Читать книгу Fröhlich durch den Weltuntergang - Julianne Becker - Страница 15
Flüchtlinge
ОглавлениеDas Thema Flüchtlinge ist mittlerweile wieder fast ganz von unserem Radar verschwunden, doch immer noch sterben Menschen im Mittelmeer. Sie kommen weiter und zum Teil auf abenteuerlichen Wegen zu uns. Wir waren ja schon fast froh, dass da am Bosporus wieder eine Diktatur aufkeimte, und der Flüchtlingsstrom gestoppt werden konnte, bevor er uns erreichte. All diese Kriege, Wirren und Dürrekatastrophen in Nahost und Afrika sind eigentlich eine Bankrotterklärung der Entwicklungshilfe, der UN und der internationalen Politik. Was hat der Westen frohlockt über den arabischen Frühling, doch geht es den Menschen nun wirklich besser? Wenn ein Land nach dem anderen rund ums Mittelmeer destabilisiert wird, was ist da anderes zu erwarten als ein riesiger Flüchtlingsstrom? Die wollten schon immer kommen, doch im letzten Jahrhundert war der Weg dicht. Die arabischen Länder am Mittelmeer haben die afrikanischen Flüchtlinge damals nicht durchgelassen.
Viele Flüchtlinge wollen ausdrücklich nach Deutschland. Ganze Gesellschaften in Not schicken ihre jungen Männer vor, um die Großfamilie nachzuholen. Doch vor allem auch, damit sie selbst nicht für den Krieg rekrutiert werden können. Oder aus dem gleichen Grund, der meine entfernten Vorfahren bewogen hat, nach Amerika auszuwandern: Wirtschaftliche Not und zu viele Kinder. Die Bauernhöfe konnte nur einer erben, die anderen gingen leer aus und hatten auch keine andere Lebensgrundlage. Oder das bewirtschaftete Land wurde immer kleiner. Berufe wurden vorwiegend in der eigenen Familie vererbt, von außerhalb konnte man nur schwer hinein. Oft blieb nur die Arbeit als industrielles Proletariat in den Städten - oder die Auswanderung.
Die afrikanischen Länder wurden immer wieder durch Katastrophen und Kriege erschüttert, die Sahara dehnt sich weiter aus. Hinzu kommt auch bei ihnen, dass die Familien zu groß sind, um vom Land leben zu können. Und die Menschen in den Städten bekommen traditionell ebenfalls viele Kinder, ohne ihnen ein Leben anders als in prekären Verhältnissen bieten zu können. Auch die suchen ihre Zukunft woanders.
Es ist ziemlich absurd, dass wir eine Bürokratie damit beauftragen, herauszufinden, ob ein Asylsuchender aus wirtschaftlichen Gründen oder als politisch Verfolgter eintrifft. Wer will das schon sagen? Und wozu diese Unterscheidung? Wir können nicht jedem auf der Erde helfen, die Menge ist schier zu groß! Andere Kulturen sollten es selbst lernen, ihre Probleme zu lösen, sich in ihrem eigenen Land gut zu versorgen und frei und in Wohlstand zu leben. Und wir wollten ihnen dabei vor Ort helfen, auf die Beine zu kommen. Das war ursprünglich mal der Auftrag der Entwicklungshilfe, bevor sie von Krediten und wirtschaftlichen Interessen kontaminiert wurde.
Wer zu uns passt und mit uns nach unseren Grundrechten leben will und sich dabei selbst versorgt, der ist mir selbst allemal willkommen. Ich habe als Beamtin den Eid auf dieses Grundgesetz gerne geleistet. Dabei ist mir persönlich gleichgültig, ob er Zuhause politisch verfolgt wurde oder hier nur ein besseres Leben sucht. Dass er Verfolgung erfahren hat, könnte ja auch bedeuten, dass er sich auch in meinem Land mehr mit Kampf oder Untertauchen beschäftigen wird, mit der Unterstützung von befreundeten Widerstandskämpfern aus der Ferne und mit den Ansprüchen, die er bei unseren Behörden durchfechten muss, weil er einfach auf 'Kampf oder Flucht' getrimmt ist. Verfolgung macht doch aus einem Flüchtling noch keinen friedlichen Menschen. Und ich bestehe auf Frieden.
Die eigentliche Frage ist doch, macht das Asylrecht in dieser Form überhaupt noch Sinn, wenn potentiell viele Milliarden Menschen weltweit lieber in einem Land leben wollen, in dem so stabile und relativ freie Verhältnisse herrschen und Milch und Honig fließt - so wie bei uns? Vor allem, wenn das einzige wirkliche und recht unfaire Auswahlkriterium darin besteht, ob sie es lebend bis zu uns schaffen? Und da sprechen manche Landsleute immer noch von einer 'Willkommenskultur'. Das klingt doch eher wie ein perfides, menschenverachtendes Spiel - oder?
Mit den männlichen Jugendlichen unter den Flüchtlingen aus den akuten Kriegsgebieten verhält es sich ganz anders. Sie sind eigentlich vor allem Kriegsdienstverweigerer. Das macht sie leider auch noch nicht zu Friedensaktivisten oder zu Mitbürgern, die das Grundgesetz automatisch zu ihrer Lebensgrundlage machen werden. Wäre ich dort Mutter, ich würde auch mein ganzes Geld zusammenkratzen, um meine Söhne in Sicherheit zu bringen! Na klar doch! Allerdings, und da kannst du dich drauf verlassen: Auch meine Töchter, unterschiedslos! Und ihre Töchter? Die sind ja scheinbar weniger gefährdet, sie werden ja höchstens vom IS vergewaltigt, verschleppt und verkauft. Oder bei Angriffen getötet. In der Altersgruppe der unbegleiteten Jugendlichen, die ich 2016 in Deutsch unterrichten durfte, gab es unter zwanzig Jungs kein einziges Mädchen.
Keiner der Flüchtlinge kommt, weil er unsere Kultur und unsere Demokratie so toll findet und deshalb mit uns leben will. Oder weil er unsere Grundrechte respektiert. Wahrscheinlich hatte er bisher weder Zeit noch Interesse, sich überhaupt damit zu befassen. Und warum sollte es ihn überhaupt interessieren? Die Jungs sagten mir immer wieder, ihr Ziel sei: Sie wollen die Familie zusammenbringen. Und dann ginge es schon irgendwie weiter. Ich schlug vor, dass sie doch erst einmal selbst einen Beruf erlernen und ausüben sollten, dann könnten sie ihre Familie doch auch selbst versorgen, wenn sie käme. Diese Idee schien ihnen verwunderlich, doch der Beruf interessierte sie dann doch. Mittlerweile sind sie alle auf einem guten integrativen Weg, soweit ich gehört habe. Und darüber freue ich mich aufrichtig.
Die Zusammenballung und längere Unterbringung von erwachsenen Flüchtlingen und Asylanten birgt viel zusätzlichen Zündstoff. Untereinander verfeindete Gruppen treffen in unseren Aufnahmeheimen aufeinander und setzen dort natürlich auch ihr bisheriges Konfliktverhalten fort. Was denn sonst? Und mal ehrlich, stell dir vor, du nimmst aus unserer eigenen Kultur eine repräsentative Auswahl von jungen Männern (Sonderschule bis Abitur) direkt nach der Schule und steckst sie ans Ende der Welt, wo es ihre Eltern und ihre Mädchen und die soziale Kontrolle ihrer Familie nicht gibt, aber auch überhaupt nichts zu tun. Sie sind zwar materiell versorgt, treten aber auf der Stelle, warten auf Genehmigungen, Anerkennungen und Zulassungen und dass es weiter geht in ihrem Leben. Nur ein paar einheimische Mädchen gibt es, die aber sind unehrenhaft. Das sieht man schon daran, wie sie sich kleiden und wie offen und freizügig sie sich fremden Männern gegenüber geben. So ist das, wenn eine Kultur plötzlich in eine ganz andere eingepflanzt wird.
Und als Flüchtling erinnerst du dich, dass die Schlepper dir erzählt haben, dass die Deutschen aussterben, die deutschen Männer könnten keine Kinder mehr zeugen, sie hätten nie mehr als zwei Kinder, oft nur eins oder gar keine. Die deutsche Regierung wolle deshalb, dass sie wegen des Rückgangs der Geburtenrate kommen und viele Kinder zeugen. Da hilft man doch gerne! Das habe ich mir nicht ausgedacht, sondern so im Internet gefunden. Und verlass dich drauf, die haben alle ein Handy und Internet! Nun, was glaubst du denn, auf welche Gedanken man als junger Mann im Rudel kommt? Müßiggang ist aller Laster Anfang, sagt ein Sprichwort. Gerade der junge Mensch muss sich beweisen können, muss sehen, dass es in seinem Leben weitergeht. Der Tatendrang ist groß. Wir setzen da auf ganz falsche Anreize! Und von den fünftausend Flüchtlingen, die einfach ganz in unserem Land untergetaucht sind, ist überhaupt nicht die Rede. Wovon leben die? Wer versteckt sie? Was tun sie?
So lange die Verhältnisse bei uns stabil bleiben, wird das gehen. Aber stell dir bitte den Zündstoff einer Situation vor, wenn die Versorgung für alle ausfällt, Deutsche wie Flüchtlinge, sagen wir, für drei Tage bis drei Wochen. Ich mache mir dabei weniger Sorgen um die Flüchtlinge, denn die haben die letzten Monate und Jahre das Überleben trainiert, sie haben sich vernetzt und werden ihren Weg finden. Eher um den Frieden im Land und um die behüteten, arglosen Deutschen, die es nicht mehr gewöhnt sind, plötzliche, ungewöhnliche Situationen zu meistern und im Chaos zu überleben.
Übrigens stand mit der ersten Flüchtlingswelle eine App zur Verfügung, die einen beliebigen deutschen Text ins Arabische übersetzt, und nur für die Übersetzung vom Deutschen ins Arabische gedacht war, und nicht umgekehrt. Das entdeckte ich zufällig, als ich den Deutschunterricht für meine syrischen Jugendlichen vorbereitete. Es verblüffte mich schon sehr. Ein Schelm, wer Böses denkt. Du hältst einfach dein Handy so vor ein Schild, als würdest du den Text fotografieren und das Handy zeigt dir dann die arabische Übersetzung der deutschen Worte im Bild. Ich glaube, es wäre Zeit, dass diese App auch das für alle Sprachen kann: Ich will auch mein Handy auf irgendeine Schriftsprache halten können und die Übersetzung lesen!
Mich wunderte, dass diese App nur für den arabischen Sprachraum und mit Hinblick auf die deutsche Sprache programmiert wurde. Wer entwickelt so eine App genau zeitlich passend? Und wenn schon, dann will ich einen Simultan-Übersetzer als Ohrstöpsel, so dass ich auch wieder die vielen fremden Sprachen verstehe, die neuerdings um mich herum gesprochen werden, und wenigstens merke, wenn da über mich geredet wird. Und vor allem was. Ihre fremde Sprache entzieht diese Menschen der sozialen Kontrolle. Und die ist es eigentlich, die uns das Gefühl von Sicherheit vermittelt. Wenn ich schon im Vorbeigehen an einer Gruppe höre, sie unterhält sich friedlich und privat, gibt mein psychisches Immunsystem nämlich sofort Entwarnung. Sonst hält es mich weiter in Alarmbereitschaft und das stresst. Die Gruppe könnte mich auch überfallen wollen. Oder etwas anderes zusammen planen, was mir und meinen Mitbürgern schadet. Diesen Stress erlebe ich auch bei Motorradgruppen in Lederklamotten, keine Ahnung warum. Schon die Geräuschkulisse macht mich ganz kirre. Laute orientalische Musik und Heavy Metal in der Öffentlichkeit haben übrigens bei mir den gleichen Effekt.
Ich springe auch mal ins kalte Wasser. Ich erwähnte bereits, dass ich die Flüchtlingsfrage hautnah erlebte. Ich unterrichtete drei Monate lang zwanzig männliche Jugendliche in Deutsch, dann ging ich in die Knie. Ich bin gerne für den Deutschunterricht eingesprungen, obwohl es nicht mein Fach war. Doch bald war mein Vorgehen den Jungs nicht gut genug für ihre Ansprüche. Sie wussten einfach besser, wie ich sie zu unterrichten hatte. Mit dem Ende des Schuljahrs war mein Einsatz zu Ende. Ich glaube, alle Beteiligten haben aufgeatmet. Natürlich hatte ich diese halbstarken syrischen und afghanischen Jungs gleich in mein Herz geschlossen und sie benahmen sich eigentlich auch nur wie Deutsche in diesem Alter. Nach fünfundzwanzig Jahren Unterricht bei oft hohem Ausländeranteil aller Herkunftsländer bin ich davon überzeugt: Wir sind alle einfach nur Menschen. Trotzdem muss man Entwicklungen benennen dürfen, die nicht so gut laufen, ohne gleich niedergebuht zu werden und pauschal als ausländerfeindlich ausgegrenzt.
Da wo Flüchtlinge der Schulpflicht unterliegen, sehe ich gute Chancen auf Integration, zumindest, wenn sie dann auch einen Job finden: Nach ein paar Jahren werden sie unsere Werte kennen und schätzen lernen. Und vor allem viele Kontakte und Erfahrungen mit Einheimischen gemacht haben bis hin zu gemeinsamen Partys in der Shisha-Bar. Probleme sehe ich eher dort, wo Menschen isoliert in Unterkünften auf ihr weiteres Schicksal warten. Wo sie die Macht der unbestechlichen deutschen Bürokratie kennen lernen. Oder Parallelgesellschaften aufbauen. Wir benehmen uns in deren Wertebereich wie Opfer, die man ausnutzen und austricksen kann. Sie lernen schnell, dass sie hier einen Anspruch haben, oder eben nicht. Und benehmen sich eben auch anspruchsvoll. Wer könnte es ihnen verdenken?
Du glaubst mir nicht? Warum geht es beim Thema 'Flüchtlinge' immer wieder um Retter, Opfer und Täter? Weil wir auch kollektiv gerade lernen, was in der friedlichen Konfliktlösung längst bekannt ist: Wer in das Täter-Opfer-Retter-Dreieck einsteigt, hat schon verloren, er wird hinein gezogen in den Konflikt und hat das Nachsehen. Eine Mediation sollte unbedingt das TOR vermeiden, denn wer durch dieses TOR geht, wird unweigerlich alle drei Rollen erfahren/erleiden, denn sie wechseln sich ab. Eine Garantie, dass der Konflikt sich weiter in die Höhe schraubt statt beigelegt zu werden. Ein Retter wird unweigerlich zum Opfer oder Täter, ein Opfer wird zum Täter oder Retter usw. Wenn ein neues Schuljahr auf unserer Sonderschule für Lernen und Verhalten begann, konnte ich relativ schnell ausmachen, wer die neuen Opfer sein würden und die alten und die neuen Täter reizen würden, sie zu mobben. Da hatten wir als Schulmediatoren erst mal genug zu tun, um für eine friedliche Konfliktlösung zu sorgen.
Sehe ich in den Flüchtlingsheimen den Einsatz von Mediatoren und auf Kriegstrauma spezialisierten Psychologen? Nein! Schulungen aller Betroffenen, den Flüchtlingen und den Helfern, in gewaltfreier Kommunikation? Nein. Das alleine würde mich beruhigen: Dass wir sofort darauf bestehen, friedliche Konfliktlösung zu erlernen. Denn die meisten Flüchtlinge kommen aus einem Gebiet und aus einer Kultur, wo gerade der Frieden abhandenkam. Und haben unterwegs Gewalt in vielen Varianten kennen gelernt. Sie werden ihre Konflikt(un)reife in unsere Gesellschaft hineintragen und auch die ihrer ganzen, oft noch patriarchalen Kultur, oder wir kümmern uns, indem wir uns nicht kümmern, sondern fördern und vor allem fordern, nämlich, dass sie konfliktfähig werden und unser Grundgesetz zu ihrer Lebensgrundlage machen - oder gehen. Wir können nicht alle Flüchtlinge der Welt aufnehmen. Vielleicht fordert uns die Situation auch nur auf, sie kurzfristig zu versorgen, gründlich mit unseren Werten in Berührung zu bringen und in friedlicher Konfliktlösung zu schulen, um diese Ideen in ihre Heimatkultur zurück zu tragen. Das wäre doch auch eine Variante von Entwicklungshilfe.
Die Sprache erlernen genügt dafür nicht, das Abtauchen in eine Parallelgesellschaft vermeidet jede echte Auseinandersetzung mit unseren Werten. So hat mir mein türkischer Liebhaber vor Jahrzehnten mal treuherzig erzählt, dass er seine Frau aus seinem Dorf nachgeholt hat, und dass sie kein Deutsch lernen soll, sonst könne sie ja seinen Gehaltszettel lesen. Und er schlägt sie auch ab und zu, damit sie weiß, wer der Herr ist. Nicht, dass ich das gut fände. Damals war ich empört und versuchte ihn (vergeblich!) umzuerziehen. Nee, Einsichten kommen immer nur freiwillig. Dass er seinen Vorteil nutzte, ist doch menschlich. Diese Schlitzohrigkeit ist eine Cleverness zum Überleben oder zum angenehmen Leben und es gehören immer zwei dazu. Und eine Grundstruktur, die das zulässt.
Wollen wir immer erst auf die nächste und übernächste Generation warten, die durch die Schulpflicht dann doch den Gehaltszettel lesen kann? Ich weiß, das sind einzelne Beispiele, aber jeder von uns erlebt immer nur einzelne Beispiele. Es geht darum, sie alle auf den Tisch legen zu dürfen für das größere Bild, ohne gleich angebafft und ausgezählt zu werden. Und dann nach einem Konsens zu suchen. Und nach dem größeren Bild. Erst einmal ist es unser Land. Unsere eigene Zukunft und die unserer eigenen Kinder muss uns wichtig bleiben, sonst treten wir unsere Kultur mit Füßen. Der Geschichte ist es egal, ob es Deutsche gibt oder nicht. Oder Kanaaniter. Von den Kelten kennen wir auch nur noch ihre Gerätschaften und die Reste ihrer Fliehburgen.
Wieso erhalten zum Beispiel alle Neuankömmlinge ihre Hilfen als Geschenk, während unsere eigenen Kinder ihr BAFÖG als Kredit zurückzahlen müssen? Und wieso wird unseren eigenen Abiturienten durch Numerus Clausus der Zugang zu den medizinischen Berufen erschwert und dann müssen wir die fehlenden Kräfte aus zugewanderten studierten Ärzten ergänzen, die sich erst nach Jahren versiert auch mit Mundart sprechenden Patienten unterhalten können. Wenn Deutsch nicht die Sprache ist, in der du sozialisiert wurdest, sind Missverständnisse vorprogrammiert. Bei Berufen, wo es um Leben und Tod geht, möchte ich nicht missverstanden werden. Egal, ob du Deutschkurs A, B oder C hast, kann ein Neubürger doch jederzeit kulturelle Berührungen vermeiden, die ihn erst im Laufe der Zeit auch für Missverständnisse sensibilisieren würden. Viel wahrscheinlicher ist bis dahin, dass er falsch interpretierte Beobachtungen weiter anhäuft und Vorurteile noch verstärkt.
Meine marokkanische Praktikantin behauptete zum Beispiel, ich würde den Islam beleidigen und meine Schüler diskriminieren und hat sich übelst darüber aufgeregt und noch so einige andere mit in dieses Theater hineingezogen, das dann unter meinem Ausschluss weiter auf Arabisch fortgesetzt wurde. Dabei hatte ich nur eine flappsige Bemerkung gemacht und aufgegriffen, was mir meine arabischen Schüler über das Verhalten eines Mitschülers gesteckt hatten. Als er im Unterricht zum wiederholten Male auf die Toilette musste und uns das störte, sagte ich: "Gehst du wieder essen und trinken?" Einfach um ihm zu zeigen, dass auch ich - wie seine Mitschüler - sein Verhalten durchschaut habe. Denn es war Ramadan. So also hatte ich diese Religion extrem beleidigt. Ich wollte meiner Praktikantin dann mal umgekehrt erklären, in wie vielen Arten und bei wie vielen Gelegenheiten sie mich umgekehrt eigentlich auch schon beleidigt hatte, nur dass ich eben nicht so viel Aufhebens darum machte, aber da stieß ich auf taube Ohren: Offenbar werden nur Muslime beleidigt.
Wir sollten unser Selbstbewusstsein als Deutsche stärken und unsere neuen Gäste vor allem auf unsere Verfassung trainieren. Fördern allein genügt mir nicht. Fordern und Bedingungen stellen, wenn sie etwas von uns haben wollen, wäre viel hilfreicher. Warum diese ganzen Hilfen nicht einfach in Form eines BAFÖGS vergeben, und zwar umgehend zurückzahlbar. Wer innerhalb von drei Jahren keinen Job finden konnte und dann auch mit der Rückzahlung beginnt, muss unser Land wieder verlassen. Er konnte sich offenbar nicht integrieren. Und das wäre auch meine einzige Bedingung. Es ist ganz leicht feststellbar, ob diese Bedingung erfüllt wurde, ein Blick auf den Kontoausdruck genügt. Dafür bräuchten wir keinen großen Beamtenapparat. Wir sind doch nicht das Sozialamt der Welt! In der Schule musst du auch Noten bringen, du bekommst das Zeugnis nicht einfach geschenkt. Und Schummeln gilt nicht. Was wir nämlich auch übersehen, ist, dass es in manchen Kulturen eine Sache von Ehre ist, nicht die Wahrheit zu sagen.
Das lernte ich schon damals von jugoslawischen Flüchtlingseltern, die sich, was die Hausaufgaben betraf, lieber den Ausreden ihres Sohnes anschlossen, als zuzugeben, dass er sie wiederholt nicht gemacht hatte. Oder gar, dass er sie nicht konnte! Alleine schon zugeben, dass der Sohn Nachhilfe brauchte, ging nicht wegen der Ehre. Der Vater musste das Gesicht wahren. Ich verstand das schließlich und war ratlos. Wie er mich dabei beurteilt hat, mag ich mir gar nicht ausmalen! Das wird dir wie eine Kleinigkeit erscheinen, doch wenn Ehre über Ehrlichkeit geht, verlieren wir die Basis unserer Verfassung. Die Ehre muss dann auch töten und zwangsverheiraten. Das ist nicht meine Kultur, mitnichten! Dennoch, ich mochte den jugoslawischen Jungen ohne Hausaufgaben damals sehr gern, es ist einfach mein menschliches Naturell. Deshalb lasse ich doch noch lange nicht das unehrliche Verhalten durchgehen. Ich habe auf den Hausaufgaben bestanden, Ehre hin oder her.
Gerade werden eine Gewaltbereitschaft und eine Frauenfeindlichkeit direkt mitten in unsere Gesellschaft getragen und ich sehe darin die Gefahr, dass wir verlieren, was wir wertschätzen. Wie angespannt die Stimmung immer noch ist! Jeder, der sein Bauchgrummeln mehr oder weniger sachlich artikuliert, wird unsachlich niedergebuht. Statt dass man sich an einen Tisch setzt und gemeinsam schaut, wo die blinden Flecke des anderen liegen. Und sie mit Wissen, Weisheit und Erfahrung füllt. Meine eigenen Landsleute sind dabei, wie gesagt, diejenigen, die mir die meisten Sorgen bereiten. Und das nicht nur, weil eine medial begabte Freundin unsere großen Städte in der nahen Zukunft brennen sah, und Deutsche dort gegen Deutsche kämpften. Wo war die Polizei? In ihren wiederholten Visionen sah sie nicht einmal eine Polizeibeteiligung, wie das doch eigentlich zu erwarten wäre! Ich nehme auch diese Dinge ernst, aber darauf kommen wir noch zu sprechen.
Wenn ein Großteil der Bevölkerung sich nicht mehr gehört fühlt und die Politik einfach über sie hinweg regiert, wurden bisher neue Parteien gegründet oder es kamen Diktatoren an die Macht. Wenn es ein großes Anliegen der Bevölkerung war, entstanden sogar große, bleibende Parteien, keine Splittergruppen. Die Grünen sind so ein Beispiel. Ihre Parteigründung hat damals die anderen Parteien regelrecht gezwungen, sich ebenfalls der Umweltpolitik anzunehmen. Die taten das vorher einfach nicht! In diesem Licht muss man auch die AFD betrachten. Sie haben ein heißes Eisen angefasst, was von den anderen mit einem Tabu belegt war. Es trägt jedoch nicht zu Stabilität und Frieden bei, wenn die politische Landschaft derart polarisiert und gespalten wird. Und man vergeudet viel Manpower, die man besser verwenden könnte, indem jedem zugehört wird. Die Menschen müssen zumindest ansatzweise erkennen können, dass ihr Wille auch umgesetzt wird und nicht der Wille der USA oder der Deutschen Bank.
Wenn meine deutsche Nachbarin in Berlin mir erzählte, dass ihre Ost-Rente so knapp bemessen sei, dass sie die Medikamentenzuzahlung irgendwie abhungern muss, und diese gleiche Witwe dann liest, dass die Notunterkünfte nicht ausreichten und man bei der Unterbringung von Flüchtlingen auf ein Hotel ausweichen musste, dann fragt ein solcher Mensch sich eben auch, wessen Land das nun ist. Es darf doch keinem Deutschen schlechter gehen als einem Ausländer, das wäre doch verkehrte Welt!
Mehr Gesetze haben nicht zu mehr sozialer Gerechtigkeit geführt. Grüne an der Macht haben nicht die Umwelt verbessert, auch wenn sie das gerne glauben. Und Sozialdemokraten haben auch nicht für soziale Gerechtigkeit gesorgt, es sei denn, dass man die Gleichmacherei auf niedrigem Niveau (HARTZ IV) als sozial gerecht empfindet. Nur die CDU/CSU, auf die konnte man sich verlassen, die war schon immer so. Ich reihe mich da übrigens nicht in die Kritik unserer Bundeskanzlerin ein, denn ich ahne, dass sie es wirklich gut macht. In der entscheidenden Phase hatten wir nicht nur eine Bundeskanzlerin mit DDR-Erfahrung sondern auch einen Bundespräsidenten mit gleichem Hintergrund. Beide haben vermutlich schon während der Ära Kohl begriffen, dass sie eigentlich vom Regen in die Traufe kamen, und dass die Westdeutschen auch nicht wirklich frei sind. Und dass die ehemaligen DDR-Bürger durch die Wiedervereinigung dann natürlich auch nicht wirklich in die Freiheit entlassen wurden.