Читать книгу Die Welten des Jörg Weigand - Jörg Weigand - Страница 9

3

Оглавление

Die Welt des Doo, so nannten die Pelzigen ihre Heimat untereinander, war auch für irdische Begriffe riesenhaft, doch sie besaß nur einige tausend Bewohner. Ausgeklügelte Selbstversorgungsanlagen verhinderten, dass irgendjemand Not leiden musste. Auf mehreren Decks übereinander befanden sich Plantagen, in denen die verschiedensten Gewächse kultiviert wurden. Tiere sah Valentin Fisher keine. Und Fleischgenuss galt, das ergab eine vorsichtige Frage, als heiliges Tabu.

Im Verlauf langer Gespräche kam Fisher dahinter, dass das Volk weniger eine soziale als eine religiöse Ordnung kannte. Es gab keine Vorgesetzten und keine Bestrebungen Einzelner, sich gegenüber den anderen hervorzutun. Wo etwas zu entscheiden war, geschah dies einvernehmlich – oft ohne sichtbare Abstimmung. Dem Menschen schien es manchmal, als sei hier eine Gemeinschaft so ineinander verwachsen, dass das verbale Einholen der Zustimmung Einzelner gar nicht mehr vonnöten war.

Alles bestimmte das Doo, ein Begriff, unter dem sich Fisher lange Zeit überhaupt nichts vorstellen konnte. Manchmal erschien es ihm als abstrakter Begriff, doch fast ebenso oft wiederum hatte er den Eindruck einer Personifizierung. So, wenn Lilisan etwa in einer Diskussion einwarf: »Das Doo sagt, dass …« Meist folgten dann Äußerungen, die auf Geduld und Verständnis anderen gegenüber abzielten.

Erst allmählich merkte Valentin Fisher, dass jedes Gespräch, das er mit einem Vertreter des Volkes führte, gleichzeitig ein Test war.

Seine Gesprächspartner wechselten rasch, als wollte man ihn durch verschiedene Spezialisten prüfen lassen. Ihm freilich kam es so vor, als ginge es immer nur um das gleiche Thema: die meditierende Haltung des Einzelnen gegenüber dem Universum und die Einpassung des Individuums in die religiöse Gemeinschaft des Doo.

Zu Anfang hielt er sich bei den ausgedehnten Diskussionen zurück. War es zuerst mehr Unsicherheit darüber, worum es eigentlich ging, so merkte er rasch, dass es da Dinge gab, auf die das Volk großen Wert legte, die ihm jedoch ziemlich fremd waren. Doch merkte er mit Fortschreiten der Zeit, dass ihn eine geheime Ungeduld befiel, die anwuchs und durch nichts zu stoppen war.

Zum ersten Mal ging Fisher aus sich heraus, als sein neuer Gesprächspartner ihm eine Vorlesung zu halten begann über die Tugenden des Doo:

»Wer im Doo lebt, weiß, ohne zu wissen. Er ist ehrlich und weiß doch nicht, was Wahrheit ist. Er hilft aus eigenem Antrieb anderen, ohne Hilfe zu kennen. Er liebt das Volk über alles, und doch ist ihm Liebe unbekannt. Er tut seine Arbeit, doch was ist für ihn Pflicht? Er praktiziert Treue zum Doo und …«

Da riss der Geduldsfaden.

»Was soll das eigentlich?«, unterbrach er in scharfem Ton den vortragenden Tansetung.

»Was soll dieses Salbadern? Warum muss ich mir das immer wieder anhören? Einmal ist genug!«

Tansetung, aus seinem meditierenden Sprechen brutal in die Gegenwart gerissen, schaute ihn aus schreckgeweiteten Augen an. Fisher ließ sich nicht beirren:

»Wie lange muss ich eigentlich noch warten, ehe man mehr auf das eingeht, was ich will? Wann kann ich endlich nach Hause? Habe ich es hier nur mit lauter Verrückten zu tun?«

Er hatte sich bei diesem Gefühlsausbruch erhoben und schaute Tansetung wütend an. Doch nicht lange – dann war der Pelzige geflohen.

Die Welten des Jörg Weigand

Подняться наверх