalten der Eingeborenen, der Maa (d. i. »Geschöpfe«), zu untersuchen.
Die Maa gehören zu den Hominiden; sie messen zwischen 90 und 120 Zentimetern Körpergröße, gehen aufrecht und haben sechs Finger an jeder Hand und sechs Zehen an den Füßen. Sie verfügen über unwesentlich mehr Haarwuchs als wir Menschen. Die Sprache der Maa ist reich an Worteinheiten und erinnert in der Sprachstruktur ein wenig an das irdische klassische Chinesisch, das heißt, die Sprache kennt so gut wie keine Grammatik; lediglich über die Syntax wird dem einzelnen Wort der genaue Bedeutungsinhalt und seine Funktion im Satzzusammenhang zugewiesen.
Maa-do, der Planet, besitzt eine Achsneigung ähnlich Terra, der breite Mittelgürtel quer zur Polachse verfügt durchschnittlich über ein fast mediterranes Klima; gegen die beiden Pole hin allerdings nimmt die Wärme rasch ab bis hin zu erbitterter, ewiger Kälte. Die Maa, einzige intelligente Spezies dieser Welt, leben in jenem Mittelstreifen. Technische Errungenschaften sind ihnen fremd, selbst das Rad ist noch nicht erfunden. Dennoch verfügen sie über eine – auf mehr geistiger Ebene basierende – Zivilisation. Sie führen ein ruhiges Leben als Bauern und sporadische Jäger.
Dieses eben Geschriebene basiert weitgehend auf Vermutungen bzw. auf den Beobachtungen einer einzigen Großfamilie von genau siebzehn Individuen. Es ist mir in den zwei Jahren meines Aufenthalts auf Maa-do nicht gelungen, weitere Maa-Leute aufzustöbern, obwohl ich mit dem Schweber weite Vorstöße in alle Himmelsrichtungen unternommen habe.
Die Maa leben dem Jahresrhythmus angepasst, der ihnen drei Ernten schenkt. Nahrungsmangel scheint demnach nicht die auslösende Ursache für die gravierende Dezimierung an Individuen zu sein. Ich vermute, dass das beigelegte Dokument dem Kundigen einen Schlüssel zum Verständnis des Maa-Schicksals bietet.
Ich erhielt die fünf Blätter während einer der drei jährlichen Erntedankfeste, die dem Gott Mi-ra, also der Sonne dieses Planeten, gelten. Zuvor schon hatte ich ab und an vom »Vater der Zukunft« gehört, wenn ich bei abendlichen Gesprächen oder auch während der täglichen Feldarbeit versuchte, Einzelheiten der Vergangenheit zu ergründen. Der »Vater der Zukunft« scheint im Denken der Maa, zumindest aber dieser Großfamilie, eine tragende Rolle zu spielen. Einzelheiten aus dem Dokument, das die Flucht in den Norden anlässlich einer Seuche beschreibt, vermögen Aufschlüsse über den Mann zu geben, der später mit dem Ehrennamen »Vater der Zukunft« bedacht wurde.
Die fünf Blätter des Dokuments, in der Rundbogenschrift der Maa abgefasst, sind vor und während des Marsches in den Norden beschrieben worden. Der Mittelteil des Berichts fehlt leider, er scheint verloren gegangen zu sein. Wenigstens förderte eine auf meinen Wunsch durchgeführte Suche keine weiteren Blätter zutage.
Die dem Maa-Dokument beigegebene Übersetzung habe ich zusammen mit meinem alten Freund Lu-a, dem Oberhaupt der Großfamilie, angefertigt. In strittigen Fragen habe ich seinen Anregungen und Interpretationen Folge geleistet. Im Übrigen wurde darauf geachtet, den Inhalt der Papiere mit der gebührenden Sorgfalt wiederzugeben.
In Erwartung des Schiffes, das mich ins Plaje-System zu einem neuen Einsatz befördern soll,
Heribert Polachewski